Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Du allerdings nicht, Mutesselim!"

"Herr, verzeihe mir! Ich wußte ja von diesen
Dingen nichts."

"Gewiß hat der Arnaute den Makredsch vorher ge-
troffen und sich mit ihm verständigt, sonst hätte er es
nicht gewagt, gegen uns aufzutreten, da wir doch Grund
hatten, ihn bestrafen zu lassen."

"Er soll auf keinen Menschen wieder schießen! Er-
laube, daß ich dir eine Pfeife reiche!"

Er ließ noch ein Nargileh kommen und setzte es mit
eigener Hand in Brand; dann meinte er in beinahe unter-
würfigem Tone:

"Emir, glaubst du, daß es mein Ernst war?"

"Was?"

"Daß ich Geld von dir nehmen wollte?"

"Ja."

"Herr, du irrst! Ich fügte mich in den Willen des
Makredsch und hätte dir meinen Teil zurückgegeben."

"Aber entfliehen hätte ich dürfen?"

"Ja. Du siehst, daß ich dein Bestes wollte!"

"Das durftest du nicht, wenn die Anklage gegen mich
begründet war."

"Wirst du weiter daran denken?"

"Nein, wenn du machest, daß ich es vergessen kann."

"Du sollst nicht wieder daran denken, Emir. Du
sollst es vergessen, wie du bereits ein anderes vergessen
hast."

"Was?"

"Die Arznei."

"Ja, Mutesselim, die habe ich allerdings vergessen;
aber du sollst sie noch heute erhalten; das verspreche ich
dir!"

Da kam einer der Diener herein.

„Du allerdings nicht, Muteſſelim!“

„Herr, verzeihe mir! Ich wußte ja von dieſen
Dingen nichts.“

„Gewiß hat der Arnaute den Makredſch vorher ge-
troffen und ſich mit ihm verſtändigt, ſonſt hätte er es
nicht gewagt, gegen uns aufzutreten, da wir doch Grund
hatten, ihn beſtrafen zu laſſen.“

„Er ſoll auf keinen Menſchen wieder ſchießen! Er-
laube, daß ich dir eine Pfeife reiche!“

Er ließ noch ein Nargileh kommen und ſetzte es mit
eigener Hand in Brand; dann meinte er in beinahe unter-
würfigem Tone:

„Emir, glaubſt du, daß es mein Ernſt war?“

„Was?“

„Daß ich Geld von dir nehmen wollte?“

„Ja.“

„Herr, du irrſt! Ich fügte mich in den Willen des
Makredſch und hätte dir meinen Teil zurückgegeben.“

„Aber entfliehen hätte ich dürfen?“

„Ja. Du ſiehſt, daß ich dein Beſtes wollte!“

„Das durfteſt du nicht, wenn die Anklage gegen mich
begründet war.“

„Wirſt du weiter daran denken?“

„Nein, wenn du macheſt, daß ich es vergeſſen kann.“

„Du ſollſt nicht wieder daran denken, Emir. Du
ſollſt es vergeſſen, wie du bereits ein anderes vergeſſen
haſt.“

„Was?“

„Die Arznei.“

„Ja, Muteſſelim, die habe ich allerdings vergeſſen;
aber du ſollſt ſie noch heute erhalten; das verſpreche ich
dir!“

Da kam einer der Diener herein.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0302" n="288"/>
        <p>&#x201E;Du allerdings nicht, Mute&#x017F;&#x017F;elim!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr, verzeihe mir! Ich wußte ja von die&#x017F;en<lb/>
Dingen nichts.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Gewiß hat der Arnaute den Makred&#x017F;ch vorher ge-<lb/>
troffen und &#x017F;ich mit ihm ver&#x017F;tändigt, &#x017F;on&#x017F;t hätte er es<lb/>
nicht gewagt, gegen uns aufzutreten, da wir doch Grund<lb/>
hatten, ihn be&#x017F;trafen zu la&#x017F;&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Er &#x017F;oll auf keinen Men&#x017F;chen wieder &#x017F;chießen! Er-<lb/>
laube, daß ich dir eine Pfeife reiche!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Er ließ noch ein Nargileh kommen und &#x017F;etzte es mit<lb/>
eigener Hand in Brand; dann meinte er in beinahe unter-<lb/>
würfigem Tone:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Emir, glaub&#x017F;t du, daß es mein Ern&#x017F;t war?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Daß ich Geld von dir nehmen wollte?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr, du irr&#x017F;t! Ich fügte mich in den Willen des<lb/>
Makred&#x017F;ch und hätte dir meinen Teil zurückgegeben.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber entfliehen hätte ich dürfen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja. Du &#x017F;ieh&#x017F;t, daß ich dein Be&#x017F;tes wollte!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das durfte&#x017F;t du nicht, wenn die Anklage gegen mich<lb/>
begründet war.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir&#x017F;t du weiter daran denken?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein, wenn du mache&#x017F;t, daß ich es verge&#x017F;&#x017F;en kann.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du &#x017F;oll&#x017F;t nicht wieder daran denken, Emir. Du<lb/>
&#x017F;oll&#x017F;t es verge&#x017F;&#x017F;en, wie du bereits ein anderes verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ha&#x017F;t.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Die Arznei.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Mute&#x017F;&#x017F;elim, die habe ich allerdings verge&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
aber du &#x017F;oll&#x017F;t &#x017F;ie noch heute erhalten; das ver&#x017F;preche ich<lb/>
dir!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da kam einer der Diener herein.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0302] „Du allerdings nicht, Muteſſelim!“ „Herr, verzeihe mir! Ich wußte ja von dieſen Dingen nichts.“ „Gewiß hat der Arnaute den Makredſch vorher ge- troffen und ſich mit ihm verſtändigt, ſonſt hätte er es nicht gewagt, gegen uns aufzutreten, da wir doch Grund hatten, ihn beſtrafen zu laſſen.“ „Er ſoll auf keinen Menſchen wieder ſchießen! Er- laube, daß ich dir eine Pfeife reiche!“ Er ließ noch ein Nargileh kommen und ſetzte es mit eigener Hand in Brand; dann meinte er in beinahe unter- würfigem Tone: „Emir, glaubſt du, daß es mein Ernſt war?“ „Was?“ „Daß ich Geld von dir nehmen wollte?“ „Ja.“ „Herr, du irrſt! Ich fügte mich in den Willen des Makredſch und hätte dir meinen Teil zurückgegeben.“ „Aber entfliehen hätte ich dürfen?“ „Ja. Du ſiehſt, daß ich dein Beſtes wollte!“ „Das durfteſt du nicht, wenn die Anklage gegen mich begründet war.“ „Wirſt du weiter daran denken?“ „Nein, wenn du macheſt, daß ich es vergeſſen kann.“ „Du ſollſt nicht wieder daran denken, Emir. Du ſollſt es vergeſſen, wie du bereits ein anderes vergeſſen haſt.“ „Was?“ „Die Arznei.“ „Ja, Muteſſelim, die habe ich allerdings vergeſſen; aber du ſollſt ſie noch heute erhalten; das verſpreche ich dir!“ Da kam einer der Diener herein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/302
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/302>, abgerufen am 17.05.2024.