lauten Geschrei weit zurück, und die pferdelosen Reiter sprangen unter Verwünschungen hinter ihnen drein. Diese Leute hatten von gestern her zu viel Respekt vor unsern Waffen, sonst wären wir doch verloren gewesen.
Jetzt ließen sie uns Muße, eine Furt zu suchen, die wir auch bald fanden. Wir gingen über den Bach und eilten dann so schnell vorwärts, als das Pferd Amads laufen konnte.
Das Thal von Berwari wird durch viele Flüßchen bewässert, welche von dem Gebirge herabströmen und sich mit einem Arme des Khabur vereinigen, der in den großen Zab mündet. Diese Wasserläufe sind mit Gebüsch um- säumt und die zwischen ihnen liegenden Ebenen von zahl- reichen Eichen, Pappeln und anderen Laubbäumen bestan- den. Bewohnt wird das Thal teils von Berwari-Kurden, teils von nestorianischen Christen; doch sind die Dörfer der letzteren meist verlassen.
Wir hatten die Verfolger aus dem Gesicht verloren und kamen zu einigen Dörfern, die wir aber in einem möglichst weiten Bogen umritten, da wir nicht wissen konnten, wie man uns begegnen werde. Einige einzelne Männer, welche im Freien beschäftigt waren, bemerkten uns aber doch. Wir ritten rasch weiter.
Leider kannten wir den Weg nicht genau, welchen wir einzuschlagen hatten. Ich wußte nur, daß Gumri im Norden liege; dies war die einzige Kenntnis, die uns als Führer dienen konnte. Die vielen Wasserläufe, welche wir passierten, hielten uns auf und nötigten uns zu manchem Umweg. Endlich gelangten wir an ein Dorf, welches nur aus einigen Häusern bestand. Es war nicht gut zu um- reiten, weil es auf der einen Seite an das tiefe Bett eines Baches und auf der andern Seite an ein ziemlich dichtes Gehölz stieß. Das Dorf schien ganz verödet zu sein, und wir ritten völlig unbesorgt darauf los.
lauten Geſchrei weit zurück, und die pferdeloſen Reiter ſprangen unter Verwünſchungen hinter ihnen drein. Dieſe Leute hatten von geſtern her zu viel Reſpekt vor unſern Waffen, ſonſt wären wir doch verloren geweſen.
Jetzt ließen ſie uns Muße, eine Furt zu ſuchen, die wir auch bald fanden. Wir gingen über den Bach und eilten dann ſo ſchnell vorwärts, als das Pferd Amads laufen konnte.
Das Thal von Berwari wird durch viele Flüßchen bewäſſert, welche von dem Gebirge herabſtrömen und ſich mit einem Arme des Khabur vereinigen, der in den großen Zab mündet. Dieſe Waſſerläufe ſind mit Gebüſch um- ſäumt und die zwiſchen ihnen liegenden Ebenen von zahl- reichen Eichen, Pappeln und anderen Laubbäumen beſtan- den. Bewohnt wird das Thal teils von Berwari-Kurden, teils von neſtorianiſchen Chriſten; doch ſind die Dörfer der letzteren meiſt verlaſſen.
Wir hatten die Verfolger aus dem Geſicht verloren und kamen zu einigen Dörfern, die wir aber in einem möglichſt weiten Bogen umritten, da wir nicht wiſſen konnten, wie man uns begegnen werde. Einige einzelne Männer, welche im Freien beſchäftigt waren, bemerkten uns aber doch. Wir ritten raſch weiter.
Leider kannten wir den Weg nicht genau, welchen wir einzuſchlagen hatten. Ich wußte nur, daß Gumri im Norden liege; dies war die einzige Kenntnis, die uns als Führer dienen konnte. Die vielen Waſſerläufe, welche wir paſſierten, hielten uns auf und nötigten uns zu manchem Umweg. Endlich gelangten wir an ein Dorf, welches nur aus einigen Häuſern beſtand. Es war nicht gut zu um- reiten, weil es auf der einen Seite an das tiefe Bett eines Baches und auf der andern Seite an ein ziemlich dichtes Gehölz ſtieß. Das Dorf ſchien ganz verödet zu ſein, und wir ritten völlig unbeſorgt darauf los.
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lauten Geſchrei weit zurück, und die pferdeloſen Reiter
ſprangen unter Verwünſchungen hinter ihnen drein. Dieſe
Leute hatten von geſtern her zu viel Reſpekt vor unſern
Waffen, ſonſt wären wir doch verloren geweſen.
Jetzt ließen ſie uns Muße, eine Furt zu ſuchen, die wir
auch bald fanden. Wir gingen über den Bach und eilten
dann ſo ſchnell vorwärts, als das Pferd Amads laufen konnte.
Das Thal von Berwari wird durch viele Flüßchen
bewäſſert, welche von dem Gebirge herabſtrömen und ſich
mit einem Arme des Khabur vereinigen, der in den großen
Zab mündet. Dieſe Waſſerläufe ſind mit Gebüſch um-
ſäumt und die zwiſchen ihnen liegenden Ebenen von zahl-
reichen Eichen, Pappeln und anderen Laubbäumen beſtan-
den. Bewohnt wird das Thal teils von Berwari-Kurden,
teils von neſtorianiſchen Chriſten; doch ſind die Dörfer
der letzteren meiſt verlaſſen.
Wir hatten die Verfolger aus dem Geſicht verloren
und kamen zu einigen Dörfern, die wir aber in einem
möglichſt weiten Bogen umritten, da wir nicht wiſſen
konnten, wie man uns begegnen werde. Einige einzelne
Männer, welche im Freien beſchäftigt waren, bemerkten
uns aber doch. Wir ritten raſch weiter.
Leider kannten wir den Weg nicht genau, welchen
wir einzuſchlagen hatten. Ich wußte nur, daß Gumri im
Norden liege; dies war die einzige Kenntnis, die uns als
Führer dienen konnte. Die vielen Waſſerläufe, welche wir
paſſierten, hielten uns auf und nötigten uns zu manchem
Umweg. Endlich gelangten wir an ein Dorf, welches nur
aus einigen Häuſern beſtand. Es war nicht gut zu um-
reiten, weil es auf der einen Seite an das tiefe Bett
eines Baches und auf der andern Seite an ein ziemlich
dichtes Gehölz ſtieß. Das Dorf ſchien ganz verödet zu
ſein, und wir ritten völlig unbeſorgt darauf los.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/429>, abgerufen am 25.11.2024.
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