Werkzeug Gottes und der heiligen Jungfrau gewesen, mir ein Leben zu erhalten, welches mir teurer ist, als alles auf Erden. Reichtümer darf ich dir nicht bieten, denn du bist ein großer Emir, der da alles hat, was er braucht; aber sage mir, wie ich dir danken soll, Effendi!"
"Danke Gott anstatt mir, dann kommt dein Dank an die rechte Stelle; denn er ist es gewesen, der dein Enkelkind gerettet hat!"
"Ich werde es thun und auch für dich beten, Herr, und das Gebet eines Weibes, welches bereits nicht mehr der Erde angehört, wird Gott erhören. Wie lange bleibst du in Amadijah?"
"Nicht lange mehr."
"Und wohin gehest du?"
"Das soll niemand wissen, denn es wird vielleicht Gründe geben, es zu verschweigen. Euch aber kann ich sagen, daß ich nach Sonnenaufgang reiten werde."
"So gehest du nach derselben Gegend, nach welcher auch ich abreise, Herr. Mein Tier wartet meiner bereits vor dem Hause. Vielleicht sehen wir uns niemals wieder; dann nimm den Segen einer alten Frau, die dir nichts weiter geben darf, aber auch nichts Besseres geben kann! Aber ein Geheimnis will ich dir verraten, denn es kann dir vielleicht von Nutzen sein. Ueber den Osten von hier brechen böse Tage herein, und es ist möglich, daß du einen dieser Tage erlebst. Kommst du in Not und Gefahr an einer Stelle, welche zwischen Aschiehtah und Gunduktha, dem letzten Orte von Tkhoma, liegt, und es kann dir niemand helfen, so sage dem ersten, der dir begegnet, daß dich der Ruh 'i kulyan*) beschützen wird. Hört er dich nicht, so sage es weiter, bis du einen findest, der dir Auskunft giebt."
*) Kurdisch: Geist der Höhle.
Werkzeug Gottes und der heiligen Jungfrau geweſen, mir ein Leben zu erhalten, welches mir teurer iſt, als alles auf Erden. Reichtümer darf ich dir nicht bieten, denn du biſt ein großer Emir, der da alles hat, was er braucht; aber ſage mir, wie ich dir danken ſoll, Effendi!“
„Danke Gott anſtatt mir, dann kommt dein Dank an die rechte Stelle; denn er iſt es geweſen, der dein Enkelkind gerettet hat!“
„Ich werde es thun und auch für dich beten, Herr, und das Gebet eines Weibes, welches bereits nicht mehr der Erde angehört, wird Gott erhören. Wie lange bleibſt du in Amadijah?“
„Nicht lange mehr.“
„Und wohin geheſt du?“
„Das ſoll niemand wiſſen, denn es wird vielleicht Gründe geben, es zu verſchweigen. Euch aber kann ich ſagen, daß ich nach Sonnenaufgang reiten werde.“
„So geheſt du nach derſelben Gegend, nach welcher auch ich abreiſe, Herr. Mein Tier wartet meiner bereits vor dem Hauſe. Vielleicht ſehen wir uns niemals wieder; dann nimm den Segen einer alten Frau, die dir nichts weiter geben darf, aber auch nichts Beſſeres geben kann! Aber ein Geheimnis will ich dir verraten, denn es kann dir vielleicht von Nutzen ſein. Ueber den Oſten von hier brechen böſe Tage herein, und es iſt möglich, daß du einen dieſer Tage erlebſt. Kommſt du in Not und Gefahr an einer Stelle, welche zwiſchen Aſchiehtah und Gunduktha, dem letzten Orte von Tkhoma, liegt, und es kann dir niemand helfen, ſo ſage dem erſten, der dir begegnet, daß dich der Ruh 'i kulyan*) beſchützen wird. Hört er dich nicht, ſo ſage es weiter, bis du einen findeſt, der dir Auskunft giebt.“
*) Kurdiſch: Geiſt der Höhle.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0344"n="330"/>
Werkzeug Gottes und der heiligen Jungfrau geweſen, mir<lb/>
ein Leben zu erhalten, welches mir teurer iſt, als alles<lb/>
auf Erden. Reichtümer darf ich dir nicht bieten, denn du<lb/>
