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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Freunden ehrlich meine. Schicket euch in Geduld, bis ich
wiederkehre!"

Ich stieg aufs Pferd, Mohammed Emin ebenso. Wir
verließen den Platz, und kein Kurde begleitete uns.

"Welche Botschaft hast du auszurichten?" fragte der
Haddedihn.

Ich erklärte ihm meinen Auftrag und auch meine
Bedenken. Während dieser Auseinandersetzung gingen
unsere Pferde einen schnellen Schritt, und wir hatten bei-
nahe den Fluß erreicht, als ich zur Seite von uns ein
verdächtiges Rascheln zu vernehmen glaubte. Ich wandte
mein Gesicht der Gegend zu und sah in demselben Augen-
blick das Aufleuchten zweier Schüsse, welche auf mich und
Mohammed gerichtet waren. Sofort nach dem Doppel-
knalle rannte das Pferd des Haddedihn mit seinem Reiter
durch die Büsche; auf das meinige aber hatte man besser
gezielt: es brach augenblicklich zusammen, und da der
Vorfall ganz unerwartet und blitzschnell über uns kam,
so fand ich nicht einmal Zeit, meine Füße aus den Steig-
bügeln zu befreien. Ich stürzte mit und kam halb unter
das Pferd zu liegen. Im nächsten Augenblick sah ich acht
Männer beschäftigt, sich meiner Waffen zu bemächtigen
und mich zu binden. Einer von ihnen war derjenige,
welcher vorhin als ein Bote des Melek bei mir gewesen
war. So hatte mich mein Mißtrauen also doch nicht
betrogen!

Ich vermutete eine Schurkerei des Rais von Schohrd,
des Nedschir-Bey, und wehrte mich aus Leibeskräften.
Ich lag an der Erde, und mein rechtes Bein steckte unter
dem Pferde; aber ich hatte doch die Arme zur Verfügung,
und wenn man sie mir auch festzuhalten und zu fesseln
suchte, so gelangen mir doch noch einige gute Stöße, ehe
ich wehrlos gemacht wurde. Mit acht kräftigen Männern

Freunden ehrlich meine. Schicket euch in Geduld, bis ich
wiederkehre!“

Ich ſtieg aufs Pferd, Mohammed Emin ebenſo. Wir
verließen den Platz, und kein Kurde begleitete uns.

„Welche Botſchaft haſt du auszurichten?“ fragte der
Haddedihn.

Ich erklärte ihm meinen Auftrag und auch meine
Bedenken. Während dieſer Auseinanderſetzung gingen
unſere Pferde einen ſchnellen Schritt, und wir hatten bei-
nahe den Fluß erreicht, als ich zur Seite von uns ein
verdächtiges Raſcheln zu vernehmen glaubte. Ich wandte
mein Geſicht der Gegend zu und ſah in demſelben Augen-
blick das Aufleuchten zweier Schüſſe, welche auf mich und
Mohammed gerichtet waren. Sofort nach dem Doppel-
knalle rannte das Pferd des Haddedihn mit ſeinem Reiter
durch die Büſche; auf das meinige aber hatte man beſſer
gezielt: es brach augenblicklich zuſammen, und da der
Vorfall ganz unerwartet und blitzſchnell über uns kam,
ſo fand ich nicht einmal Zeit, meine Füße aus den Steig-
bügeln zu befreien. Ich ſtürzte mit und kam halb unter
das Pferd zu liegen. Im nächſten Augenblick ſah ich acht
Männer beſchäftigt, ſich meiner Waffen zu bemächtigen
und mich zu binden. Einer von ihnen war derjenige,
welcher vorhin als ein Bote des Melek bei mir geweſen
war. So hatte mich mein Mißtrauen alſo doch nicht
betrogen!

Ich vermutete eine Schurkerei des Raïs von Schohrd,
des Nedſchir-Bey, und wehrte mich aus Leibeskräften.
Ich lag an der Erde, und mein rechtes Bein ſteckte unter
dem Pferde; aber ich hatte doch die Arme zur Verfügung,
und wenn man ſie mir auch feſtzuhalten und zu feſſeln
ſuchte, ſo gelangen mir doch noch einige gute Stöße, ehe
ich wehrlos gemacht wurde. Mit acht kräftigen Männern

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[554/0568] Freunden ehrlich meine. Schicket euch in Geduld, bis ich wiederkehre!“ Ich ſtieg aufs Pferd, Mohammed Emin ebenſo. Wir verließen den Platz, und kein Kurde begleitete uns. „Welche Botſchaft haſt du auszurichten?“ fragte der Haddedihn. Ich erklärte ihm meinen Auftrag und auch meine Bedenken. Während dieſer Auseinanderſetzung gingen unſere Pferde einen ſchnellen Schritt, und wir hatten bei- nahe den Fluß erreicht, als ich zur Seite von uns ein verdächtiges Raſcheln zu vernehmen glaubte. Ich wandte mein Geſicht der Gegend zu und ſah in demſelben Augen- blick das Aufleuchten zweier Schüſſe, welche auf mich und Mohammed gerichtet waren. Sofort nach dem Doppel- knalle rannte das Pferd des Haddedihn mit ſeinem Reiter durch die Büſche; auf das meinige aber hatte man beſſer gezielt: es brach augenblicklich zuſammen, und da der Vorfall ganz unerwartet und blitzſchnell über uns kam, ſo fand ich nicht einmal Zeit, meine Füße aus den Steig- bügeln zu befreien. Ich ſtürzte mit und kam halb unter das Pferd zu liegen. Im nächſten Augenblick ſah ich acht Männer beſchäftigt, ſich meiner Waffen zu bemächtigen und mich zu binden. Einer von ihnen war derjenige, welcher vorhin als ein Bote des Melek bei mir geweſen war. So hatte mich mein Mißtrauen alſo doch nicht betrogen! Ich vermutete eine Schurkerei des Raïs von Schohrd, des Nedſchir-Bey, und wehrte mich aus Leibeskräften. Ich lag an der Erde, und mein rechtes Bein ſteckte unter dem Pferde; aber ich hatte doch die Arme zur Verfügung, und wenn man ſie mir auch feſtzuhalten und zu feſſeln ſuchte, ſo gelangen mir doch noch einige gute Stöße, ehe ich wehrlos gemacht wurde. Mit acht kräftigen Männern

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 554. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/568>, abgerufen am 28.11.2024.