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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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allen andern voran. Sie näherten sich auf vielleicht fünf-
hundertfünfzig Schritt; er aber jagte näher, hielt sein Roß
an, zielte und schoß. Dieser Mann besaß eine gute Flinte.
Wir sahen ganz in unserer Nähe von einem Steine, wel-
chen die Kugel getroffen hatte, einige Splitter abfliegen.
Es war ein noch junger Kurde, vielleicht der Bluträcher.

"Well!" meinte der Engländer, indem er seine Büchse
nahm und das Pferd herumwandte; "geh herunter, Boy!"

Er legte an und drückte ab. Das Pferd des Kurden
that einen Satz, taumelte und brach zusammen.

"Kann nach Hause gehen! Yes!"

Diesem kaltblütigen, sicheren Schusse folgte ein lautes
Schreien der Kurden. Sie hielten an und sprachen mit-
einander, folgten uns aber alsbald wieder nach. In kurzer
Zeit erreichten wir einen breiten Bach, über den es keine
Brücke gab. Er war reißend und tief, so daß wir eine
Stelle suchen mußten, an welcher der Uebergang sich am
besten bewerkstelligen ließ. Dies gab uns natürlich Blößen.
Die Kurden hielten. Einige von ihnen aber ritten etwas
vor, saßen ab und stellten sich hinter ihre Pferde. Wir
sahen, daß sie die Läufe ihrer Flinten über die Rücken
ihrer Pferde legten.

Schnell waren wir auch von unseren Tieren und
thaten dasselbe. Einen Augenblick nach ihren Schüssen --
nur ich schoß noch nicht -- krachten auch die unserigen,
welche zeigten, daß wir die besseren Schießeisen besaßen.
Von unseren vier Schüssen erreichten drei ihr Ziel, wäh-
rend nur eine einzige Kurdenkugel das Pferd des Eng-
länders am Schwanz gestreift hatte. Lindsay schüttelte
den Kopf.

"Haben schlechte Begriffe!" meinte er. "Miserable
Begriffe! Wollen ein Pferd von hinten erschießen! Kann
nur Kurden passieren!"

allen andern voran. Sie näherten ſich auf vielleicht fünf-
hundertfünfzig Schritt; er aber jagte näher, hielt ſein Roß
an, zielte und ſchoß. Dieſer Mann beſaß eine gute Flinte.
Wir ſahen ganz in unſerer Nähe von einem Steine, wel-
chen die Kugel getroffen hatte, einige Splitter abfliegen.
Es war ein noch junger Kurde, vielleicht der Bluträcher.

Well!“ meinte der Engländer, indem er ſeine Büchſe
nahm und das Pferd herumwandte; „geh herunter, Boy!“

Er legte an und drückte ab. Das Pferd des Kurden
that einen Satz, taumelte und brach zuſammen.

„Kann nach Hauſe gehen! Yes!

Dieſem kaltblütigen, ſicheren Schuſſe folgte ein lautes
Schreien der Kurden. Sie hielten an und ſprachen mit-
einander, folgten uns aber alsbald wieder nach. In kurzer
Zeit erreichten wir einen breiten Bach, über den es keine
Brücke gab. Er war reißend und tief, ſo daß wir eine
Stelle ſuchen mußten, an welcher der Uebergang ſich am
beſten bewerkſtelligen ließ. Dies gab uns natürlich Blößen.
Die Kurden hielten. Einige von ihnen aber ritten etwas
vor, ſaßen ab und ſtellten ſich hinter ihre Pferde. Wir
ſahen, daß ſie die Läufe ihrer Flinten über die Rücken
ihrer Pferde legten.

Schnell waren wir auch von unſeren Tieren und
thaten dasſelbe. Einen Augenblick nach ihren Schüſſen —
nur ich ſchoß noch nicht — krachten auch die unſerigen,
welche zeigten, daß wir die beſſeren Schießeiſen beſaßen.
Von unſeren vier Schüſſen erreichten drei ihr Ziel, wäh-
rend nur eine einzige Kurdenkugel das Pferd des Eng-
länders am Schwanz geſtreift hatte. Lindſay ſchüttelte
den Kopf.

„Haben ſchlechte Begriffe!“ meinte er. „Miſerable
Begriffe! Wollen ein Pferd von hinten erſchießen! Kann
nur Kurden paſſieren!“

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[413/0427] allen andern voran. Sie näherten ſich auf vielleicht fünf- hundertfünfzig Schritt; er aber jagte näher, hielt ſein Roß an, zielte und ſchoß. Dieſer Mann beſaß eine gute Flinte. Wir ſahen ganz in unſerer Nähe von einem Steine, wel- chen die Kugel getroffen hatte, einige Splitter abfliegen. Es war ein noch junger Kurde, vielleicht der Bluträcher. „Well!“ meinte der Engländer, indem er ſeine Büchſe nahm und das Pferd herumwandte; „geh herunter, Boy!“ Er legte an und drückte ab. Das Pferd des Kurden that einen Satz, taumelte und brach zuſammen. „Kann nach Hauſe gehen! Yes!“ Dieſem kaltblütigen, ſicheren Schuſſe folgte ein lautes Schreien der Kurden. Sie hielten an und ſprachen mit- einander, folgten uns aber alsbald wieder nach. In kurzer Zeit erreichten wir einen breiten Bach, über den es keine Brücke gab. Er war reißend und tief, ſo daß wir eine Stelle ſuchen mußten, an welcher der Uebergang ſich am beſten bewerkſtelligen ließ. Dies gab uns natürlich Blößen. Die Kurden hielten. Einige von ihnen aber ritten etwas vor, ſaßen ab und ſtellten ſich hinter ihre Pferde. Wir ſahen, daß ſie die Läufe ihrer Flinten über die Rücken ihrer Pferde legten. Schnell waren wir auch von unſeren Tieren und thaten dasſelbe. Einen Augenblick nach ihren Schüſſen — nur ich ſchoß noch nicht — krachten auch die unſerigen, welche zeigten, daß wir die beſſeren Schießeiſen beſaßen. Von unſeren vier Schüſſen erreichten drei ihr Ziel, wäh- rend nur eine einzige Kurdenkugel das Pferd des Eng- länders am Schwanz geſtreift hatte. Lindſay ſchüttelte den Kopf. „Haben ſchlechte Begriffe!“ meinte er. „Miſerable Begriffe! Wollen ein Pferd von hinten erſchießen! Kann nur Kurden paſſieren!“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/427>, abgerufen am 27.05.2024.