"Nein. Ich hole es aus deiner Stube. Aber der Baschi-Bozuk darf nichts wissen. Gieb ihm dieses Bak- schisch. Er mag ausgehen und so lange bleiben, als es ihm beliebt. Er kann ja zur Wache gehen, um sich dem Basch Tschausch zu zeigen, mit dem er morgen reisen wird. So werden wir ihn los!"
Als ich wieder eintrat, reichte der Agha dem Kom- mandanten grad den Schlüssel hin. Dieser steckte ihn in seinen Gürtel und sagte zu mir:
"Weißt du, daß der Makredsch widersetzlich ge- wesen ist?"
"Ja. Er hat erst den Agha bestechen wollen und ihm dann gar nach dem Leben getrachtet."
"Er wird es büßen!"
"Und," fügte Selim bei, "als ich ihn aufforderte, seine Taschen zu leeren, that er es nicht."
"Was hatte er darin?"
"Viel Geld!"
"Emir, wem gehört dieses Geld?" fragte mich der Kommandant lauernd.
"Du hast es in Empfang zu nehmen."
"Das ist richtig. Laß uns gehen!"
"Mutesselim, du willst mich verlassen?" fragte ich. "Willst du mich beleidigen?"
"Ich bin dein Besuch, aber nicht dein Gast!"
"Ich habe nicht gewußt, daß du kommst. Erlaube mir, dir eine Pfeife zu stopfen, wie man sie hier selten raucht."
Eben trat Halef ein und brachte den Tabak; es war Master Lindsays Sorte; der Kommandant fand sie sicher gut. Uebrigens war ich sehr fest entschlossen, daß er ohne meinen Willen meine Stube nicht verlassen solle. Doch, es kam glücklicherweise nicht zum Aeußersten, denn er
„Nein. Ich hole es aus deiner Stube. Aber der Baſchi-Bozuk darf nichts wiſſen. Gieb ihm dieſes Bak- ſchiſch. Er mag ausgehen und ſo lange bleiben, als es ihm beliebt. Er kann ja zur Wache gehen, um ſich dem Baſch Tſchauſch zu zeigen, mit dem er morgen reiſen wird. So werden wir ihn los!“
Als ich wieder eintrat, reichte der Agha dem Kom- mandanten grad den Schlüſſel hin. Dieſer ſteckte ihn in ſeinen Gürtel und ſagte zu mir:
„Weißt du, daß der Makredſch widerſetzlich ge- weſen iſt?“
„Ja. Er hat erſt den Agha beſtechen wollen und ihm dann gar nach dem Leben getrachtet.“
„Er wird es büßen!“
„Und,“ fügte Selim bei, „als ich ihn aufforderte, ſeine Taſchen zu leeren, that er es nicht.“
„Was hatte er darin?“
„Viel Geld!“
„Emir, wem gehört dieſes Geld?“ fragte mich der Kommandant lauernd.
„Du haſt es in Empfang zu nehmen.“
„Das iſt richtig. Laß uns gehen!“
„Muteſſelim, du willſt mich verlaſſen?“ fragte ich. „Willſt du mich beleidigen?“
„Ich bin dein Beſuch, aber nicht dein Gaſt!“
„Ich habe nicht gewußt, daß du kommſt. Erlaube mir, dir eine Pfeife zu ſtopfen, wie man ſie hier ſelten raucht.“
Eben trat Halef ein und brachte den Tabak; es war Maſter Lindſays Sorte; der Kommandant fand ſie ſicher gut. Uebrigens war ich ſehr feſt entſchloſſen, daß er ohne meinen Willen meine Stube nicht verlaſſen ſolle. Doch, es kam glücklicherweiſe nicht zum Aeußerſten, denn er
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„Nein. Ich hole es aus deiner Stube. Aber der
Baſchi-Bozuk darf nichts wiſſen. Gieb ihm dieſes Bak-
ſchiſch. Er mag ausgehen und ſo lange bleiben, als es
ihm beliebt. Er kann ja zur Wache gehen, um ſich dem
Baſch Tſchauſch zu zeigen, mit dem er morgen reiſen wird.
So werden wir ihn los!“
Als ich wieder eintrat, reichte der Agha dem Kom-
mandanten grad den Schlüſſel hin. Dieſer ſteckte ihn in
ſeinen Gürtel und ſagte zu mir:
„Weißt du, daß der Makredſch widerſetzlich ge-
weſen iſt?“
„Ja. Er hat erſt den Agha beſtechen wollen und
ihm dann gar nach dem Leben getrachtet.“
„Er wird es büßen!“
„Und,“ fügte Selim bei, „als ich ihn aufforderte,
ſeine Taſchen zu leeren, that er es nicht.“
„Was hatte er darin?“
„Viel Geld!“
„Emir, wem gehört dieſes Geld?“ fragte mich der
Kommandant lauernd.
„Du haſt es in Empfang zu nehmen.“
„Das iſt richtig. Laß uns gehen!“
„Muteſſelim, du willſt mich verlaſſen?“ fragte ich.
„Willſt du mich beleidigen?“
„Ich bin dein Beſuch, aber nicht dein Gaſt!“
„Ich habe nicht gewußt, daß du kommſt. Erlaube
mir, dir eine Pfeife zu ſtopfen, wie man ſie hier ſelten
raucht.“
Eben trat Halef ein und brachte den Tabak; es war
Maſter Lindſays Sorte; der Kommandant fand ſie ſicher
gut. Uebrigens war ich ſehr feſt entſchloſſen, daß er ohne
meinen Willen meine Stube nicht verlaſſen ſolle. Doch,
es kam glücklicherweiſe nicht zum Aeußerſten, denn er
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/312>, abgerufen am 24.11.2024.
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