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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Das werden wir erst noch erfahren. Uebrigens
könnt Ihr versichert sein, Sir, daß uns unsere Freunde
nicht verlassen werden. Von Halef weiß ich es ganz genau,
daß er alles in Bewegung setzen wird, um uns nützlich
zu sein."

"Glaube es auch. Braver Kerl!"

Als wir alles zu uns genommen hatten, stiegen wir
auf und setzten unsern Ritt fort. Es hätte mich jetzt nur
einen Schenkeldruck gekostet, um wieder frei zu sein; aber
ich hatte mein Wort gegeben, und das mußte ich halten.
Ich ritt an der Seite des Anführers, der seine besorgten
Blicke nicht von uns wendete.

"Ich frage dich abermals, wohin du uns führst?"
hob ich an.

"Das wird der Melek entscheiden."

"Wo befindet er sich?"

"Wir werden am Abhange des Gebirges auf ihn
warten."

"Welcher Melek ist es?"

"Von Lizan."

"So ist er jetzt in Lizan und wird später kommen?"

"Er ist dem Bey von Gumri nachgejagt."

"Ah! Und warum habt ihr euch von ihm getrennt?"

"Er bedurfte unserer Hilfe nicht, weil er sah, daß
der Bey so wenige Leute bei sich hatte, und als wir um-
kehrten, trafen wir auf euch."

Nun war das Rätsel gelöst. Der Feind war so zahl-
reich gewesen, daß es unseren Freunden nicht möglich ge-
worden war, sich durchzuschlagen und zu uns zu kommen.

Unser Weg führte uns sehr bald wieder bergab und
wir sahen das Thal des Zab in einer Länge von vielen
Stunden vor uns liegen. Nach Verlauf von vielleicht
zwei Stunden gelangten wir an einen einsamen Weiler,

II. 30

„Das werden wir erſt noch erfahren. Uebrigens
könnt Ihr verſichert ſein, Sir, daß uns unſere Freunde
nicht verlaſſen werden. Von Halef weiß ich es ganz genau,
daß er alles in Bewegung ſetzen wird, um uns nützlich
zu ſein.“

„Glaube es auch. Braver Kerl!“

Als wir alles zu uns genommen hatten, ſtiegen wir
auf und ſetzten unſern Ritt fort. Es hätte mich jetzt nur
einen Schenkeldruck gekoſtet, um wieder frei zu ſein; aber
ich hatte mein Wort gegeben, und das mußte ich halten.
Ich ritt an der Seite des Anführers, der ſeine beſorgten
Blicke nicht von uns wendete.

„Ich frage dich abermals, wohin du uns führſt?“
hob ich an.

„Das wird der Melek entſcheiden.“

„Wo befindet er ſich?“

„Wir werden am Abhange des Gebirges auf ihn
warten.“

„Welcher Melek iſt es?“

„Von Lizan.“

„So iſt er jetzt in Lizan und wird ſpäter kommen?“

„Er iſt dem Bey von Gumri nachgejagt.“

„Ah! Und warum habt ihr euch von ihm getrennt?“

„Er bedurfte unſerer Hilfe nicht, weil er ſah, daß
der Bey ſo wenige Leute bei ſich hatte, und als wir um-
kehrten, trafen wir auf euch.“

Nun war das Rätſel gelöſt. Der Feind war ſo zahl-
reich geweſen, daß es unſeren Freunden nicht möglich ge-
worden war, ſich durchzuſchlagen und zu uns zu kommen.

Unſer Weg führte uns ſehr bald wieder bergab und
wir ſahen das Thal des Zab in einer Länge von vielen
Stunden vor uns liegen. Nach Verlauf von vielleicht
zwei Stunden gelangten wir an einen einſamen Weiler,

II. 30
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[465/0479] „Das werden wir erſt noch erfahren. Uebrigens könnt Ihr verſichert ſein, Sir, daß uns unſere Freunde nicht verlaſſen werden. Von Halef weiß ich es ganz genau, daß er alles in Bewegung ſetzen wird, um uns nützlich zu ſein.“ „Glaube es auch. Braver Kerl!“ Als wir alles zu uns genommen hatten, ſtiegen wir auf und ſetzten unſern Ritt fort. Es hätte mich jetzt nur einen Schenkeldruck gekoſtet, um wieder frei zu ſein; aber ich hatte mein Wort gegeben, und das mußte ich halten. Ich ritt an der Seite des Anführers, der ſeine beſorgten Blicke nicht von uns wendete. „Ich frage dich abermals, wohin du uns führſt?“ hob ich an. „Das wird der Melek entſcheiden.“ „Wo befindet er ſich?“ „Wir werden am Abhange des Gebirges auf ihn warten.“ „Welcher Melek iſt es?“ „Von Lizan.“ „So iſt er jetzt in Lizan und wird ſpäter kommen?“ „Er iſt dem Bey von Gumri nachgejagt.“ „Ah! Und warum habt ihr euch von ihm getrennt?“ „Er bedurfte unſerer Hilfe nicht, weil er ſah, daß der Bey ſo wenige Leute bei ſich hatte, und als wir um- kehrten, trafen wir auf euch.“ Nun war das Rätſel gelöſt. Der Feind war ſo zahl- reich geweſen, daß es unſeren Freunden nicht möglich ge- worden war, ſich durchzuſchlagen und zu uns zu kommen. Unſer Weg führte uns ſehr bald wieder bergab und wir ſahen das Thal des Zab in einer Länge von vielen Stunden vor uns liegen. Nach Verlauf von vielleicht zwei Stunden gelangten wir an einen einſamen Weiler, II. 30

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/479>, abgerufen am 25.11.2024.