Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Ker. Und Eselin, ein junger, ein kleiner Esel heißt
Daschik."

"Well! So haben wir Vier wie Daschiks und Ihr
habt wie ein sehr alter und sehr großer Ker gehandelt.
Verstanden?"

"Sehr verbunden, Master Lindsay! Nehmt meinen
innigsten Dank für die Anerkennung! Wollt Ihr denn
nicht bedenken, daß es gradezu ein Wahnsinn genannt
werden müßte, wenn fünf Männer sich einbilden, mit
zweihundert, die ihnen bereits bis auf den Frack gerückt
sind, fertig zu werden?"

"Wir hatten bessere Waffen als sie!"

"Konnten wir sie in solcher Nähe gebrauchen? Und
hätten wir uns diese Kurden damit vom Leibe gehalten,
so wäre jedenfalls viel Blut geflossen; das unserige wohl
auch mit. Und dann die Blutrache! Wo denkt Ihr hin!"

Da bemerkten wir einen Reiter, der uns im Galopp
entgegenkam. Als er sich soweit genähert hatte, daß seine
Gesichtszüge zu sehen waren, erkannte ich Dohub, den
Kurden, dessen Verwandte in Amadijah gefangen gewesen
waren. Unser Trupp hielt bei seinem Erscheinen an.
Er drängte sich ungestüm bis zu mir hindurch und reichte
mir die Hand.

"Chodih, du kommst; du bist gefangen!"

"Wie du siehst!"

"Oh, verzeihe! Ich war fort von Gumri, und als
ich jetzt heimkehrte, erfuhr ich, daß man fünf fremde Männer
fangen wollte. Ich dachte gleich an dich und bin eilig
herbeigekommen, um zu sehen, ob meine Gedanken richtig
gewesen sind. Chodih, az kolame ta -- Herr, ich bin dein
Diener. Befiehl, was du von mir wünschest!"

"Ich danke dir! Aber ich bedarf deiner Hilfe nicht,
denn dieser Mann ist bereits unser Beschützer."

„Ker. Und Eſelin, ein junger, ein kleiner Eſel heißt
Daſchik.“

Well! So haben wir Vier wie Daſchiks und Ihr
habt wie ein ſehr alter und ſehr großer Ker gehandelt.
Verſtanden?“

„Sehr verbunden, Maſter Lindſay! Nehmt meinen
innigſten Dank für die Anerkennung! Wollt Ihr denn
nicht bedenken, daß es gradezu ein Wahnſinn genannt
werden müßte, wenn fünf Männer ſich einbilden, mit
zweihundert, die ihnen bereits bis auf den Frack gerückt
ſind, fertig zu werden?“

„Wir hatten beſſere Waffen als ſie!“

„Konnten wir ſie in ſolcher Nähe gebrauchen? Und
hätten wir uns dieſe Kurden damit vom Leibe gehalten,
ſo wäre jedenfalls viel Blut gefloſſen; das unſerige wohl
auch mit. Und dann die Blutrache! Wo denkt Ihr hin!“

Da bemerkten wir einen Reiter, der uns im Galopp
entgegenkam. Als er ſich ſoweit genähert hatte, daß ſeine
Geſichtszüge zu ſehen waren, erkannte ich Dohub, den
Kurden, deſſen Verwandte in Amadijah gefangen geweſen
waren. Unſer Trupp hielt bei ſeinem Erſcheinen an.
Er drängte ſich ungeſtüm bis zu mir hindurch und reichte
mir die Hand.

„Chodih, du kommſt; du biſt gefangen!“

„Wie du ſiehſt!“

„Oh, verzeihe! Ich war fort von Gumri, und als
ich jetzt heimkehrte, erfuhr ich, daß man fünf fremde Männer
fangen wollte. Ich dachte gleich an dich und bin eilig
herbeigekommen, um zu ſehen, ob meine Gedanken richtig
geweſen ſind. Chodih, az kolame ta — Herr, ich bin dein
Diener. Befiehl, was du von mir wünſcheſt!“

