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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Ruf aufmerksam gemacht wurde. Jetzt steckte er den Kopf
hervor und erkannte uns. Die frische, kräftige Waldluft
und die nahrhaften Speisen hatten ihn wenigstens inso-
weit gekräftigt, daß er ohne weitere Beihilfe herabkom-
men konnte. Ich erhielt dabei auch meinen Lasso wieder,
welchen er gestern oben behalten hatte.

Wir verweilten keinen Augenblick, kehrten zurück und
bestiegen die Pferde, da es uns allen darauf ankam, noch
heute eine gute Strecke Wegs zwischen uns und Amadijah
zu legen. Halef meldete, daß sich nichts Verdächtiges ge-
zeigt habe, und so bogen wir rechts in den Weg ein,
welcher zu den Sommerwohnungen der Bewohner von
Amadijah führte.

Wir ritten in einem Thale empor, dessen Sohle ein
breiter Bergbach bewässerte. Die Seiten waren mit schönem
Laubwald besetzt. Weiter oben teilte sich der Bach in
sehr viele Arme; das Thal wurde breiter und bot den
nötigen Raum für eine Menge von Zelten und Hütten,
die in malerischer Unordnung im Thale und an den Ab-
hängen desselben standen. Dies waren die Jilaks oder
Sommerwohnungen.

Diese Stelle war außerordentlich gut gewählt. Grüne
Wald- und Fruchtbäume beschatteten die Zelte und Hüt-
ten, und dichtes Rankengewächs bildete einen reichen Tep-
pich an den Abhängen hinauf. Dieser gesunde Ort bot
einen grellen, aber lieblichen Gegensatz zu der von gifti-
gen Lüften erfüllten Festung Amadijah.

Während die anderen im schnellen Tempo weiter
ritten, um Späherblicken baldigst zu entgehen, stieg ich
mit dem Engländer vor der Wohnung eines Geldwechs-
lers ab, da Lindsay sich einen Vorrat von landläufigen
Münzen einwechseln wollte.

Die Spitze der Höhe erreichten wir nach einer halben

Ruf aufmerkſam gemacht wurde. Jetzt ſteckte er den Kopf
hervor und erkannte uns. Die friſche, kräftige Waldluft
und die nahrhaften Speiſen hatten ihn wenigſtens inſo-
weit gekräftigt, daß er ohne weitere Beihilfe herabkom-
men konnte. Ich erhielt dabei auch meinen Laſſo wieder,
welchen er geſtern oben behalten hatte.

Wir verweilten keinen Augenblick, kehrten zurück und
beſtiegen die Pferde, da es uns allen darauf ankam, noch
heute eine gute Strecke Wegs zwiſchen uns und Amadijah
zu legen. Halef meldete, daß ſich nichts Verdächtiges ge-
zeigt habe, und ſo bogen wir rechts in den Weg ein,
welcher zu den Sommerwohnungen der Bewohner von
Amadijah führte.

Wir ritten in einem Thale empor, deſſen Sohle ein
breiter Bergbach bewäſſerte. Die Seiten waren mit ſchönem
Laubwald beſetzt. Weiter oben teilte ſich der Bach in
ſehr viele Arme; das Thal wurde breiter und bot den
nötigen Raum für eine Menge von Zelten und Hütten,
die in maleriſcher Unordnung im Thale und an den Ab-
hängen desſelben ſtanden. Dies waren die Jilaks oder
Sommerwohnungen.

Dieſe Stelle war außerordentlich gut gewählt. Grüne
Wald- und Fruchtbäume beſchatteten die Zelte und Hüt-
ten, und dichtes Rankengewächs bildete einen reichen Tep-
pich an den Abhängen hinauf. Dieſer geſunde Ort bot
einen grellen, aber lieblichen Gegenſatz zu der von gifti-
gen Lüften erfüllten Feſtung Amadijah.

Während die anderen im ſchnellen Tempo weiter
ritten, um Späherblicken baldigſt zu entgehen, ſtieg ich
mit dem Engländer vor der Wohnung eines Geldwechs-
lers ab, da Lindſay ſich einen Vorrat von landläufigen
Münzen einwechſeln wollte.

Die Spitze der Höhe erreichten wir nach einer halben

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[371/0385] Ruf aufmerkſam gemacht wurde. Jetzt ſteckte er den Kopf hervor und erkannte uns. Die friſche, kräftige Waldluft und die nahrhaften Speiſen hatten ihn wenigſtens inſo- weit gekräftigt, daß er ohne weitere Beihilfe herabkom- men konnte. Ich erhielt dabei auch meinen Laſſo wieder, welchen er geſtern oben behalten hatte. Wir verweilten keinen Augenblick, kehrten zurück und beſtiegen die Pferde, da es uns allen darauf ankam, noch heute eine gute Strecke Wegs zwiſchen uns und Amadijah zu legen. Halef meldete, daß ſich nichts Verdächtiges ge- zeigt habe, und ſo bogen wir rechts in den Weg ein, welcher zu den Sommerwohnungen der Bewohner von Amadijah führte. Wir ritten in einem Thale empor, deſſen Sohle ein breiter Bergbach bewäſſerte. Die Seiten waren mit ſchönem Laubwald beſetzt. Weiter oben teilte ſich der Bach in ſehr viele Arme; das Thal wurde breiter und bot den nötigen Raum für eine Menge von Zelten und Hütten, die in maleriſcher Unordnung im Thale und an den Ab- hängen desſelben ſtanden. Dies waren die Jilaks oder Sommerwohnungen. Dieſe Stelle war außerordentlich gut gewählt. Grüne Wald- und Fruchtbäume beſchatteten die Zelte und Hüt- ten, und dichtes Rankengewächs bildete einen reichen Tep- pich an den Abhängen hinauf. Dieſer geſunde Ort bot einen grellen, aber lieblichen Gegenſatz zu der von gifti- gen Lüften erfüllten Feſtung Amadijah. Während die anderen im ſchnellen Tempo weiter ritten, um Späherblicken baldigſt zu entgehen, ſtieg ich mit dem Engländer vor der Wohnung eines Geldwechs- lers ab, da Lindſay ſich einen Vorrat von landläufigen Münzen einwechſeln wollte. Die Spitze der Höhe erreichten wir nach einer halben

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/385>, abgerufen am 15.05.2024.