sich, was auf seinen Beruf schließen ließ. Er grüßte mich sehr höflich und fragte nach meinem Begehr.
"Du sollst mich auf meinen Wegen begleiten!" sagte ich.
"Ja, Herr. Der Melek will es so."
"Ich wünsche vor allen Dingen, mir Lizan anzusehen. Willst du mich führen?"
"Ich weiß nicht, ob ich darf, Chodih. Wir erwarten jeden Augenblick die Nachricht von dem Eintreffen der Berwarikurden, welche kommen werden, um euch und ihren Bey zu befreien."
"Ich habe versprochen, Lizan nicht ohne den Willen des Melek zu verlassen. Ist dir dies genug?"
"Ich will dir trauen, obgleich ich verantwortlich bin für alles, was du während meiner Gegenwart unternimmst. Was willst du zunächst sehen?"
"Ich möchte den Berg besteigen, von welchem Beder- Khan-Bey die Chaldani herabstürzen ließ."
"Es ist sehr schwer emporzukommen. Kannst du gut klettern?"
"Sei ohne Sorge!"
"So komm und folge mir!"
Während wir gingen, beschloß ich, den Karuhja nach seinen Religionsverhältnissen zu fragen. Ich war mit denselben so wenig vertraut, daß mir eine Aufklärung nur lieb sein konnte. Er kam mir mit einer Frage recht glücklich entgegen:
"Bist du ein Moslem, Chodih?"
"Hat dir der Melek nicht gesagt, daß ich ein Christ bin?"
"Nein; aber ein Chaldani bist du nicht. Gehörst du vielleicht zu dem Glauben, welchen die Missionare aus Inglistan predigen?"
Ich verneinte, und er sagte:
ſich, was auf ſeinen Beruf ſchließen ließ. Er grüßte mich ſehr höflich und fragte nach meinem Begehr.
„Du ſollſt mich auf meinen Wegen begleiten!“ ſagte ich.
„Ja, Herr. Der Melek will es ſo.“
„Ich wünſche vor allen Dingen, mir Lizan anzuſehen. Willſt du mich führen?“
„Ich weiß nicht, ob ich darf, Chodih. Wir erwarten jeden Augenblick die Nachricht von dem Eintreffen der Berwarikurden, welche kommen werden, um euch und ihren Bey zu befreien.“
„Ich habe verſprochen, Lizan nicht ohne den Willen des Melek zu verlaſſen. Iſt dir dies genug?“
„Ich will dir trauen, obgleich ich verantwortlich bin für alles, was du während meiner Gegenwart unternimmſt. Was willſt du zunächſt ſehen?“
„Ich möchte den Berg beſteigen, von welchem Beder- Khan-Bey die Chaldani herabſtürzen ließ.“
„Es iſt ſehr ſchwer emporzukommen. Kannſt du gut klettern?“
„Sei ohne Sorge!“
„So komm und folge mir!“
Während wir gingen, beſchloß ich, den Karuhja nach ſeinen Religionsverhältniſſen zu fragen. Ich war mit denſelben ſo wenig vertraut, daß mir eine Aufklärung nur lieb ſein konnte. Er kam mir mit einer Frage recht glücklich entgegen:
„Biſt du ein Moslem, Chodih?“
„Hat dir der Melek nicht geſagt, daß ich ein Chriſt bin?“
„Nein; aber ein Chaldani biſt du nicht. Gehörſt du vielleicht zu dem Glauben, welchen die Miſſionare aus Ingliſtan predigen?“
Ich verneinte, und er ſagte:
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ſich, was auf ſeinen Beruf ſchließen ließ. Er grüßte mich
ſehr höflich und fragte nach meinem Begehr.
„Du ſollſt mich auf meinen Wegen begleiten!“ ſagte ich.
„Ja, Herr. Der Melek will es ſo.“
„Ich wünſche vor allen Dingen, mir Lizan anzuſehen.
Willſt du mich führen?“
„Ich weiß nicht, ob ich darf, Chodih. Wir erwarten
jeden Augenblick die Nachricht von dem Eintreffen der
Berwarikurden, welche kommen werden, um euch und
ihren Bey zu befreien.“
„Ich habe verſprochen, Lizan nicht ohne den Willen
des Melek zu verlaſſen. Iſt dir dies genug?“
„Ich will dir trauen, obgleich ich verantwortlich bin
für alles, was du während meiner Gegenwart unternimmſt.
Was willſt du zunächſt ſehen?“
„Ich möchte den Berg beſteigen, von welchem Beder-
Khan-Bey die Chaldani herabſtürzen ließ.“
„Es iſt ſehr ſchwer emporzukommen. Kannſt du gut
klettern?“
„Sei ohne Sorge!“
„So komm und folge mir!“
Während wir gingen, beſchloß ich, den Karuhja
nach ſeinen Religionsverhältniſſen zu fragen. Ich war
mit denſelben ſo wenig vertraut, daß mir eine Aufklärung
nur lieb ſein konnte. Er kam mir mit einer Frage recht
glücklich entgegen:
„Biſt du ein Moslem, Chodih?“
„Hat dir der Melek nicht geſagt, daß ich ein Chriſt
bin?“
„Nein; aber ein Chaldani biſt du nicht. Gehörſt
du vielleicht zu dem Glauben, welchen die Miſſionare aus
Ingliſtan predigen?“
Ich verneinte, und er ſagte:
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/537>, abgerufen am 23.12.2024.
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