biſt ein großer Emir, der da alles hat, was er braucht;<lb/>
aber ſage mir, wie ich dir danken ſoll, Effendi!“</p><lb/><p>„Danke Gott anſtatt mir, dann kommt dein Dank<lb/>
an die rechte Stelle; denn er iſt es geweſen, der dein<lb/>
Enkelkind gerettet hat!“</p><lb/><p>„Ich werde es thun und auch für dich beten, Herr,<lb/>
und das Gebet eines Weibes, welches bereits nicht mehr<lb/>
der Erde angehört, wird Gott erhören. Wie lange bleibſt<lb/>
du in Amadijah?“</p><lb/><p>„Nicht lange mehr.“</p><lb/><p>„Und wohin geheſt du?“</p><lb/><p>„Das ſoll niemand wiſſen, denn es wird vielleicht<lb/>
Gründe geben, es zu verſchweigen. Euch aber kann ich<lb/>ſagen, daß ich nach Sonnenaufgang reiten werde.“</p><lb/><p>„So geheſt du nach derſelben Gegend, nach welcher<lb/>
auch ich abreiſe, Herr. Mein Tier wartet meiner bereits<lb/>
vor dem Hauſe. Vielleicht ſehen wir uns niemals wieder;<lb/>
dann nimm den Segen einer alten Frau, die dir nichts<lb/>
weiter geben darf, aber auch nichts Beſſeres geben kann!<lb/>
Aber ein Geheimnis will ich dir verraten, denn es kann<lb/>
dir vielleicht von Nutzen ſein. Ueber den Oſten von hier<lb/>
brechen böſe Tage herein, und es iſt möglich, daß du einen<lb/>
dieſer Tage erlebſt. Kommſt du in Not und Gefahr an<lb/>
einer Stelle, welche zwiſchen Aſchiehtah und Gunduktha,<lb/>
dem letzten Orte von Tkhoma, liegt, und es kann dir<lb/>
niemand helfen, ſo ſage dem erſten, der dir begegnet,<lb/>
daß dich der <hirendition="#g">Ruh</hi> 'i <hirendition="#g">kulyan</hi><noteplace="foot"n="*)">Kurdiſch: Geiſt der Höhle.</note> beſchützen wird. Hört<lb/>
er dich nicht, ſo ſage es weiter, bis du einen findeſt, der<lb/>
dir Auskunft giebt.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[330/0344]
Werkzeug Gottes und der heiligen Jungfrau geweſen, mir
ein Leben zu erhalten, welches mir teurer iſt, als alles
auf Erden. Reichtümer darf ich dir nicht bieten, denn du
biſt ein großer Emir, der da alles hat, was er braucht;
aber ſage mir, wie ich dir danken ſoll, Effendi!“
„Danke Gott anſtatt mir, dann kommt dein Dank
an die rechte Stelle; denn er iſt es geweſen, der dein
Enkelkind gerettet hat!“
„Ich werde es thun und auch für dich beten, Herr,
und das Gebet eines Weibes, welches bereits nicht mehr
der Erde angehört, wird Gott erhören. Wie lange bleibſt
du in Amadijah?“
„Nicht lange mehr.“
„Und wohin geheſt du?“
„Das ſoll niemand wiſſen, denn es wird vielleicht
Gründe geben, es zu verſchweigen. Euch aber kann ich
ſagen, daß ich nach Sonnenaufgang reiten werde.“
„So geheſt du nach derſelben Gegend, nach welcher
auch ich abreiſe, Herr. Mein Tier wartet meiner bereits
vor dem Hauſe. Vielleicht ſehen wir uns niemals wieder;
dann nimm den Segen einer alten Frau, die dir nichts
weiter geben darf, aber auch nichts Beſſeres geben kann!
Aber ein Geheimnis will ich dir verraten, denn es kann
dir vielleicht von Nutzen ſein. Ueber den Oſten von hier
brechen böſe Tage herein, und es iſt möglich, daß du einen
dieſer Tage erlebſt. Kommſt du in Not und Gefahr an
einer Stelle, welche zwiſchen Aſchiehtah und Gunduktha,
dem letzten Orte von Tkhoma, liegt, und es kann dir
niemand helfen, ſo ſage dem erſten, der dir begegnet,
daß dich der Ruh 'i kulyan *) beſchützen wird. Hört
er dich nicht, ſo ſage es weiter, bis du einen findeſt, der
dir Auskunft giebt.“
*) Kurdiſch: Geiſt der Höhle.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/344>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.