Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

selbst wenn sie in Gefangenschaft geraten. Ihr aber habt
uns beraubt und gefesselt, als ob wir Diebe und Räuber
seien. Wir verlangen, daß ihr uns alles zurückgebt, was
ihr uns genommen habt!"

"Das werden wir nicht thun!"

"So werde ich deinen Wunsch erfüllen und dir den
Gebrauch unserer Waffen zeigen. Merke wohl auf: der
erste, der auf uns schießen oder stechen will, wird auch
der erste sein, der sterben muß! Es ist besser, wir sprechen
in Frieden miteinander, als daß wir euch töten."

"Ihr werdet auch fallen!"

"Aber die meisten von euch vorher!"

"Wir müssen euch binden, denn wir müssen euch zu
unserm Melek bringen."

"Ihr bringt uns nicht zu eurem Melek, wenn ihr
uns fesseln wollt; denn wir werden uns wehren. Aber
wenn ihr uns alles wiedergebt, was uns gehört, so werden
wir euch freiwillig folgen; denn wir können dann als
Emire vor ihm erscheinen."

Diese guten Leute waren gar nicht blutgierig und
hatten eine große Angst vor unsern Waffen. Sie blickten
einander an, flüsterten leise, und endlich fragte der An-
führer:

"Was verlangst du zurück?"

"Die Kleider alle."

"Die sollst du haben."

"Das Geld und alles, was in unsern Taschen war."

"Das müssen wir behalten, um es dem Melek zu
geben."

"Und die Waffen."

"Auch sie müssen wir behalten, sonst gebraucht ihr
sie gegen uns."

"Und endlich verlangen wir unsere Pferde."

ſelbſt wenn ſie in Gefangenſchaft geraten. Ihr aber habt
uns beraubt und gefeſſelt, als ob wir Diebe und Räuber
ſeien. Wir verlangen, daß ihr uns alles zurückgebt, was
ihr uns genommen habt!“

„Das werden wir nicht thun!“

„So werde ich deinen Wunſch erfüllen und dir den
Gebrauch unſerer Waffen zeigen. Merke wohl auf: der
erſte, der auf uns ſchießen oder ſtechen will, wird auch
der erſte ſein, der ſterben muß! Es iſt beſſer, wir ſprechen
in Frieden miteinander, als daß wir euch töten.“

„Ihr werdet auch fallen!“

„Aber die meiſten von euch vorher!“

„Wir müſſen euch binden, denn wir müſſen euch zu
unſerm Melek bringen.“

„Ihr bringt uns nicht zu eurem Melek, wenn ihr
uns feſſeln wollt; denn wir werden uns wehren. Aber
wenn ihr uns alles wiedergebt, was uns gehört, ſo werden
wir euch freiwillig folgen; denn wir können dann als
Emire vor ihm erſcheinen.“

Dieſe guten Leute waren gar nicht blutgierig und
hatten eine große Angſt vor unſern Waffen. Sie blickten
einander an, flüſterten leiſe, und endlich fragte der An-
führer:

„Was verlangſt du zurück?“

„Die Kleider alle.“

„Die ſollſt du haben.“

„Das Geld und alles, was in unſern Taſchen war.“

„Das müſſen wir behalten, um es dem Melek zu
geben.“

„Und die Waffen.“

„Auch ſie müſſen wir behalten, ſonſt gebraucht ihr
ſie gegen uns.“

„Und endlich verlangen wir unſere Pferde.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0477" n="463"/>
&#x017F;elb&#x017F;t wenn &#x017F;ie in Gefangen&#x017F;chaft geraten. Ihr aber habt<lb/>
uns beraubt und gefe&#x017F;&#x017F;elt, als ob wir Diebe und Räuber<lb/>
&#x017F;eien. Wir verlangen, daß ihr uns alles zurückgebt, was<lb/>
ihr uns genommen habt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das werden wir nicht thun!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So werde ich deinen Wun&#x017F;ch erfüllen und dir den<lb/>
Gebrauch un&#x017F;erer Waffen zeigen. Merke wohl auf: der<lb/>
er&#x017F;te, der auf uns &#x017F;chießen oder &#x017F;techen will, wird auch<lb/>
der er&#x017F;te &#x017F;ein, der &#x017F;terben muß! Es i&#x017F;t be&#x017F;&#x017F;er, wir &#x017F;prechen<lb/>
in Frieden miteinander, als daß wir euch töten.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr werdet auch fallen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber die mei&#x017F;ten von euch vorher!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir mü&#x017F;&#x017F;en euch binden, denn wir mü&#x017F;&#x017F;en euch zu<lb/>
un&#x017F;erm Melek bringen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ihr bringt uns nicht zu eurem Melek, wenn ihr<lb/>
uns fe&#x017F;&#x017F;eln wollt; denn wir werden uns wehren. Aber<lb/>
wenn ihr uns alles wiedergebt, was uns gehört, &#x017F;o werden<lb/>
wir euch freiwillig folgen; denn wir können dann als<lb/>
Emire vor ihm er&#x017F;cheinen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e guten Leute waren gar nicht blutgierig und<lb/>
hatten eine große Ang&#x017F;t vor un&#x017F;ern Waffen. Sie blickten<lb/>
einander an, flü&#x017F;terten lei&#x017F;e, und endlich fragte der An-<lb/>
führer:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was verlang&#x017F;t du zurück?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Kleider alle.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die &#x017F;oll&#x017F;t du haben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das Geld und alles, was in un&#x017F;ern Ta&#x017F;chen war.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das mü&#x017F;&#x017F;en wir behalten, um es dem Melek zu<lb/>
geben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und die Waffen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Auch &#x017F;ie mü&#x017F;&#x017F;en wir behalten, &#x017F;on&#x017F;t gebraucht ihr<lb/>
&#x017F;ie gegen uns.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und endlich verlangen wir un&#x017F;ere Pferde.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0477] ſelbſt wenn ſie in Gefangenſchaft geraten. Ihr aber habt uns beraubt und gefeſſelt, als ob wir Diebe und Räuber ſeien. Wir verlangen, daß ihr uns alles zurückgebt, was ihr uns genommen habt!“ „Das werden wir nicht thun!“ „So werde ich deinen Wunſch erfüllen und dir den Gebrauch unſerer Waffen zeigen. Merke wohl auf: der erſte, der auf uns ſchießen oder ſtechen will, wird auch der erſte ſein, der ſterben muß! Es iſt beſſer, wir ſprechen in Frieden miteinander, als daß wir euch töten.“ „Ihr werdet auch fallen!“ „Aber die meiſten von euch vorher!“ „Wir müſſen euch binden, denn wir müſſen euch zu unſerm Melek bringen.“ „Ihr bringt uns nicht zu eurem Melek, wenn ihr uns feſſeln wollt; denn wir werden uns wehren. Aber wenn ihr uns alles wiedergebt, was uns gehört, ſo werden wir euch freiwillig folgen; denn wir können dann als Emire vor ihm erſcheinen.“ Dieſe guten Leute waren gar nicht blutgierig und hatten eine große Angſt vor unſern Waffen. Sie blickten einander an, flüſterten leiſe, und endlich fragte der An- führer: „Was verlangſt du zurück?“ „Die Kleider alle.“ „Die ſollſt du haben.“ „Das Geld und alles, was in unſern Taſchen war.“ „Das müſſen wir behalten, um es dem Melek zu geben.“ „Und die Waffen.“ „Auch ſie müſſen wir behalten, ſonſt gebraucht ihr ſie gegen uns.“ „Und endlich verlangen wir unſere Pferde.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/477
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/477>, abgerufen am 11.05.2024.