der Bey getötet wird, wenn du nicht sehr schnell zurück- kehrst."
"Seht ihr, daß ich euch recht berichtet habe?" wandte ich mich an die Kurden. "Laßt den Mann schleunigst umkehren. Er mag dem Melek sagen, daß mir nichts geschehen ist und daß er mich in kurzer Zeit wieder bei sich sehen wird."
"Führt ihn fort!" gebot der Agha.
Man gehorchte, und dann wurde die Verhandlung schnell wieder aufgenommen.
Ich mußte mir gestehen, daß das Erscheinen dieses Boten von günstigem Einflusse auf die Entschließungen der Kurden sein werde; dennoch aber kam es mir sonder- bar vor, daß dieser Mann abgeschickt worden war. Der Melek hatte sich doch kurz vorher nicht gar so blutdürstig gezeigt, und aus Rücksicht auf mich war die Drohung auch nicht nötig, da ich als Gastfreund des Bey doch von den Kurden nichts zu fürchten hatte.
Endlich waren die Assiretah zu einem Entschluß ge- kommen, und ich wurde wieder herbeigerufen. Der An- führer nahm das Wort:
"Herr, du versprichst uns, bei den Nasarah kein Wort zu sagen, welches zu unserm Schaden ist?"
"Ich verspreche es."
"So wirst du jetzt zu ihnen zurückkehren?"
"Ich und mein Freund Mohammed Emin."
"Warum soll er nicht bei uns bleiben?"
"Ist er euer Gefangener?"
"Nein."
"So kann er gehen, wohin es ihm beliebt, und er hat beschlossen, an meiner Seite zu bleiben. Was soll ich dem Melek sagen?"
"Daß wir die Freiheit unseres Bey verlangen."
der Bey getötet wird, wenn du nicht ſehr ſchnell zurück- kehrſt.“
„Seht ihr, daß ich euch recht berichtet habe?“ wandte ich mich an die Kurden. „Laßt den Mann ſchleunigſt umkehren. Er mag dem Melek ſagen, daß mir nichts geſchehen iſt und daß er mich in kurzer Zeit wieder bei ſich ſehen wird.“
„Führt ihn fort!“ gebot der Agha.
Man gehorchte, und dann wurde die Verhandlung ſchnell wieder aufgenommen.
Ich mußte mir geſtehen, daß das Erſcheinen dieſes Boten von günſtigem Einfluſſe auf die Entſchließungen der Kurden ſein werde; dennoch aber kam es mir ſonder- bar vor, daß dieſer Mann abgeſchickt worden war. Der Melek hatte ſich doch kurz vorher nicht gar ſo blutdürſtig gezeigt, und aus Rückſicht auf mich war die Drohung auch nicht nötig, da ich als Gaſtfreund des Bey doch von den Kurden nichts zu fürchten hatte.
Endlich waren die Aſſiretah zu einem Entſchluß ge- kommen, und ich wurde wieder herbeigerufen. Der An- führer nahm das Wort:
„Herr, du verſprichſt uns, bei den Naſarah kein Wort zu ſagen, welches zu unſerm Schaden iſt?“
„Ich verſpreche es.“
„So wirſt du jetzt zu ihnen zurückkehren?“
„Ich und mein Freund Mohammed Emin.“
„Warum ſoll er nicht bei uns bleiben?“
„Iſt er euer Gefangener?“
„Nein.“
„So kann er gehen, wohin es ihm beliebt, und er hat beſchloſſen, an meiner Seite zu bleiben. Was ſoll ich dem Melek ſagen?“
„Daß wir die Freiheit unſeres Bey verlangen.“
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[552/0566]
der Bey getötet wird, wenn du nicht ſehr ſchnell zurück-
kehrſt.“
„Seht ihr, daß ich euch recht berichtet habe?“ wandte
ich mich an die Kurden. „Laßt den Mann ſchleunigſt
umkehren. Er mag dem Melek ſagen, daß mir nichts
geſchehen iſt und daß er mich in kurzer Zeit wieder bei
ſich ſehen wird.“
„Führt ihn fort!“ gebot der Agha.
Man gehorchte, und dann wurde die Verhandlung
ſchnell wieder aufgenommen.
Ich mußte mir geſtehen, daß das Erſcheinen dieſes
Boten von günſtigem Einfluſſe auf die Entſchließungen
der Kurden ſein werde; dennoch aber kam es mir ſonder-
bar vor, daß dieſer Mann abgeſchickt worden war. Der
Melek hatte ſich doch kurz vorher nicht gar ſo blutdürſtig
gezeigt, und aus Rückſicht auf mich war die Drohung
auch nicht nötig, da ich als Gaſtfreund des Bey doch von
den Kurden nichts zu fürchten hatte.
Endlich waren die Aſſiretah zu einem Entſchluß ge-
kommen, und ich wurde wieder herbeigerufen. Der An-
führer nahm das Wort:
„Herr, du verſprichſt uns, bei den Naſarah kein Wort
zu ſagen, welches zu unſerm Schaden iſt?“
„Ich verſpreche es.“
„So wirſt du jetzt zu ihnen zurückkehren?“
„Ich und mein Freund Mohammed Emin.“
„Warum ſoll er nicht bei uns bleiben?“
„Iſt er euer Gefangener?“
„Nein.“
„So kann er gehen, wohin es ihm beliebt, und er
hat beſchloſſen, an meiner Seite zu bleiben. Was ſoll ich
dem Melek ſagen?“
„Daß wir die Freiheit unſeres Bey verlangen.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 552. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/566>, abgerufen am 29.11.2024.
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