Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

sich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe grasen,
und augenblicklich forteilen, so könnte ich ihnen vielleicht
den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß
die Nestorianer nicht auf mich schießen werden."

"Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!"

"Müßte aber schnell geschehen. Seid Ihr dabei?"

"Yes! Wird interessant!"

"Aber wir schießen nicht, Sir!"

"Warum nicht?"

"Das wäre undankbar gegen den Melek."

"Aber dann werden sie uns fangen!"

"Ich glaube nicht. Mein Pferd ist gut, das Eurige
auch, und wenn die andern Klepper schlecht sind, so ent-
weicht man in die Büsche. Also seid Ihr bereit?"

"O, yes!"

"So paßt auf!"

Ich drehte mich wieder zu dem Melek.

"Was habt Ihr beschlossen?" fragte er.

"Wir bleiben dem Bey treu."

"So lehnt ihr meine Freundschaft ab?"

"Nein. Aber du wirst uns erlauben, unsere Pflicht
zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich sage dir auf-
richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be-
freien."

Er lächelte und sagte:

"Und wenn ihr geht und alle seine Krieger ruft, so
werden sie dennoch zu spät kommen, weil wir dann bereits
fort sind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn
ihr ihm helfen wollt, so muß ich euch zurückbehalten."

Ich hatte mich erhoben, und Lindsay stand bereits
bei seinem Pferde.

"Zurückbehalten?" fragte ich, aber nur um Zeit zu
gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und

II. 31

ſich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe graſen,
und augenblicklich forteilen, ſo könnte ich ihnen vielleicht
den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß
die Neſtorianer nicht auf mich ſchießen werden.“

„Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!“

„Müßte aber ſchnell geſchehen. Seid Ihr dabei?“

Yes! Wird intereſſant!“

„Aber wir ſchießen nicht, Sir!“

„Warum nicht?“

„Das wäre undankbar gegen den Melek.“

„Aber dann werden ſie uns fangen!“

„Ich glaube nicht. Mein Pferd iſt gut, das Eurige
auch, und wenn die andern Klepper ſchlecht ſind, ſo ent-
weicht man in die Büſche. Alſo ſeid Ihr bereit?“

O, yes!

„So paßt auf!“

Ich drehte mich wieder zu dem Melek.

„Was habt Ihr beſchloſſen?“ fragte er.

„Wir bleiben dem Bey treu.“

„So lehnt ihr meine Freundſchaft ab?“

„Nein. Aber du wirſt uns erlauben, unſere Pflicht
zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich ſage dir auf-
richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be-
freien.“

Er lächelte und ſagte:

„Und wenn ihr geht und alle ſeine Krieger ruft, ſo
werden ſie dennoch zu ſpät kommen, weil wir dann bereits
fort ſind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn
ihr ihm helfen wollt, ſo muß ich euch zurückbehalten.“

Ich hatte mich erhoben, und Lindſay ſtand bereits
bei ſeinem Pferde.

„Zurückbehalten?“ fragte ich, aber nur um Zeit zu
gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und

II. 31
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0495" n="481"/>
&#x017F;ich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe gra&#x017F;en,<lb/>
und augenblicklich forteilen, &#x017F;o könnte ich ihnen vielleicht<lb/>
den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß<lb/>
die Ne&#x017F;torianer nicht auf mich &#x017F;chießen werden.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Müßte aber &#x017F;chnell ge&#x017F;chehen. Seid Ihr dabei?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Yes!</hi> Wird intere&#x017F;&#x017F;ant!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber wir &#x017F;chießen nicht, Sir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Warum nicht?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das wäre undankbar gegen den Melek.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber dann werden &#x017F;ie uns fangen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich glaube nicht. Mein Pferd i&#x017F;t gut, das Eurige<lb/>
auch, und wenn die andern Klepper &#x017F;chlecht &#x017F;ind, &#x017F;o ent-<lb/>
weicht man in die Bü&#x017F;che. Al&#x017F;o &#x017F;eid Ihr bereit?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">O, yes!</hi>&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So paßt auf!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich drehte mich wieder zu dem Melek.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was habt Ihr be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en?&#x201C; fragte er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir bleiben dem Bey treu.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So lehnt ihr meine Freund&#x017F;chaft ab?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein. Aber du wir&#x017F;t uns erlauben, un&#x017F;ere Pflicht<lb/>
zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich &#x017F;age dir auf-<lb/>
richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be-<lb/>
freien.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er lächelte und &#x017F;agte:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und wenn ihr geht und alle &#x017F;eine Krieger ruft, &#x017F;o<lb/>
werden &#x017F;ie dennoch zu &#x017F;pät kommen, weil wir dann bereits<lb/>
fort &#x017F;ind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn<lb/>
ihr ihm helfen wollt, &#x017F;o muß ich euch zurückbehalten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich hatte mich erhoben, und Lind&#x017F;ay &#x017F;tand bereits<lb/>
bei &#x017F;einem Pferde.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Zurückbehalten?&#x201C; fragte ich, aber nur um Zeit zu<lb/>
gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">II. 31</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[481/0495] ſich auf die Gäule werfen, die ganz in ihrer Nähe graſen, und augenblicklich forteilen, ſo könnte ich ihnen vielleicht den Rückzug decken, da ich Grund habe, zu glauben, daß die Neſtorianer nicht auf mich ſchießen werden.“ „Hm! Schöner Coup! Ausgezeichnet!“ „Müßte aber ſchnell geſchehen. Seid Ihr dabei?“ „Yes! Wird intereſſant!“ „Aber wir ſchießen nicht, Sir!“ „Warum nicht?“ „Das wäre undankbar gegen den Melek.“ „Aber dann werden ſie uns fangen!“ „Ich glaube nicht. Mein Pferd iſt gut, das Eurige auch, und wenn die andern Klepper ſchlecht ſind, ſo ent- weicht man in die Büſche. Alſo ſeid Ihr bereit?“ „O, yes!“ „So paßt auf!“ Ich drehte mich wieder zu dem Melek. „Was habt Ihr beſchloſſen?“ fragte er. „Wir bleiben dem Bey treu.“ „So lehnt ihr meine Freundſchaft ab?“ „Nein. Aber du wirſt uns erlauben, unſere Pflicht zu thun. Wir werden jetzt gehen, doch ich ſage dir auf- richtig, daß wir alles aufbieten werden, um ihn zu be- freien.“ Er lächelte und ſagte: „Und wenn ihr geht und alle ſeine Krieger ruft, ſo werden ſie dennoch zu ſpät kommen, weil wir dann bereits fort ſind. Aber ihr werdet gar nicht gehen, denn wenn ihr ihm helfen wollt, ſo muß ich euch zurückbehalten.“ Ich hatte mich erhoben, und Lindſay ſtand bereits bei ſeinem Pferde. „Zurückbehalten?“ fragte ich, aber nur um Zeit zu gewinnen; denn ich hatte Halef einen Wink gegeben und II. 31

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/495
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/495>, abgerufen am 11.05.2024.