Ich hatte gefürchtet, mich lächerlich zu machen, und war daher überrascht von der ganz entgegengesetzten Wir- kung, welche dieser Name hervorbrachte. Der Agha machte ein sehr überraschtes Gesicht und meinte:
"Marah Durimeh? Wo hast du sie getroffen?"
"In Amadijah."
"Wann?" forschte er weiter.
"Vor wenigen Tagen."
"Wie bist du ihr begegnet?"
"Ihre Enkeltochter hatte Gift gegessen, und da ich ein Hekim bin, so wurde ich geholt. Ich traf Marah Durimeh dort und rettete die Kranke."
"Hast du der Alten gesagt, daß du nach Gumri und Lizan gehen würdest?"
"Ja."
"Hat sie dich nicht gewarnt?"
"Ja."
"Und als du bei deinem Vorsatze bliebst, was that sie da? Besinne dich. Vielleicht hat sie dir ein Wort gesagt, welches ich dir nicht nennen darf."
"Sie sagte, wenn ich in Gefahr komme, so solle ich nach dem Ruh 'i kulyan fragen. Dieser werde mich be- schützen."
Kaum hatte ich dieses Wort genannt, so stand der Sprecher, welcher sich erst mir so feindselig gesinnt gezeigt hatte, vor mir und reichte mir die Hand entgegen.
"Emir, das habe ich nicht gewußt. Verzeihe mir! Wem Marah Durimeh dieses Wort gesagt hat, dem darf kein Leid geschehen. Und nun wird deine Rede vor unsern Ohren Achtung finden. Wie stark sind die Nasarah?"
"Das werde ich nicht verraten. Ich bin ebenso ihr
„Wie heißt dasſelbe?“
„Marah Durimeh.“
Ich hatte gefürchtet, mich lächerlich zu machen, und war daher überraſcht von der ganz entgegengeſetzten Wir- kung, welche dieſer Name hervorbrachte. Der Agha machte ein ſehr überraſchtes Geſicht und meinte:
„Marah Durimeh? Wo haſt du ſie getroffen?“
„In Amadijah.“
„Wann?“ forſchte er weiter.
„Vor wenigen Tagen.“
„Wie biſt du ihr begegnet?“
„Ihre Enkeltochter hatte Gift gegeſſen, und da ich ein Hekim bin, ſo wurde ich geholt. Ich traf Marah Durimeh dort und rettete die Kranke.“
„Haſt du der Alten geſagt, daß du nach Gumri und Lizan gehen würdeſt?“
„Ja.“
„Hat ſie dich nicht gewarnt?“
„Ja.“
„Und als du bei deinem Vorſatze bliebſt, was that ſie da? Beſinne dich. Vielleicht hat ſie dir ein Wort geſagt, welches ich dir nicht nennen darf.“
„Sie ſagte, wenn ich in Gefahr komme, ſo ſolle ich nach dem Ruh 'i kulyan fragen. Dieſer werde mich be- ſchützen.“
Kaum hatte ich dieſes Wort genannt, ſo ſtand der Sprecher, welcher ſich erſt mir ſo feindſelig geſinnt gezeigt hatte, vor mir und reichte mir die Hand entgegen.
„Emir, das habe ich nicht gewußt. Verzeihe mir! Wem Marah Durimeh dieſes Wort geſagt hat, dem darf kein Leid geſchehen. Und nun wird deine Rede vor unſern Ohren Achtung finden. Wie ſtark ſind die Naſarah?“
„Das werde ich nicht verraten. Ich bin ebenſo ihr
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„Wie heißt dasſelbe?“
„Marah Durimeh.“
Ich hatte gefürchtet, mich lächerlich zu machen, und
war daher überraſcht von der ganz entgegengeſetzten Wir-
kung, welche dieſer Name hervorbrachte. Der Agha machte
ein ſehr überraſchtes Geſicht und meinte:
„Marah Durimeh? Wo haſt du ſie getroffen?“
„In Amadijah.“
„Wann?“ forſchte er weiter.
„Vor wenigen Tagen.“
„Wie biſt du ihr begegnet?“
„Ihre Enkeltochter hatte Gift gegeſſen, und da ich
ein Hekim bin, ſo wurde ich geholt. Ich traf Marah
Durimeh dort und rettete die Kranke.“
„Haſt du der Alten geſagt, daß du nach Gumri und
Lizan gehen würdeſt?“
„Ja.“
„Hat ſie dich nicht gewarnt?“
„Ja.“
„Und als du bei deinem Vorſatze bliebſt, was that
ſie da? Beſinne dich. Vielleicht hat ſie dir ein Wort
geſagt, welches ich dir nicht nennen darf.“
„Sie ſagte, wenn ich in Gefahr komme, ſo ſolle ich
nach dem Ruh 'i kulyan fragen. Dieſer werde mich be-
ſchützen.“
Kaum hatte ich dieſes Wort genannt, ſo ſtand der
Sprecher, welcher ſich erſt mir ſo feindſelig geſinnt gezeigt
hatte, vor mir und reichte mir die Hand entgegen.
„Emir, das habe ich nicht gewußt. Verzeihe mir!
Wem Marah Durimeh dieſes Wort geſagt hat, dem darf
kein Leid geſchehen. Und nun wird deine Rede vor unſern
Ohren Achtung finden. Wie ſtark ſind die Naſarah?“
„Das werde ich nicht verraten. Ich bin ebenſo ihr
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 549. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/563>, abgerufen am 23.12.2024.
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