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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Effendi und Bey, einen Emir, der viel höher steht, als du,
der das Budjeruldi des Großherrn besitzt und dir schon
viele Beweise gegeben hat, daß er keinen Menschen fürchtet?"

"Ja, du fürchtest niemand, und eben darum wollte
ich dich hier sicher haben, ehe ich deine Wohnung durch-
suchte."

"Du kannst sie in meiner Gegenwart durchsuchen!"

"Herr, nun thue ich es nicht. Ich werde meine Leute
senden."

Ah, er fürchtete jetzt den ,Helden', den ,Wüterich'
und den, der diese beiden noch übertraf.

"Auch das werde ich gestatten, wenn es ohne Auf-
sehen geschieht. Sie können jeden Winkel durchstöbern;
ich habe nichts dagegen. Du siehst also, daß du mich nicht
einzusperren brauchtest, Mutesselim!"

"Das wußte ich nicht!"

"Dein größter Fehler aber war, daß du glauben
konntest, ich sei mit Blindheit geschlagen und werde mich
ruhig einsperren lassen. Thue das nicht wieder, denn ich
sage dir: dein Leben hing an einem Haar."

"Aber, Emir, wenn wir den Gefangenen bei dir ent-
decken, so werde ich dich doch gefangen nehmen müssen!"

"Dann werde ich mich nicht weigern."

"Und ich kann dich jetzt nicht nach Hause gehen lassen."

"Warum?"

"Ich muß sicher sein, daß du nicht den Befehl giebst,
den Gefangenen zu verstecken."

"Gut. Aber ich sage dir, daß meine Gefährten dann
die Wohnung nicht durchsuchen lassen. Sie werden im
Gegenteile einen jeden niederschießen, der sie zu betreten
wagt."

"So schreibe ihnen, daß sie meine Leute eintreten
lassen sollen!"

Effendi und Bey, einen Emir, der viel höher ſteht, als du,
der das Budjeruldi des Großherrn beſitzt und dir ſchon
viele Beweiſe gegeben hat, daß er keinen Menſchen fürchtet?“

„Ja, du fürchteſt niemand, und eben darum wollte
ich dich hier ſicher haben, ehe ich deine Wohnung durch-
ſuchte.“

„Du kannſt ſie in meiner Gegenwart durchſuchen!“

„Herr, nun thue ich es nicht. Ich werde meine Leute
ſenden.“

Ah, er fürchtete jetzt den ‚Helden‘, den ‚Wüterich‘
und den, der dieſe beiden noch übertraf.

„Auch das werde ich geſtatten, wenn es ohne Auf-
ſehen geſchieht. Sie können jeden Winkel durchſtöbern;
ich habe nichts dagegen. Du ſiehſt alſo, daß du mich nicht
einzuſperren brauchteſt, Muteſſelim!“

„Das wußte ich nicht!“

„Dein größter Fehler aber war, daß du glauben
konnteſt, ich ſei mit Blindheit geſchlagen und werde mich
ruhig einſperren laſſen. Thue das nicht wieder, denn ich
ſage dir: dein Leben hing an einem Haar.“

„Aber, Emir, wenn wir den Gefangenen bei dir ent-
decken, ſo werde ich dich doch gefangen nehmen müſſen!“

„Dann werde ich mich nicht weigern.“

„Und ich kann dich jetzt nicht nach Hauſe gehen laſſen.“

„Warum?“

„Ich muß ſicher ſein, daß du nicht den Befehl giebſt,
den Gefangenen zu verſtecken.“

„Gut. Aber ich ſage dir, daß meine Gefährten dann
die Wohnung nicht durchſuchen laſſen. Sie werden im
Gegenteile einen jeden niederſchießen, der ſie zu betreten
wagt.“

„So ſchreibe ihnen, daß ſie meine Leute eintreten
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[346/0360] Effendi und Bey, einen Emir, der viel höher ſteht, als du, der das Budjeruldi des Großherrn beſitzt und dir ſchon viele Beweiſe gegeben hat, daß er keinen Menſchen fürchtet?“ „Ja, du fürchteſt niemand, und eben darum wollte ich dich hier ſicher haben, ehe ich deine Wohnung durch- ſuchte.“ „Du kannſt ſie in meiner Gegenwart durchſuchen!“ „Herr, nun thue ich es nicht. Ich werde meine Leute ſenden.“ Ah, er fürchtete jetzt den ‚Helden‘, den ‚Wüterich‘ und den, der dieſe beiden noch übertraf. „Auch das werde ich geſtatten, wenn es ohne Auf- ſehen geſchieht. Sie können jeden Winkel durchſtöbern; ich habe nichts dagegen. Du ſiehſt alſo, daß du mich nicht einzuſperren brauchteſt, Muteſſelim!“ „Das wußte ich nicht!“ „Dein größter Fehler aber war, daß du glauben konnteſt, ich ſei mit Blindheit geſchlagen und werde mich ruhig einſperren laſſen. Thue das nicht wieder, denn ich ſage dir: dein Leben hing an einem Haar.“ „Aber, Emir, wenn wir den Gefangenen bei dir ent- decken, ſo werde ich dich doch gefangen nehmen müſſen!“ „Dann werde ich mich nicht weigern.“ „Und ich kann dich jetzt nicht nach Hauſe gehen laſſen.“ „Warum?“ „Ich muß ſicher ſein, daß du nicht den Befehl giebſt, den Gefangenen zu verſtecken.“ „Gut. Aber ich ſage dir, daß meine Gefährten dann die Wohnung nicht durchſuchen laſſen. Sie werden im Gegenteile einen jeden niederſchießen, der ſie zu betreten wagt.“ „So ſchreibe ihnen, daß ſie meine Leute eintreten laſſen ſollen!“

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/360>, abgerufen am 16.05.2024.