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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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"Du irrst abermals. Die Schammar wohnen nicht
am Meere und essen niemals Schweinefleisch."

"Schweig! Ich selbst bin bei ihnen gewesen und
habe das alles gesehen. Wenn diese Männer ihre Mütter
nicht geheiratet haben, so sind sie keine Schammar. Auch
leben die Schammar in Blutfehde mit den Kurden von
Sar Hasan und Zibar, und darum sind sie unsere Feinde.
Was wollt ihr hier?"

"Wir wollen fragen, ob ihr eine Hütte habt, in
welcher wir heute nacht ruhen können."

"Wir haben keine Hütten. Wir sind Berwari-Kurden
und haben Häuser. Ihr sollt ein Haus haben, wenn ihr
uns beweist, daß ihr nicht unsere Feinde seid."

"Womit sollen wir dies beweisen?"

"Dadurch, daß ihr uns eure Pferde und eure Waffen
übergebt."

O du alter Lügner und Eidechsenfresser! Du hältst
die Leute, welche Würste machen, für recht dicke Dumm-
köpfe! Das dachte ich, aber laut sagte ich: "Ein Mann
trennt sich nie von seinem Pferde und von seinen Waffen."

"So dürft ihr nicht bei uns bleiben," sagte er barsch.

"So ziehen wir weiter," erwiderte ich kurzweg und
ritt zu meinen Gefährten zurück; auch die Kurden schlossen
nun einen Kreis um ihren Führer.

"Was sagte er?" fragte mich der Engländer.

"Er will unsere Waffen und Pferde haben, wenn
wir hier bleiben wollen."

"Mag sie sich holen," knurrte er.

"Um Gottes willen, Sir, heute keinen Schuß! Die
Kurden halten die Blutrache noch heiliger als die Araber.
Wenn sie uns feindselig behandeln und wir verwunden
oder töten einen von ihnen, so sind wir verloren; denn
sie sind mehr als fünfmal so stark als wir."

„Du irrſt abermals. Die Schammar wohnen nicht
am Meere und eſſen niemals Schweinefleiſch.“

„Schweig! Ich ſelbſt bin bei ihnen geweſen und
habe das alles geſehen. Wenn dieſe Männer ihre Mütter
nicht geheiratet haben, ſo ſind ſie keine Schammar. Auch
leben die Schammar in Blutfehde mit den Kurden von
Sar Haſan und Zibar, und darum ſind ſie unſere Feinde.
Was wollt ihr hier?“

„Wir wollen fragen, ob ihr eine Hütte habt, in
welcher wir heute nacht ruhen können.“

„Wir haben keine Hütten. Wir ſind Berwari-Kurden
und haben Häuſer. Ihr ſollt ein Haus haben, wenn ihr
uns beweiſt, daß ihr nicht unſere Feinde ſeid.“

„Womit ſollen wir dies beweiſen?“

„Dadurch, daß ihr uns eure Pferde und eure Waffen
übergebt.“

O du alter Lügner und Eidechſenfreſſer! Du hältſt
die Leute, welche Würſte machen, für recht dicke Dumm-
köpfe! Das dachte ich, aber laut ſagte ich: „Ein Mann
trennt ſich nie von ſeinem Pferde und von ſeinen Waffen.“

„So dürft ihr nicht bei uns bleiben,“ ſagte er barſch.

„So ziehen wir weiter,“ erwiderte ich kurzweg und
ritt zu meinen Gefährten zurück; auch die Kurden ſchloſſen
nun einen Kreis um ihren Führer.

„Was ſagte er?“ fragte mich der Engländer.

„Er will unſere Waffen und Pferde haben, wenn
wir hier bleiben wollen.“

„Mag ſie ſich holen,“ knurrte er.

„Um Gottes willen, Sir, heute keinen Schuß! Die
Kurden halten die Blutrache noch heiliger als die Araber.
Wenn ſie uns feindſelig behandeln und wir verwunden
oder töten einen von ihnen, ſo ſind wir verloren; denn
ſie ſind mehr als fünfmal ſo ſtark als wir.“

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[377/0391] „Du irrſt abermals. Die Schammar wohnen nicht am Meere und eſſen niemals Schweinefleiſch.“ „Schweig! Ich ſelbſt bin bei ihnen geweſen und habe das alles geſehen. Wenn dieſe Männer ihre Mütter nicht geheiratet haben, ſo ſind ſie keine Schammar. Auch leben die Schammar in Blutfehde mit den Kurden von Sar Haſan und Zibar, und darum ſind ſie unſere Feinde. Was wollt ihr hier?“ „Wir wollen fragen, ob ihr eine Hütte habt, in welcher wir heute nacht ruhen können.“ „Wir haben keine Hütten. Wir ſind Berwari-Kurden und haben Häuſer. Ihr ſollt ein Haus haben, wenn ihr uns beweiſt, daß ihr nicht unſere Feinde ſeid.“ „Womit ſollen wir dies beweiſen?“ „Dadurch, daß ihr uns eure Pferde und eure Waffen übergebt.“ O du alter Lügner und Eidechſenfreſſer! Du hältſt die Leute, welche Würſte machen, für recht dicke Dumm- köpfe! Das dachte ich, aber laut ſagte ich: „Ein Mann trennt ſich nie von ſeinem Pferde und von ſeinen Waffen.“ „So dürft ihr nicht bei uns bleiben,“ ſagte er barſch. „So ziehen wir weiter,“ erwiderte ich kurzweg und ritt zu meinen Gefährten zurück; auch die Kurden ſchloſſen nun einen Kreis um ihren Führer. „Was ſagte er?“ fragte mich der Engländer. „Er will unſere Waffen und Pferde haben, wenn wir hier bleiben wollen.“ „Mag ſie ſich holen,“ knurrte er. „Um Gottes willen, Sir, heute keinen Schuß! Die Kurden halten die Blutrache noch heiliger als die Araber. Wenn ſie uns feindſelig behandeln und wir verwunden oder töten einen von ihnen, ſo ſind wir verloren; denn ſie ſind mehr als fünfmal ſo ſtark als wir.“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/391>, abgerufen am 25.11.2024.