er soll es ja nicht wieder thun, sonst werden seine Töchter weinen, seine Söhne klagen, und seine Freunde trauern!"
"Ist er nicht tot?"
"Nein. Beim nächsten Male aber wird er tot sein."
"Herr, du bereitest deinen Feinden Aerger und deinen Freunden Sorge. Wie soll ich dich schützen, wenn du dich nach immerwährendem Kampfe sehnst?"
"Sage dies dem Rais, denn es ist sehr wahrschein- lich, daß du zu schwach bist, ihn vor meinem Arme zu beschützen. Erlaubst du ihm, mich zu beleidigen, so gieb nicht mir die Schuld, wenn ich ihn Anstand lehre."
"Herr, gehe fort; er kommt jetzt wieder zu sich!"
"Soll ich vor einem Manne fliehen, den ich nieder- geschlagen habe?"
"Er wird dich töten!"
"Pah! Ich werde keine Hand zu rühren brauchen. Passe auf!"
Meine Gefährten hatten von ihrer offenen Wohnung aus den ganzen Vorgang mit angesehen. Ich winkte ihnen mit dem Auge, und sie wußten, was ich von ihnen begehrte.
Man hatte den Kopf des Rais mit Wasser gewaschen. Jetzt richtete er sich langsam empor. Auf einen Faust- kampf durfte ich es nicht ankommen lassen, denn sowohl mein Arm, mit dem ich seinen Hieb pariert hatte, als auch meine rechte Hand war in den wenigen Augenblicken ganz beträchtlich angeschwollen; ich mußte froh sein, daß mir dieser Goliath nicht den Arm zerschmettert hatte. -- Jetzt erblickte er mich, und mit einem heiseren Wutschrei stürzte er auf mich zu. Der Melek suchte ihn zu halten; auch einige andere griffen zu, aber er war stärker als sie und rang sich los. Jetzt wandte ich das Gesicht nach dem Hause hin und rief ihm zu:
er ſoll es ja nicht wieder thun, ſonſt werden ſeine Töchter weinen, ſeine Söhne klagen, und ſeine Freunde trauern!“
„Iſt er nicht tot?“
„Nein. Beim nächſten Male aber wird er tot ſein.“
„Herr, du bereiteſt deinen Feinden Aerger und deinen Freunden Sorge. Wie ſoll ich dich ſchützen, wenn du dich nach immerwährendem Kampfe ſehnſt?“
„Sage dies dem Raïs, denn es iſt ſehr wahrſchein- lich, daß du zu ſchwach biſt, ihn vor meinem Arme zu beſchützen. Erlaubſt du ihm, mich zu beleidigen, ſo gieb nicht mir die Schuld, wenn ich ihn Anſtand lehre.“
„Herr, gehe fort; er kommt jetzt wieder zu ſich!“
„Soll ich vor einem Manne fliehen, den ich nieder- geſchlagen habe?“
„Er wird dich töten!“
„Pah! Ich werde keine Hand zu rühren brauchen. Paſſe auf!“
Meine Gefährten hatten von ihrer offenen Wohnung aus den ganzen Vorgang mit angeſehen. Ich winkte ihnen mit dem Auge, und ſie wußten, was ich von ihnen begehrte.
Man hatte den Kopf des Raïs mit Waſſer gewaſchen. Jetzt richtete er ſich langſam empor. Auf einen Fauſt- kampf durfte ich es nicht ankommen laſſen, denn ſowohl mein Arm, mit dem ich ſeinen Hieb pariert hatte, als auch meine rechte Hand war in den wenigen Augenblicken ganz beträchtlich angeſchwollen; ich mußte froh ſein, daß mir dieſer Goliath nicht den Arm zerſchmettert hatte. — Jetzt erblickte er mich, und mit einem heiſeren Wutſchrei ſtürzte er auf mich zu. Der Melek ſuchte ihn zu halten; auch einige andere griffen zu, aber er war ſtärker als ſie und rang ſich los. Jetzt wandte ich das Geſicht nach dem Hauſe hin und rief ihm zu:
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[521/0535]
er ſoll es ja nicht wieder thun, ſonſt werden ſeine Töchter
weinen, ſeine Söhne klagen, und ſeine Freunde trauern!“
„Iſt er nicht tot?“
„Nein. Beim nächſten Male aber wird er tot ſein.“
„Herr, du bereiteſt deinen Feinden Aerger und deinen
Freunden Sorge. Wie ſoll ich dich ſchützen, wenn du
dich nach immerwährendem Kampfe ſehnſt?“
„Sage dies dem Raïs, denn es iſt ſehr wahrſchein-
lich, daß du zu ſchwach biſt, ihn vor meinem Arme zu
beſchützen. Erlaubſt du ihm, mich zu beleidigen, ſo gieb
nicht mir die Schuld, wenn ich ihn Anſtand lehre.“
„Herr, gehe fort; er kommt jetzt wieder zu ſich!“
„Soll ich vor einem Manne fliehen, den ich nieder-
geſchlagen habe?“
„Er wird dich töten!“
„Pah! Ich werde keine Hand zu rühren brauchen.
Paſſe auf!“
Meine Gefährten hatten von ihrer offenen Wohnung
aus den ganzen Vorgang mit angeſehen. Ich winkte
ihnen mit dem Auge, und ſie wußten, was ich von ihnen
begehrte.
Man hatte den Kopf des Raïs mit Waſſer gewaſchen.
Jetzt richtete er ſich langſam empor. Auf einen Fauſt-
kampf durfte ich es nicht ankommen laſſen, denn ſowohl
mein Arm, mit dem ich ſeinen Hieb pariert hatte, als
auch meine rechte Hand war in den wenigen Augenblicken
ganz beträchtlich angeſchwollen; ich mußte froh ſein, daß
mir dieſer Goliath nicht den Arm zerſchmettert hatte. —
Jetzt erblickte er mich, und mit einem heiſeren Wutſchrei
ſtürzte er auf mich zu. Der Melek ſuchte ihn zu halten;
auch einige andere griffen zu, aber er war ſtärker als ſie
und rang ſich los. Jetzt wandte ich das Geſicht nach
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/535>, abgerufen am 23.12.2024.
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