"Ah, das ist ja sehr interessant, Selim Agha! So ist wohl bereits eines deiner Löcher für mich in Bereitschaft gesetzt worden?"
"Ja du kommst neben dem Araber zu liegen, und ich mußte einige Strohdecken hineinthun lassen; denn der Mutesselim sagte, du seist ein Emir und solltest feiner behandelt werden, als die andern Spitzbuben!"
"Für diese Rücksicht bin ich ihm wirklich sehr großen Dank schuldig. Sollen meine Gefährten auch eingesteckt werden?"
"Ja, aber ich habe über sie noch keine weiteren Befehle."
"Was sagt die ,Myrte' dazu?"
"Ich habe es ihr gesagt. Sie sitzt in der Küche und weint sich die Augen aus."
"Die Gute! Aber du sprachst von einem Arnauten?"
"Ja. Er war da, noch ehe der Makredsch kam, und hat mit dem Mutesselim lange Zeit gesprochen. Dann wurde ich gerufen und gefragt."
"Wonach?"
"Danach, ob der schwarzrote Effendi auch in der Wohnung kein Wort rede."
"Was hast du geantwortet?"
"Ich sagte die Wahrheit. Ich habe den Effendi noch keine Silbe reden hören."
"So komm. Wir wollen gehen!"
"Herr, ich soll dich bringen, das ist wahr; aber ich habe dich lieb. Willst du nicht lieber entfliehen?"
Dieser brave Arnaute war wirklich mein Freund.
"Nein, ich fliehe nicht, Agha; denn ich habe keine Veranlassung, mich vor dem Mutesselim oder dem Ma- kredsch zu fürchten. Aber ich werde dich bitten, außer mir noch einen mitzunehmen."
"Wen?"
„Ah, das iſt ja ſehr intereſſant, Selim Agha! So iſt wohl bereits eines deiner Löcher für mich in Bereitſchaft geſetzt worden?“
„Ja du kommſt neben dem Araber zu liegen, und ich mußte einige Strohdecken hineinthun laſſen; denn der Muteſſelim ſagte, du ſeiſt ein Emir und ſollteſt feiner behandelt werden, als die andern Spitzbuben!“
„Für dieſe Rückſicht bin ich ihm wirklich ſehr großen Dank ſchuldig. Sollen meine Gefährten auch eingeſteckt werden?“
„Ja, aber ich habe über ſie noch keine weiteren Befehle.“
„Was ſagt die ‚Myrte‘ dazu?“
„Ich habe es ihr geſagt. Sie ſitzt in der Küche und weint ſich die Augen aus.“
„Die Gute! Aber du ſprachſt von einem Arnauten?“
„Ja. Er war da, noch ehe der Makredſch kam, und hat mit dem Muteſſelim lange Zeit geſprochen. Dann wurde ich gerufen und gefragt.“
„Wonach?“
„Danach, ob der ſchwarzrote Effendi auch in der Wohnung kein Wort rede.“
„Was haſt du geantwortet?“
„Ich ſagte die Wahrheit. Ich habe den Effendi noch keine Silbe reden hören.“
„So komm. Wir wollen gehen!“
„Herr, ich ſoll dich bringen, das iſt wahr; aber ich habe dich lieb. Willſt du nicht lieber entfliehen?“
Dieſer brave Arnaute war wirklich mein Freund.
„Nein, ich fliehe nicht, Agha; denn ich habe keine Veranlaſſung, mich vor dem Muteſſelim oder dem Ma- kredſch zu fürchten. Aber ich werde dich bitten, außer mir noch einen mitzunehmen.“
„Wen?“
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„Ah, das iſt ja ſehr intereſſant, Selim Agha! So iſt
wohl bereits eines deiner Löcher für mich in Bereitſchaft
geſetzt worden?“
„Ja du kommſt neben dem Araber zu liegen, und
ich mußte einige Strohdecken hineinthun laſſen; denn der
Muteſſelim ſagte, du ſeiſt ein Emir und ſollteſt feiner
behandelt werden, als die andern Spitzbuben!“
„Für dieſe Rückſicht bin ich ihm wirklich ſehr großen
Dank ſchuldig. Sollen meine Gefährten auch eingeſteckt
werden?“
„Ja, aber ich habe über ſie noch keine weiteren Befehle.“
„Was ſagt die ‚Myrte‘ dazu?“
„Ich habe es ihr geſagt. Sie ſitzt in der Küche und
weint ſich die Augen aus.“
„Die Gute! Aber du ſprachſt von einem Arnauten?“
„Ja. Er war da, noch ehe der Makredſch kam, und
hat mit dem Muteſſelim lange Zeit geſprochen. Dann
wurde ich gerufen und gefragt.“
„Wonach?“
„Danach, ob der ſchwarzrote Effendi auch in der
Wohnung kein Wort rede.“
„Was haſt du geantwortet?“
„Ich ſagte die Wahrheit. Ich habe den Effendi
noch keine Silbe reden hören.“
„So komm. Wir wollen gehen!“
„Herr, ich ſoll dich bringen, das iſt wahr; aber ich
habe dich lieb. Willſt du nicht lieber entfliehen?“
Dieſer brave Arnaute war wirklich mein Freund.
„Nein, ich fliehe nicht, Agha; denn ich habe keine
Veranlaſſung, mich vor dem Muteſſelim oder dem Ma-
kredſch zu fürchten. Aber ich werde dich bitten, außer
mir noch einen mitzunehmen.“
„Wen?“
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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