"Laß sie schlafen," bat ich. "Ich werde dir die Arznei bringen, und dann magst du dich zur Ruhe begeben, die du so nötig brauchst."
"Allah weiß es, daß ich sie verdient habe!"
Ich fand oben die Beteiligten alle in der Stube des Haddedihn versammelt. Sie brachten mir einen zu lauten Schwall von Worten entgegen, so daß ich Ruhe gebieten mußte. Ich befriedigte zunächst den Agha und überzeugte mich, daß er schlafen ging; dann kehrte ich zu ihnen zurück.
Amad el Ghandur hatte die neue Kleidung angelegt und war von seinem Vater rasiert und gereinigt worden. Nun bot er einen ganz andern Anblick dar, als vorher in der Zelle. Die Aehnlichkeit mit seinem Vater war ganz unverkennbar. Er hatte sich erhoben und trat mir entgegen.
"Emir, ich bin ein Beni Arab und kein plaudernder Grieche. Ich habe gehört, was du meinem Stamme und mir gethan. Mein Leben gehört dir, auch alles, was ich habe!"
Das war einfach gesprochen, aber es kam aus einem vollen Herzen.
"Noch bist du nicht in Sicherheit. Mein Diener wird dich in dein Versteck bringen," antwortete ich.
"Ich bin bereit. Wir warteten nur auf dich."
"Kannst du klettern?"
"Ja. Ich werde das Versteck erreichen, trotzdem ich schwach geworden bin."
"Hier hast du meinen Lasso. Wenn dir die Kräfte fehlen, so mag Hadschi Halef Omar voranklettern und dich ziehen. Hast du Waffen?"
"Dort liegen sie; der Vater hat sie mir gekauft. Hier hast du deinen Dolch. Ich danke dir!"
"Und Nahrung?"
„Laß ſie ſchlafen,“ bat ich. „Ich werde dir die Arznei bringen, und dann magſt du dich zur Ruhe begeben, die du ſo nötig brauchſt.“
„Allah weiß es, daß ich ſie verdient habe!“
Ich fand oben die Beteiligten alle in der Stube des Haddedihn verſammelt. Sie brachten mir einen zu lauten Schwall von Worten entgegen, ſo daß ich Ruhe gebieten mußte. Ich befriedigte zunächſt den Agha und überzeugte mich, daß er ſchlafen ging; dann kehrte ich zu ihnen zurück.
Amad el Ghandur hatte die neue Kleidung angelegt und war von ſeinem Vater raſiert und gereinigt worden. Nun bot er einen ganz andern Anblick dar, als vorher in der Zelle. Die Aehnlichkeit mit ſeinem Vater war ganz unverkennbar. Er hatte ſich erhoben und trat mir entgegen.
„Emir, ich bin ein Beni Arab und kein plaudernder Grieche. Ich habe gehört, was du meinem Stamme und mir gethan. Mein Leben gehört dir, auch alles, was ich habe!“
Das war einfach geſprochen, aber es kam aus einem vollen Herzen.
„Noch biſt du nicht in Sicherheit. Mein Diener wird dich in dein Verſteck bringen,“ antwortete ich.
„Ich bin bereit. Wir warteten nur auf dich.“
„Kannſt du klettern?“
„Ja. Ich werde das Verſteck erreichen, trotzdem ich ſchwach geworden bin.“
„Hier haſt du meinen Laſſo. Wenn dir die Kräfte fehlen, ſo mag Hadſchi Halef Omar voranklettern und dich ziehen. Haſt du Waffen?“
„Dort liegen ſie; der Vater hat ſie mir gekauft. Hier haſt du deinen Dolch. Ich danke dir!“
„Und Nahrung?“
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„Laß ſie ſchlafen,“ bat ich. „Ich werde dir die Arznei
bringen, und dann magſt du dich zur Ruhe begeben, die
du ſo nötig brauchſt.“
„Allah weiß es, daß ich ſie verdient habe!“
Ich fand oben die Beteiligten alle in der Stube des
Haddedihn verſammelt. Sie brachten mir einen zu lauten
Schwall von Worten entgegen, ſo daß ich Ruhe gebieten
mußte. Ich befriedigte zunächſt den Agha und überzeugte
mich, daß er ſchlafen ging; dann kehrte ich zu ihnen zurück.
Amad el Ghandur hatte die neue Kleidung angelegt
und war von ſeinem Vater raſiert und gereinigt worden.
Nun bot er einen ganz andern Anblick dar, als vorher
in der Zelle. Die Aehnlichkeit mit ſeinem Vater war
ganz unverkennbar. Er hatte ſich erhoben und trat mir
entgegen.
„Emir, ich bin ein Beni Arab und kein plaudernder
Grieche. Ich habe gehört, was du meinem Stamme und
mir gethan. Mein Leben gehört dir, auch alles, was ich
habe!“
Das war einfach geſprochen, aber es kam aus einem
vollen Herzen.
„Noch biſt du nicht in Sicherheit. Mein Diener
wird dich in dein Verſteck bringen,“ antwortete ich.
„Ich bin bereit. Wir warteten nur auf dich.“
„Kannſt du klettern?“
„Ja. Ich werde das Verſteck erreichen, trotzdem ich
ſchwach geworden bin.“
„Hier haſt du meinen Laſſo. Wenn dir die Kräfte
fehlen, ſo mag Hadſchi Halef Omar voranklettern und
dich ziehen. Haſt du Waffen?“
„Dort liegen ſie; der Vater hat ſie mir gekauft. Hier
haſt du deinen Dolch. Ich danke dir!“
„Und Nahrung?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/338>, abgerufen am 26.11.2024.
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