der nur aus vier Gebäuden bestand, von denen drei aus Lehm aufgeführt waren, während das vierte starke Stein- mauern besaß. Es hatte ein Stockwerk über dem Erd- geschoß und einen ziemlich großen Garten an seiner hin- teren Seite.
"Hier bleiben wir," meinte der Anführer.
"Wem gehört dieses Haus?"
"Dem Bruder des Melek. Ich werde dich zu ihm führen."
Wir hielten vor dem Gebäude still, und eben als ich am Absteigen war, vernahmen wir ein lautes, heulendes Schnaufen. Wir drehten uns um und sahen einen Hund, der in gewaltigen Sätzen den Abhang herabgesprungen kam. Es war mein Dojan, den ich kurz vor dem Ueber- fall der Obhut Halefs übergeben hatte. Die Schnur, an welcher ihn der Diener geführt hatte, war zerrissen, und sein Instinkt hatte das brave Tier auf meine Spur ge- führt. Er sprang laut jauchzend an mir empor, und ich hatte alle Mühe, ihn zur Ruhe zu bringen. Ich gab ihm den Zügel meines Pferdes zwischen die Zähne und war nun sicher, daß niemand es mir unbemerkt entführen könne. Dann wurden wir in das Haus gewiesen. Der Anführer stieg mit uns eine Treppe empor und bedeutete uns, in einem Zimmerchen auf ihn zu warten. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er zurückkehrte.
"Ihr sollt kommen," meinte er. "Aber legt vorher die Waffen ab."
"Warum diese Zumutung?"
"Der Bruder des Melek ist ein Priester."
"Bei dem du selbst deine Waffen getragen hast!"
"Ich bin sein Freund."
"Ah! Er fürchtet sich vor uns?"
"So ist es."
der nur aus vier Gebäuden beſtand, von denen drei aus Lehm aufgeführt waren, während das vierte ſtarke Stein- mauern beſaß. Es hatte ein Stockwerk über dem Erd- geſchoß und einen ziemlich großen Garten an ſeiner hin- teren Seite.
„Hier bleiben wir,“ meinte der Anführer.
„Wem gehört dieſes Haus?“
„Dem Bruder des Melek. Ich werde dich zu ihm führen.“
Wir hielten vor dem Gebäude ſtill, und eben als ich am Abſteigen war, vernahmen wir ein lautes, heulendes Schnaufen. Wir drehten uns um und ſahen einen Hund, der in gewaltigen Sätzen den Abhang herabgeſprungen kam. Es war mein Dojan, den ich kurz vor dem Ueber- fall der Obhut Halefs übergeben hatte. Die Schnur, an welcher ihn der Diener geführt hatte, war zerriſſen, und ſein Inſtinkt hatte das brave Tier auf meine Spur ge- führt. Er ſprang laut jauchzend an mir empor, und ich hatte alle Mühe, ihn zur Ruhe zu bringen. Ich gab ihm den Zügel meines Pferdes zwiſchen die Zähne und war nun ſicher, daß niemand es mir unbemerkt entführen könne. Dann wurden wir in das Haus gewieſen. Der Anführer ſtieg mit uns eine Treppe empor und bedeutete uns, in einem Zimmerchen auf ihn zu warten. Es dauerte eine ganze Weile, ehe er zurückkehrte.
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der nur aus vier Gebäuden beſtand, von denen drei aus
Lehm aufgeführt waren, während das vierte ſtarke Stein-
mauern beſaß. Es hatte ein Stockwerk über dem Erd-
geſchoß und einen ziemlich großen Garten an ſeiner hin-
teren Seite.
„Hier bleiben wir,“ meinte der Anführer.
„Wem gehört dieſes Haus?“
„Dem Bruder des Melek. Ich werde dich zu ihm
führen.“
Wir hielten vor dem Gebäude ſtill, und eben als ich
am Abſteigen war, vernahmen wir ein lautes, heulendes
Schnaufen. Wir drehten uns um und ſahen einen Hund,
der in gewaltigen Sätzen den Abhang herabgeſprungen
kam. Es war mein Dojan, den ich kurz vor dem Ueber-
fall der Obhut Halefs übergeben hatte. Die Schnur, an
welcher ihn der Diener geführt hatte, war zerriſſen, und
ſein Inſtinkt hatte das brave Tier auf meine Spur ge-
führt. Er ſprang laut jauchzend an mir empor, und ich
hatte alle Mühe, ihn zur Ruhe zu bringen. Ich gab ihm
den Zügel meines Pferdes zwiſchen die Zähne und war
nun ſicher, daß niemand es mir unbemerkt entführen
könne. Dann wurden wir in das Haus gewieſen. Der
Anführer ſtieg mit uns eine Treppe empor und bedeutete
uns, in einem Zimmerchen auf ihn zu warten. Es dauerte
eine ganze Weile, ehe er zurückkehrte.
„Ihr ſollt kommen,“ meinte er. „Aber legt vorher
die Waffen ab.“
„Warum dieſe Zumutung?“
„Der Bruder des Melek iſt ein Prieſter.“
„Bei dem du ſelbſt deine Waffen getragen haſt!“
„Ich bin ſein Freund.“
„Ah! Er fürchtet ſich vor uns?“
„So iſt es.“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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