„Ich danke dir! Aber ich bedarf deiner Hilfe nicht,
denn dieſer Mann iſt bereits unſer Beſchützer.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0436" n="422"/>
        <p>&#x201E;Ker. Und E&#x017F;elin, ein junger, ein kleiner E&#x017F;el heißt<lb/>
Da&#x017F;chik.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;<hi rendition="#aq">Well!</hi> So haben wir Vier wie Da&#x017F;chiks und Ihr<lb/>
habt wie ein &#x017F;ehr alter und &#x017F;ehr großer Ker gehandelt.<lb/>
Ver&#x017F;tanden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sehr verbunden, Ma&#x017F;ter Lind&#x017F;ay! Nehmt meinen<lb/>
innig&#x017F;ten Dank für die Anerkennung! Wollt Ihr denn<lb/>
nicht bedenken, daß es gradezu ein Wahn&#x017F;inn genannt<lb/>
werden müßte, wenn fünf Männer &#x017F;ich einbilden, mit<lb/>
zweihundert, die ihnen bereits bis auf den Frack gerückt<lb/>
&#x017F;ind, fertig zu werden?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir hatten be&#x017F;&#x017F;ere Waffen als &#x017F;ie!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Konnten wir &#x017F;ie in &#x017F;olcher Nähe gebrauchen? Und<lb/>
hätten wir uns die&#x017F;e Kurden damit vom Leibe gehalten,<lb/>
&#x017F;o wäre jedenfalls viel Blut geflo&#x017F;&#x017F;en; das un&#x017F;erige wohl<lb/>
auch mit. Und dann die Blutrache! Wo denkt Ihr hin!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da bemerkten wir einen Reiter, der uns im Galopp<lb/>
entgegenkam. Als er &#x017F;ich &#x017F;oweit genähert hatte, daß &#x017F;eine<lb/>
Ge&#x017F;ichtszüge zu &#x017F;ehen waren, erkannte ich Dohub, den<lb/>
Kurden, de&#x017F;&#x017F;en Verwandte in Amadijah gefangen gewe&#x017F;en<lb/>
waren. Un&#x017F;er Trupp hielt bei &#x017F;einem Er&#x017F;cheinen an.<lb/>
Er drängte &#x017F;ich unge&#x017F;tüm bis zu mir hindurch und reichte<lb/>
mir die Hand.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Chodih, du komm&#x017F;t; du bi&#x017F;t gefangen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie du &#x017F;ieh&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Oh, verzeihe! Ich war fort von Gumri, und als<lb/>
ich jetzt heimkehrte, erfuhr ich, daß man fünf fremde Männer<lb/>
fangen wollte. Ich dachte gleich an dich und bin eilig<lb/>
herbeigekommen, um zu &#x017F;ehen, ob meine Gedanken richtig<lb/>
gewe&#x017F;en &#x017F;ind. Chodih, az kolame ta &#x2014; Herr, ich bin dein<lb/>
Diener. Befiehl, was du von mir wün&#x017F;che&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich danke dir! Aber ich bedarf deiner Hilfe nicht,<lb/>
denn die&#x017F;er Mann i&#x017F;t bereits un&#x017F;er Be&#x017F;chützer.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[422/0436] „Ker. Und Eſelin, ein junger, ein kleiner Eſel heißt Daſchik.“ „Well! So haben wir Vier wie Daſchiks und Ihr habt wie ein ſehr alter und ſehr großer Ker gehandelt. Verſtanden?“ „Sehr verbunden, Maſter Lindſay! Nehmt meinen innigſten Dank für die Anerkennung! Wollt Ihr denn nicht bedenken, daß es gradezu ein Wahnſinn genannt werden müßte, wenn fünf Männer ſich einbilden, mit zweihundert, die ihnen bereits bis auf den Frack gerückt ſind, fertig zu werden?“ „Wir hatten beſſere Waffen als ſie!“ „Konnten wir ſie in ſolcher Nähe gebrauchen? Und hätten wir uns dieſe Kurden damit vom Leibe gehalten, ſo wäre jedenfalls viel Blut gefloſſen; das unſerige wohl auch mit. Und dann die Blutrache! Wo denkt Ihr hin!“ Da bemerkten wir einen Reiter, der uns im Galopp entgegenkam. Als er ſich ſoweit genähert hatte, daß ſeine Geſichtszüge zu ſehen waren, erkannte ich Dohub, den Kurden, deſſen Verwandte in Amadijah gefangen geweſen waren. Unſer Trupp hielt bei ſeinem Erſcheinen an. Er drängte ſich ungeſtüm bis zu mir hindurch und reichte mir die Hand. „Chodih, du kommſt; du biſt gefangen!“ „Wie du ſiehſt!“ „Oh, verzeihe! Ich war fort von Gumri, und als ich jetzt heimkehrte, erfuhr ich, daß man fünf fremde Männer fangen wollte. Ich dachte gleich an dich und bin eilig herbeigekommen, um zu ſehen, ob meine Gedanken richtig geweſen ſind. Chodih, az kolame ta — Herr, ich bin dein Diener. Befiehl, was du von mir wünſcheſt!“ „Ich danke dir! Aber ich bedarf deiner Hilfe nicht, denn dieſer Mann iſt bereits unſer Beſchützer.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/436
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/436>, abgerufen am 19.05.2024.