"Das fällt mir gar nicht ein, denn ich habe dir ja mein Wort gegeben."
"Werden sich diese Kurden auf Unterhandlungen ein- lassen, nachdem wir sie gestern überfallen haben?"
"Ist nicht ihr Anführer dein Gefangener? Das giebt dir eine große Macht über sie."
"Du bist ihr Gastfreund; du wirst so mit ihnen ver- handeln, daß sie den Nutzen, wir aber den Schaden haben."
"Ich bin auch dein Gastfreund; ich werde so mit ihnen reden, daß beide Teile zufrieden sein können."
"Sie werden dich festhalten; sie werden dich nicht wieder zu mir zurückkehren lassen."
"Ich lasse mich nicht halten. Sieh mein Pferd an! Ist es nicht zehnmal mehr wert, als das deinige?"
"Fünfzigmal, nein, hundertmal mehr, Herr!"
"Glaubst du, daß ein Krieger so ein Tier im Stiche läßt?"
"Niemals!"
"Nun wohl! Laß uns einstweilen tauschen! Ich lasse dir meinen Rapphengst als Pfand zurück, daß ich wieder- komme."
"Ist dies dein Ernst?"
"Mein vollständiger. Vertraust du mir nun?"
"Ich glaube und vertraue dir. Willst du deinen Diener auch mitnehmen?"
"Nein, er wird bei dir bleiben; denn du kennst mein Pferd nicht genau. Es muß jemand bei dir sein, der den Hengst richtig zu behandeln versteht."
"Hat es ein Geheimnis, Herr?"
"In der That."
„Durch wen?“
„Durch mich.“
„Durch dich? Chodih, willſt du mir entfliehen?“
„Das fällt mir gar nicht ein, denn ich habe dir ja mein Wort gegeben.“
„Werden ſich dieſe Kurden auf Unterhandlungen ein- laſſen, nachdem wir ſie geſtern überfallen haben?“
„Iſt nicht ihr Anführer dein Gefangener? Das giebt dir eine große Macht über ſie.“
„Du biſt ihr Gaſtfreund; du wirſt ſo mit ihnen ver- handeln, daß ſie den Nutzen, wir aber den Schaden haben.“
„Ich bin auch dein Gaſtfreund; ich werde ſo mit ihnen reden, daß beide Teile zufrieden ſein können.“
„Sie werden dich feſthalten; ſie werden dich nicht wieder zu mir zurückkehren laſſen.“
„Ich laſſe mich nicht halten. Sieh mein Pferd an! Iſt es nicht zehnmal mehr wert, als das deinige?“
„Fünfzigmal, nein, hundertmal mehr, Herr!“
„Glaubſt du, daß ein Krieger ſo ein Tier im Stiche läßt?“
„Niemals!“
„Nun wohl! Laß uns einſtweilen tauſchen! Ich laſſe dir meinen Rapphengſt als Pfand zurück, daß ich wieder- komme.“
„Iſt dies dein Ernſt?“
„Mein vollſtändiger. Vertrauſt du mir nun?“
„Ich glaube und vertraue dir. Willſt du deinen Diener auch mitnehmen?“
„Nein, er wird bei dir bleiben; denn du kennſt mein Pferd nicht genau. Es muß jemand bei dir ſein, der den Hengſt richtig zu behandeln verſteht.“
„Hat es ein Geheimnis, Herr?“
„In der That.“
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[531/0545]
„Durch wen?“
„Durch mich.“
„Durch dich? Chodih, willſt du mir entfliehen?“
„Das fällt mir gar nicht ein, denn ich habe dir ja
mein Wort gegeben.“
„Werden ſich dieſe Kurden auf Unterhandlungen ein-
laſſen, nachdem wir ſie geſtern überfallen haben?“
„Iſt nicht ihr Anführer dein Gefangener? Das giebt
dir eine große Macht über ſie.“
„Du biſt ihr Gaſtfreund; du wirſt ſo mit ihnen ver-
handeln, daß ſie den Nutzen, wir aber den Schaden haben.“
„Ich bin auch dein Gaſtfreund; ich werde ſo mit
ihnen reden, daß beide Teile zufrieden ſein können.“
„Sie werden dich feſthalten; ſie werden dich nicht
wieder zu mir zurückkehren laſſen.“
„Ich laſſe mich nicht halten. Sieh mein Pferd an!
Iſt es nicht zehnmal mehr wert, als das deinige?“
„Fünfzigmal, nein, hundertmal mehr, Herr!“
„Glaubſt du, daß ein Krieger ſo ein Tier im Stiche
läßt?“
„Niemals!“
„Nun wohl! Laß uns einſtweilen tauſchen! Ich laſſe
dir meinen Rapphengſt als Pfand zurück, daß ich wieder-
komme.“
„Iſt dies dein Ernſt?“
„Mein vollſtändiger. Vertrauſt du mir nun?“
„Ich glaube und vertraue dir. Willſt du deinen
Diener auch mitnehmen?“
„Nein, er wird bei dir bleiben; denn du kennſt mein
Pferd nicht genau. Es muß jemand bei dir ſein, der den
Hengſt richtig zu behandeln verſteht.“
„Hat es ein Geheimnis, Herr?“
„In der That.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 531. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/545>, abgerufen am 12.12.2024.
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