es ihnen gelänge, in dieses Haus zu dringen. Uebrigens ist das Thal von viertausend Kriegern umschlossen, denen es ein Leichtes ist, euch innerhalb einer halben Stunde aufzureiben."
"Wie viele, sagst du?"
"Viertausend. Schau hinauf auf die Höhen! Siehst du nicht Kopf an Kopf? Dort steigt ein Mann hernieder, der mit seinem weißen Turbantuche weht. Es ist gewiß ein Bote des Bey von Baadri, der mit dir verhandeln soll. Gewähre ihm ein sicheres Geleite und empfange ihn der Sitte gemäß; das wird zu deinem Besten dienen!"
"Ich brauche deine Lehren nicht. Die Rebellen sollen nur kommen! Wo sind die Dschesidi alle?"
"Laß dir erzählen! Ali Bey hörte, daß du die Pilger überfallen solltest. Er sandte Boten aus und ließ die Truppen aus Mossul, Diarbekir und Kjerkjuk beobachten. Die Frauen und Kinder wurden in Sicherheit gebracht. Er stellte deinem Anzuge nichts in den Weg, aber er ver- ließ das Thal und schloß dasselbe ein. Er ist dir weit überlegen an Anzahl der Krieger und auch in Beziehung auf das Terrain. Er befindet sich in Besitz deiner Artillerie mit ihrer ganzen Munition. Du bist verloren, wenn du nicht freundlich mit seinem Abgesandten verhandelst!"
"Ich danke dir, Franke! Ich werde erst mit ihm verhandeln und dann auch mit dir. Du hast das Bu- djeruldi des Großhern und den Ferman des Mutessarif und machst doch gemeinschaftliche Sache mit ihren Fein- den. Du bist ein Verräter und wirst deine Strafe finden!"
Da drängte Nasir Agassi, der Adjutant, sein Pferd zu ihm heran und sagte ihm einige Worte. Der Oberst deutete auf mich und fragte:
"Dieser wäre es gewesen?"
"Er war es. Er gehört nicht zu den Feinden; er ist zufällig ihr Gast und hat mir das Leben gerettet."
es ihnen gelänge, in dieſes Haus zu dringen. Uebrigens iſt das Thal von viertauſend Kriegern umſchloſſen, denen es ein Leichtes iſt, euch innerhalb einer halben Stunde aufzureiben.“
„Wie viele, ſagſt du?“
„Viertauſend. Schau hinauf auf die Höhen! Siehſt du nicht Kopf an Kopf? Dort ſteigt ein Mann hernieder, der mit ſeinem weißen Turbantuche weht. Es iſt gewiß ein Bote des Bey von Baadri, der mit dir verhandeln ſoll. Gewähre ihm ein ſicheres Geleite und empfange ihn der Sitte gemäß; das wird zu deinem Beſten dienen!“
„Ich brauche deine Lehren nicht. Die Rebellen ſollen nur kommen! Wo ſind die Dſcheſidi alle?“
„Laß dir erzählen! Ali Bey hörte, daß du die Pilger überfallen ſollteſt. Er ſandte Boten aus und ließ die Truppen aus Moſſul, Diarbekir und Kjerkjuk beobachten. Die Frauen und Kinder wurden in Sicherheit gebracht. Er ſtellte deinem Anzuge nichts in den Weg, aber er ver- ließ das Thal und ſchloß dasſelbe ein. Er iſt dir weit überlegen an Anzahl der Krieger und auch in Beziehung auf das Terrain. Er befindet ſich in Beſitz deiner Artillerie mit ihrer ganzen Munition. Du biſt verloren, wenn du nicht freundlich mit ſeinem Abgeſandten verhandelſt!“
„Ich danke dir, Franke! Ich werde erſt mit ihm verhandeln und dann auch mit dir. Du haſt das Bu- djeruldi des Großhern und den Ferman des Muteſſarif und machſt doch gemeinſchaftliche Sache mit ihren Fein- den. Du biſt ein Verräter und wirſt deine Strafe finden!“
Da drängte Naſir Agaſſi, der Adjutant, ſein Pferd zu ihm heran und ſagte ihm einige Worte. Der Oberſt deutete auf mich und fragte:
„Dieſer wäre es geweſen?“
„Er war es. Er gehört nicht zu den Feinden; er iſt zufällig ihr Gaſt und hat mir das Leben gerettet.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="54"/>
es ihnen gelänge, in dieſes Haus zu dringen. Uebrigens iſt<lb/>
das Thal von viertauſend Kriegern umſchloſſen, denen es ein<lb/>
