"So erzählt doch! Was sagte er? Muß alles wissen! Yes!"
Ich berichtete mein ganzes Gespräch mit dem Kurden, und die Nachricht, daß der Nezanum es sei, dem wir den Ueberfall zu verdanken hatten, brachte mir eine Flut der kräftigsten Ausdrücke zu Gehör.
"Und du hast diesen Dieb freigelassen, Emir!" sagte Mohammed Emin vorwurfsvoll. "Aber warum?"
"Zunächst aus Teilnahme für ihn, sodann aber auch aus Berechnung. Behalten wir ihn hier, so ist er uns hinderlich, und wir müssen ihn speisen, während wir selbst Mangel haben. Nun aber ist er voll von Dankbarkeit gegen uns und wird eher zur Sühne als zum Streite raten. Wir wissen nicht, was vorkommen kann, und werden nur dann sicher sein und ohne Erschwerung han- deln können, wenn wir unter uns allein sind."
Diese Ansicht erhielt die Zustimmung aller. Vom Schlafe war ohnehin keine Rede mehr, und so beschlossen wir, auf unserer Hut zu sein.
Da stieß mich Halef am Arm und sagte:
"Sihdi, da hast du doch nun Zeit, an das Geschenk zu denken, welches mir der Mann in Amadijah für dich gegeben hat."
Ja richtig, an das Etui hatte ich ja gar nicht mehr gedacht.
"Bringe es her!"
Ich öffnete und konnte einen Ruf der Bewunderung nicht unterdrücken. Das Etui war von sehr schöner, sau- berer Arbeit, aber was war es im Vergleich zu seinem Inhalt! Ein persisches Kaliuhn *) zum Tabakrauchen beim Reiten befand sich darin. Es war eine teuere Pfeife, um
*) Wasserpfeife.
„Weil es beſſer für uns iſt.“
„So erzählt doch! Was ſagte er? Muß alles wiſſen! Yes!“
Ich berichtete mein ganzes Geſpräch mit dem Kurden, und die Nachricht, daß der Nezanum es ſei, dem wir den Ueberfall zu verdanken hatten, brachte mir eine Flut der kräftigſten Ausdrücke zu Gehör.
„Und du haſt dieſen Dieb freigelaſſen, Emir!“ ſagte Mohammed Emin vorwurfsvoll. „Aber warum?“
„Zunächſt aus Teilnahme für ihn, ſodann aber auch aus Berechnung. Behalten wir ihn hier, ſo iſt er uns hinderlich, und wir müſſen ihn ſpeiſen, während wir ſelbſt Mangel haben. Nun aber iſt er voll von Dankbarkeit gegen uns und wird eher zur Sühne als zum Streite raten. Wir wiſſen nicht, was vorkommen kann, und werden nur dann ſicher ſein und ohne Erſchwerung han- deln können, wenn wir unter uns allein ſind.“
Dieſe Anſicht erhielt die Zuſtimmung aller. Vom Schlafe war ohnehin keine Rede mehr, und ſo beſchloſſen wir, auf unſerer Hut zu ſein.
Da ſtieß mich Halef am Arm und ſagte:
„Sihdi, da haſt du doch nun Zeit, an das Geſchenk zu denken, welches mir der Mann in Amadijah für dich gegeben hat.“
Ja richtig, an das Etui hatte ich ja gar nicht mehr gedacht.
„Bringe es her!“
Ich öffnete und konnte einen Ruf der Bewunderung nicht unterdrücken. Das Etui war von ſehr ſchöner, ſau- berer Arbeit, aber was war es im Vergleich zu ſeinem Inhalt! Ein perſiſches Kaliuhn *) zum Tabakrauchen beim Reiten befand ſich darin. Es war eine teuere Pfeife, um
*) Waſſerpfeife.
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„Weil es beſſer für uns iſt.“
„So erzählt doch! Was ſagte er? Muß alles
wiſſen! Yes!“
Ich berichtete mein ganzes Geſpräch mit dem Kurden,
und die Nachricht, daß der Nezanum es ſei, dem wir den
Ueberfall zu verdanken hatten, brachte mir eine Flut der
kräftigſten Ausdrücke zu Gehör.
„Und du haſt dieſen Dieb freigelaſſen, Emir!“ ſagte
Mohammed Emin vorwurfsvoll. „Aber warum?“
„Zunächſt aus Teilnahme für ihn, ſodann aber auch
aus Berechnung. Behalten wir ihn hier, ſo iſt er uns
hinderlich, und wir müſſen ihn ſpeiſen, während wir ſelbſt
Mangel haben. Nun aber iſt er voll von Dankbarkeit
gegen uns und wird eher zur Sühne als zum Streite
raten. Wir wiſſen nicht, was vorkommen kann, und
werden nur dann ſicher ſein und ohne Erſchwerung han-
deln können, wenn wir unter uns allein ſind.“
Dieſe Anſicht erhielt die Zuſtimmung aller. Vom
Schlafe war ohnehin keine Rede mehr, und ſo beſchloſſen
wir, auf unſerer Hut zu ſein.
Da ſtieß mich Halef am Arm und ſagte:
„Sihdi, da haſt du doch nun Zeit, an das Geſchenk
zu denken, welches mir der Mann in Amadijah für dich
gegeben hat.“
Ja richtig, an das Etui hatte ich ja gar nicht mehr
gedacht.
„Bringe es her!“
Ich öffnete und konnte einen Ruf der Bewunderung
nicht unterdrücken. Das Etui war von ſehr ſchöner, ſau-
berer Arbeit, aber was war es im Vergleich zu ſeinem
Inhalt! Ein perſiſches Kaliuhn *) zum Tabakrauchen beim
Reiten befand ſich darin. Es war eine teuere Pfeife, um
*) Waſſerpfeife.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/418>, abgerufen am 26.11.2024.
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