"Es wird nichts zu bedeuten haben," meinte ich. "Wir sind doch nicht in einer offenen Wildnis, wo jedes Geräusch, von einem Menschen verursacht, das Nahen einer Gefahr verkündet. Man wird im Dorfe wohl noch nicht schlafen gegangen sein."
"Mögen es thun! Sich auf die Nase legen! Well! Gute Nacht, Master!"
Er drehte sich auf die andere Seite. Nach einiger Zeit aber horchte er wieder auf. Auch ich hatte jetzt deut- lich ein Geräusch vom Hofe her vernommen.
"Sind im Hofe," raunte Lindsay mir zu.
"Es scheint so. Merkt Ihr, was für einen guten Hund ich habe? Er hat verstanden, daß er nur auf das Dach aufzupassen hat, und darum giebt er jetzt noch keinen Laut von sich."
"Edle Rasse! Will die Kerls nicht verscheuchen, son- dern fangen!"
Jetzt aber dauerte es lange, bis wir wieder einzu- schlafen vermochten, vielleicht über eine halbe Stunde, da vernahm ich an der Vorderseite des Hauses leise Schritte. Ich stieß Lindsay.
"Höre es schon!" meinte er. "Was aber haben sie vor?"
"Sie werden glauben, daß wir die Pferde in den Flur gezogen haben, und legen nun von außen eine Leiter an, um auf das Dach und durch dasselbe herunter zu den Tieren zu gelangen. Wenn ihnen dieses glückte, so brauchten sie nur die vordere Thüre zu öffnen, um mit unseren Pferden davonzugehen."
"Soll ihnen nicht gelingen!"
Kaum hatte er dies gesagt, so erscholl fast grad über uns der laute Schrei einer menschlichen Stimme und das kurze, kräftige Anschlagen des Hundes.
"Hat ihn!" jubelte Lindsay.
„Es wird nichts zu bedeuten haben,“ meinte ich. „Wir ſind doch nicht in einer offenen Wildnis, wo jedes Geräuſch, von einem Menſchen verurſacht, das Nahen einer Gefahr verkündet. Man wird im Dorfe wohl noch nicht ſchlafen gegangen ſein.“
„Mögen es thun! Sich auf die Naſe legen! Well! Gute Nacht, Maſter!“
Er drehte ſich auf die andere Seite. Nach einiger Zeit aber horchte er wieder auf. Auch ich hatte jetzt deut- lich ein Geräuſch vom Hofe her vernommen.
„Sind im Hofe,“ raunte Lindſay mir zu.
„Es ſcheint ſo. Merkt Ihr, was für einen guten Hund ich habe? Er hat verſtanden, daß er nur auf das Dach aufzupaſſen hat, und darum giebt er jetzt noch keinen Laut von ſich.“
„Edle Raſſe! Will die Kerls nicht verſcheuchen, ſon- dern fangen!“
Jetzt aber dauerte es lange, bis wir wieder einzu- ſchlafen vermochten, vielleicht über eine halbe Stunde, da vernahm ich an der Vorderſeite des Hauſes leiſe Schritte. Ich ſtieß Lindſay.
„Höre es ſchon!“ meinte er. „Was aber haben ſie vor?“
„Sie werden glauben, daß wir die Pferde in den Flur gezogen haben, und legen nun von außen eine Leiter an, um auf das Dach und durch dasſelbe herunter zu den Tieren zu gelangen. Wenn ihnen dieſes glückte, ſo brauchten ſie nur die vordere Thüre zu öffnen, um mit unſeren Pferden davonzugehen.“
„Soll ihnen nicht gelingen!“
Kaum hatte er dies geſagt, ſo erſcholl faſt grad über uns der laute Schrei einer menſchlichen Stimme und das kurze, kräftige Anſchlagen des Hundes.
„Hat ihn!“ jubelte Lindſay.
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„Es wird nichts zu bedeuten haben,“ meinte ich.
„Wir ſind doch nicht in einer offenen Wildnis, wo jedes
Geräuſch, von einem Menſchen verurſacht, das Nahen
einer Gefahr verkündet. Man wird im Dorfe wohl noch
nicht ſchlafen gegangen ſein.“
„Mögen es thun! Sich auf die Naſe legen! Well!
Gute Nacht, Maſter!“
Er drehte ſich auf die andere Seite. Nach einiger
Zeit aber horchte er wieder auf. Auch ich hatte jetzt deut-
lich ein Geräuſch vom Hofe her vernommen.
„Sind im Hofe,“ raunte Lindſay mir zu.
„Es ſcheint ſo. Merkt Ihr, was für einen guten
Hund ich habe? Er hat verſtanden, daß er nur auf das
Dach aufzupaſſen hat, und darum giebt er jetzt noch
keinen Laut von ſich.“
„Edle Raſſe! Will die Kerls nicht verſcheuchen, ſon-
dern fangen!“
Jetzt aber dauerte es lange, bis wir wieder einzu-
ſchlafen vermochten, vielleicht über eine halbe Stunde, da
vernahm ich an der Vorderſeite des Hauſes leiſe Schritte.
Ich ſtieß Lindſay.
„Höre es ſchon!“ meinte er. „Was aber haben ſie vor?“
„Sie werden glauben, daß wir die Pferde in den
Flur gezogen haben, und legen nun von außen eine Leiter
an, um auf das Dach und durch dasſelbe herunter zu
den Tieren zu gelangen. Wenn ihnen dieſes glückte, ſo
brauchten ſie nur die vordere Thüre zu öffnen, um mit
unſeren Pferden davonzugehen.“
„Soll ihnen nicht gelingen!“
Kaum hatte er dies geſagt, ſo erſcholl faſt grad über
uns der laute Schrei einer menſchlichen Stimme und das
kurze, kräftige Anſchlagen des Hundes.
„Hat ihn!“ jubelte Lindſay.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/404>, abgerufen am 25.11.2024.
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