Leichtes iſt, euch innerhalb einer halben Stunde aufzureiben.“</p><lb/><p>„Wie viele, ſagſt du?“</p><lb/><p>„Viertauſend. Schau hinauf auf die Höhen! Siehſt<lb/>
du nicht Kopf an Kopf? Dort ſteigt ein Mann hernieder,<lb/>
der mit ſeinem weißen Turbantuche weht. Es iſt gewiß<lb/>
ein Bote des Bey von Baadri, der mit dir verhandeln<lb/>ſoll. Gewähre ihm ein ſicheres Geleite und empfange ihn<lb/>
der Sitte gemäß; das wird zu deinem Beſten dienen!“</p><lb/><p>„Ich brauche deine Lehren nicht. Die Rebellen ſollen<lb/>
nur kommen! Wo ſind die Dſcheſidi alle?“</p><lb/><p>„Laß dir erzählen! Ali Bey hörte, daß du die Pilger<lb/>
überfallen ſollteſt. Er ſandte Boten aus und ließ die<lb/>
Truppen aus Moſſul, Diarbekir und Kjerkjuk beobachten.<lb/>
Die Frauen und Kinder wurden in Sicherheit gebracht.<lb/>
Er ſtellte deinem Anzuge nichts in den Weg, aber er ver-<lb/>
ließ das Thal und ſchloß dasſelbe ein. Er iſt dir weit<lb/>
überlegen an Anzahl der Krieger und auch in Beziehung<lb/>
auf das Terrain. Er befindet ſich in Beſitz deiner Artillerie<lb/>
mit ihrer ganzen Munition. Du biſt verloren, wenn du<lb/>
nicht freundlich mit ſeinem Abgeſandten verhandelſt!“</p><lb/><p>„Ich danke dir, Franke! Ich werde erſt mit ihm<lb/>
verhandeln und dann auch mit dir. Du haſt das Bu-<lb/>
djeruldi des Großhern und den Ferman des Muteſſarif<lb/>
und machſt doch gemeinſchaftliche Sache mit ihren Fein-<lb/>
den. Du biſt ein Verräter und wirſt deine Strafe finden!“</p><lb/><p>Da drängte Naſir Agaſſi, der Adjutant, ſein Pferd<lb/>
zu ihm heran und ſagte ihm einige Worte. Der Oberſt<lb/>
deutete auf mich und fragte:</p><lb/><p>„Dieſer wäre es geweſen?“</p><lb/><p>„Er war es. Er gehört nicht zu den Feinden; er iſt<lb/>
zufällig ihr Gaſt und hat mir das Leben gerettet.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[54/0068]
es ihnen gelänge, in dieſes Haus zu dringen. Uebrigens iſt
das Thal von viertauſend Kriegern umſchloſſen, denen es ein
Leichtes iſt, euch innerhalb einer halben Stunde aufzureiben.“
„Wie viele, ſagſt du?“
„Viertauſend. Schau hinauf auf die Höhen! Siehſt
du nicht Kopf an Kopf? Dort ſteigt ein Mann hernieder,
der mit ſeinem weißen Turbantuche weht. Es iſt gewiß
ein Bote des Bey von Baadri, der mit dir verhandeln
ſoll. Gewähre ihm ein ſicheres Geleite und empfange ihn
der Sitte gemäß; das wird zu deinem Beſten dienen!“
„Ich brauche deine Lehren nicht. Die Rebellen ſollen
nur kommen! Wo ſind die Dſcheſidi alle?“
„Laß dir erzählen! Ali Bey hörte, daß du die Pilger
überfallen ſollteſt. Er ſandte Boten aus und ließ die
Truppen aus Moſſul, Diarbekir und Kjerkjuk beobachten.
Die Frauen und Kinder wurden in Sicherheit gebracht.
Er ſtellte deinem Anzuge nichts in den Weg, aber er ver-
ließ das Thal und ſchloß dasſelbe ein. Er iſt dir weit
überlegen an Anzahl der Krieger und auch in Beziehung
auf das Terrain. Er befindet ſich in Beſitz deiner Artillerie
mit ihrer ganzen Munition. Du biſt verloren, wenn du
nicht freundlich mit ſeinem Abgeſandten verhandelſt!“
„Ich danke dir, Franke! Ich werde erſt mit ihm
verhandeln und dann auch mit dir. Du haſt das Bu-
djeruldi des Großhern und den Ferman des Muteſſarif
und machſt doch gemeinſchaftliche Sache mit ihren Fein-
den. Du biſt ein Verräter und wirſt deine Strafe finden!“
Da drängte Naſir Agaſſi, der Adjutant, ſein Pferd
zu ihm heran und ſagte ihm einige Worte. Der Oberſt
deutete auf mich und fragte:
„Dieſer wäre es geweſen?“
„Er war es. Er gehört nicht zu den Feinden; er iſt
zufällig ihr Gaſt und hat mir das Leben gerettet.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/68>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.