"Hast du nicht erfahren, wer meine Waffen erhalten hat und die anderen Sachen, die man mir abgenom- men hat?"
"Nein. Der Vater wird sie wohl haben."
"Wo pflegt er solche Dinge aufzubewahren?"
"Nach Hause hat er nichts gebracht; ich hätte es bemerkt."
Jetzt kam Madana wieder.
"Herr," sagte sie mit stolzer Miene, "dein Diener ist ein sehr verständiger und höflicher Mann."
"Woraus schließest du dies?"
"Er hat mir etwas gegeben, was ich seit langer Zeit nicht mehr erhalten habe: -- einen Oepüsch *), einen großen Oepüsch."
Ich glaube, ich habe bei diesem naiv-stolzen Bekennt- nisse ein sehr verdutztes Gesicht gemacht. Halef einen Kuß? Dieser alten, guten, duftigen ,Petersilie'? Einen Kuß auf die ,Reisetasche', in deren Oeffnung die Schnecken mit Knoblauch verschwunden waren? Das war mir schier unglaublich. Daher fragte ich:
"Einen Oepisch? Wohin?"
Sie spreizte mir die braunglasierten, dürren Finger der Rechten entgegen.
"Hierher, auf diese Hand. Es war ein Elöpüsch *), wie man ihn nur einem vornehmen, jungen Mädchen giebt. Dein Diener ist ein Mann, dessen Höflichkeit man rühmen muß."
*) Kuß.
*) Handkuß.
„Wirſt du meinem Vater verzeihen?“
„Ja; um deinetwillen.“
„Aber der Melek wird ihm zürnen!“
„Ich werde ihn beſänftigen.“
„Ich danke dir!“
„Haſt du nicht erfahren, wer meine Waffen erhalten hat und die anderen Sachen, die man mir abgenom- men hat?“
„Nein. Der Vater wird ſie wohl haben.“
„Wo pflegt er ſolche Dinge aufzubewahren?“
„Nach Hauſe hat er nichts gebracht; ich hätte es bemerkt.“
Jetzt kam Madana wieder.
„Herr,“ ſagte ſie mit ſtolzer Miene, „dein Diener iſt ein ſehr verſtändiger und höflicher Mann.“
„Woraus ſchließeſt du dies?“
„Er hat mir etwas gegeben, was ich ſeit langer Zeit nicht mehr erhalten habe: — einen Oepüſch *), einen großen Oepüſch.“
Ich glaube, ich habe bei dieſem naiv-ſtolzen Bekennt- niſſe ein ſehr verdutztes Geſicht gemacht. Halef einen Kuß? Dieſer alten, guten, duftigen ‚Peterſilie‘? Einen Kuß auf die ‚Reiſetaſche‘, in deren Oeffnung die Schnecken mit Knoblauch verſchwunden waren? Das war mir ſchier unglaublich. Daher fragte ich:
„Einen Oepiſch? Wohin?“
Sie ſpreizte mir die braunglaſierten, dürren Finger der Rechten entgegen.
„Hierher, auf dieſe Hand. Es war ein Elöpüſch *), wie man ihn nur einem vornehmen, jungen Mädchen giebt. Dein Diener iſt ein Mann, deſſen Höflichkeit man rühmen muß.“
*) Kuß.
*) Handkuß.
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[590/0604]
„Wirſt du meinem Vater verzeihen?“
„Ja; um deinetwillen.“
„Aber der Melek wird ihm zürnen!“
„Ich werde ihn beſänftigen.“
„Ich danke dir!“
„Haſt du nicht erfahren, wer meine Waffen erhalten
hat und die anderen Sachen, die man mir abgenom-
men hat?“
„Nein. Der Vater wird ſie wohl haben.“
„Wo pflegt er ſolche Dinge aufzubewahren?“
„Nach Hauſe hat er nichts gebracht; ich hätte es
bemerkt.“
Jetzt kam Madana wieder.
„Herr,“ ſagte ſie mit ſtolzer Miene, „dein Diener iſt
ein ſehr verſtändiger und höflicher Mann.“
„Woraus ſchließeſt du dies?“
„Er hat mir etwas gegeben, was ich ſeit langer Zeit
nicht mehr erhalten habe: — einen Oepüſch *), einen großen
Oepüſch.“
Ich glaube, ich habe bei dieſem naiv-ſtolzen Bekennt-
niſſe ein ſehr verdutztes Geſicht gemacht. Halef einen
Kuß? Dieſer alten, guten, duftigen ‚Peterſilie‘? Einen
Kuß auf die ‚Reiſetaſche‘, in deren Oeffnung die Schnecken
mit Knoblauch verſchwunden waren? Das war mir ſchier
unglaublich. Daher fragte ich:
„Einen Oepiſch? Wohin?“
Sie ſpreizte mir die braunglaſierten, dürren Finger
der Rechten entgegen.
„Hierher, auf dieſe Hand. Es war ein Elöpüſch *),
wie man ihn nur einem vornehmen, jungen Mädchen giebt.
Dein Diener iſt ein Mann, deſſen Höflichkeit man rühmen
muß.“
*) Kuß.
*) Handkuß.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/604>, abgerufen am 25.11.2024.
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