Bald erreichten wir den hinteren Rand des Gehölzes. Das Schnauben von Tieren und Männerstimmen wurden hörbar. Wir lagen soeben hart neben einem dichten Busch- werke. Ich deutete auf dasselbe und sagte leise: "Verbirg dich hier und erwarte mich, Halef."
"Herr, ich verlasse dich nicht; ich folge dir!"
"Du würdest mich verraten. Das unhörbare Schleichen ist in einem Walde schwieriger als auf offenem Felde. Ich habe dich nur mitgenommen, um mir den Rückzug zu decken. Du bleibst liegen, selbst wenn du schießen hörst. Wenn ich dich rufe, so kommst du so schnell wie möglich."
"Und wenn du weder kommst noch rufest?"
"So schleichst du dich nach einer halben Stunde vor- wärts, um zu sehen, was mit mir geschehen ist."
"Sihdi, wenn sie dich töten, so schlage ich alle tot!"
Diese Versicherung hörte ich noch, dann war ich fort; aber noch hatte ich mich nicht sehr weit von ihm entfernt, so hörte ich eine laute, befehlende Stimme rufen:
"Et atesch -- brenne an, mache Feuer!"
Diese Stimme kam aus einer Entfernung von vielleicht hundert Fuß. Ich konnte also unbesorgt weiter kriechen. Da vernahm ich das Prasseln einer Flamme und bemerkte zugleich einen lichten Schein, der sich zwischen den Bäumen fast bis zu mir verbreitete. Das erschwerte mir natürlich mein Vorhaben bedeutend.
"Taschlar atesch tschewresinde -- lege Steine um das Feuer!" befahl dieselbe Stimme.
Diesem Befehle wurde jedenfalls sofort Folge geleistet, denn der lichte Schein verschwand, so daß ich nun besser vorwärts konnte. Ich schlich mich von einem Stamme zum andern und wartete hinter einem jeden, bis ich mich überzeugt hatte, daß ich nicht bemerkt worden sei. Glück- licherweise war diese Vorsicht überflüssig; ich befand mich
Bald erreichten wir den hinteren Rand des Gehölzes. Das Schnauben von Tieren und Männerſtimmen wurden hörbar. Wir lagen ſoeben hart neben einem dichten Buſch- werke. Ich deutete auf dasſelbe und ſagte leiſe: „Verbirg dich hier und erwarte mich, Halef.“
„Herr, ich verlaſſe dich nicht; ich folge dir!“
„Du würdeſt mich verraten. Das unhörbare Schleichen iſt in einem Walde ſchwieriger als auf offenem Felde. Ich habe dich nur mitgenommen, um mir den Rückzug zu decken. Du bleibſt liegen, ſelbſt wenn du ſchießen hörſt. Wenn ich dich rufe, ſo kommſt du ſo ſchnell wie möglich.“
„Und wenn du weder kommſt noch rufeſt?“
„So ſchleichſt du dich nach einer halben Stunde vor- wärts, um zu ſehen, was mit mir geſchehen iſt.“
„Sihdi, wenn ſie dich töten, ſo ſchlage ich alle tot!“
Dieſe Verſicherung hörte ich noch, dann war ich fort; aber noch hatte ich mich nicht ſehr weit von ihm entfernt, ſo hörte ich eine laute, befehlende Stimme rufen:
„Et ateſch — brenne an, mache Feuer!“
Dieſe Stimme kam aus einer Entfernung von vielleicht hundert Fuß. Ich konnte alſo unbeſorgt weiter kriechen. Da vernahm ich das Praſſeln einer Flamme und bemerkte zugleich einen lichten Schein, der ſich zwiſchen den Bäumen faſt bis zu mir verbreitete. Das erſchwerte mir natürlich mein Vorhaben bedeutend.
„Taſchlar ateſch tſchewreſinde — lege Steine um das Feuer!“ befahl dieſelbe Stimme.
Dieſem Befehle wurde jedenfalls ſofort Folge geleiſtet, denn der lichte Schein verſchwand, ſo daß ich nun beſſer vorwärts konnte. Ich ſchlich mich von einem Stamme zum andern und wartete hinter einem jeden, bis ich mich überzeugt hatte, daß ich nicht bemerkt worden ſei. Glück- licherweiſe war dieſe Vorſicht überflüſſig; ich befand mich
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Bald erreichten wir den hinteren Rand des Gehölzes.
Das Schnauben von Tieren und Männerſtimmen wurden
hörbar. Wir lagen ſoeben hart neben einem dichten Buſch-
werke. Ich deutete auf dasſelbe und ſagte leiſe: „Verbirg
dich hier und erwarte mich, Halef.“
„Herr, ich verlaſſe dich nicht; ich folge dir!“
„Du würdeſt mich verraten. Das unhörbare Schleichen
iſt in einem Walde ſchwieriger als auf offenem Felde. Ich
habe dich nur mitgenommen, um mir den Rückzug zu decken.
Du bleibſt liegen, ſelbſt wenn du ſchießen hörſt. Wenn
ich dich rufe, ſo kommſt du ſo ſchnell wie möglich.“
„Und wenn du weder kommſt noch rufeſt?“
„So ſchleichſt du dich nach einer halben Stunde vor-
wärts, um zu ſehen, was mit mir geſchehen iſt.“
„Sihdi, wenn ſie dich töten, ſo ſchlage ich alle tot!“
Dieſe Verſicherung hörte ich noch, dann war ich fort;
aber noch hatte ich mich nicht ſehr weit von ihm entfernt,
ſo hörte ich eine laute, befehlende Stimme rufen:
„Et ateſch — brenne an, mache Feuer!“
Dieſe Stimme kam aus einer Entfernung von vielleicht
hundert Fuß. Ich konnte alſo unbeſorgt weiter kriechen.
Da vernahm ich das Praſſeln einer Flamme und bemerkte
zugleich einen lichten Schein, der ſich zwiſchen den Bäumen
faſt bis zu mir verbreitete. Das erſchwerte mir natürlich
mein Vorhaben bedeutend.
„Taſchlar ateſch tſchewreſinde — lege Steine um das
Feuer!“ befahl dieſelbe Stimme.
Dieſem Befehle wurde jedenfalls ſofort Folge geleiſtet,
denn der lichte Schein verſchwand, ſo daß ich nun beſſer
vorwärts konnte. Ich ſchlich mich von einem Stamme
zum andern und wartete hinter einem jeden, bis ich mich
überzeugt hatte, daß ich nicht bemerkt worden ſei. Glück-
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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