legenheit, Sir; denn gleich hinter Amadijah hört das Gebiet der Türken auf, und es beginnen diejenigen Länder, welche von Kurden bewohnt werden, die der Pforte nur dem Namen nach unterworfen oder tributpflichtig sind. Dort gewähren uns unsere Pässe nicht die mindeste Sicher- heit; ja, es kann sehr leicht der Fall sein, daß wir feind- selig behandelt werden, grad deshalb, weil wir die Em- pfehlung der Türken und der Konsuln besitzen."
"Dann nicht vorzeigen!"
"Allerdings. Diese halbwilden gewaltthätigen Horden macht man sich am besten geneigt, wenn man sich ihrer Gastfreundschaft mit Vertrauen überläßt. Ein Araber kann noch Hintergedanken haben, wenn er einen Fremden in sein Zelt aufnimmt; ein Kurde aber nie. Und sollte dies ja einmal der Fall sein, und sollte es keine andere Möglichkeit der Rettung geben, so begiebt man sich in den Schutz der Frauen; dann ist man sicher geborgen."
"Well, werde mich beschützen lassen von den Frauen! Prachtvoll! Sehr guter Gedanke, Master!"
Nach vielleicht einer Stunde kehrte Halef zurück. Er versicherte, das Versteck nun selbst bei Nacht ohne Irrung auffinden zu können, sobald es ihm nur erst gelungen sei, aus der Stadt zu kommen. Der Zweck unsers Spazier- rittes war somit erreicht, und wir kehrten nach Amadijah zurück. Dort richtete ich es so ein, daß wir an der be- schädigten Mauerstelle vorüberkamen.
"Das ist der Ort, den ich meine, Halef. Wenn du nachher ausgehest, so magst du diese Bresche einmal genau untersuchen, aber so, daß es nicht auffällt."
"Das werde ich baldigst thun müssen, Sihdi," ant- wortete er; " denn es wird sehr bald Abend werden."
Der Tag war, als wir unsere Wohnung erreichten, allerdings schon weit vorgeschritten. Ich bekam keine Zeit,
legenheit, Sir; denn gleich hinter Amadijah hört das Gebiet der Türken auf, und es beginnen diejenigen Länder, welche von Kurden bewohnt werden, die der Pforte nur dem Namen nach unterworfen oder tributpflichtig ſind. Dort gewähren uns unſere Päſſe nicht die mindeſte Sicher- heit; ja, es kann ſehr leicht der Fall ſein, daß wir feind- ſelig behandelt werden, grad deshalb, weil wir die Em- pfehlung der Türken und der Konſuln beſitzen.“
„Dann nicht vorzeigen!“
„Allerdings. Dieſe halbwilden gewaltthätigen Horden macht man ſich am beſten geneigt, wenn man ſich ihrer Gaſtfreundſchaft mit Vertrauen überläßt. Ein Araber kann noch Hintergedanken haben, wenn er einen Fremden in ſein Zelt aufnimmt; ein Kurde aber nie. Und ſollte dies ja einmal der Fall ſein, und ſollte es keine andere Möglichkeit der Rettung geben, ſo begiebt man ſich in den Schutz der Frauen; dann iſt man ſicher geborgen.“
„Well, werde mich beſchützen laſſen von den Frauen! Prachtvoll! Sehr guter Gedanke, Maſter!“
Nach vielleicht einer Stunde kehrte Halef zurück. Er verſicherte, das Verſteck nun ſelbſt bei Nacht ohne Irrung auffinden zu können, ſobald es ihm nur erſt gelungen ſei, aus der Stadt zu kommen. Der Zweck unſers Spazier- rittes war ſomit erreicht, und wir kehrten nach Amadijah zurück. Dort richtete ich es ſo ein, daß wir an der be- ſchädigten Mauerſtelle vorüberkamen.
„Das iſt der Ort, den ich meine, Halef. Wenn du nachher ausgeheſt, ſo magſt du dieſe Breſche einmal genau unterſuchen, aber ſo, daß es nicht auffällt.“
„Das werde ich baldigſt thun müſſen, Sihdi,“ ant- wortete er; „ denn es wird ſehr bald Abend werden.“
Der Tag war, als wir unſere Wohnung erreichten, allerdings ſchon weit vorgeſchritten. Ich bekam keine Zeit,
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legenheit, Sir; denn gleich hinter Amadijah hört das
Gebiet der Türken auf, und es beginnen diejenigen Länder,
welche von Kurden bewohnt werden, die der Pforte nur
dem Namen nach unterworfen oder tributpflichtig ſind.
Dort gewähren uns unſere Päſſe nicht die mindeſte Sicher-
heit; ja, es kann ſehr leicht der Fall ſein, daß wir feind-
ſelig behandelt werden, grad deshalb, weil wir die Em-
pfehlung der Türken und der Konſuln beſitzen.“
„Dann nicht vorzeigen!“
„Allerdings. Dieſe halbwilden gewaltthätigen Horden
macht man ſich am beſten geneigt, wenn man ſich ihrer
Gaſtfreundſchaft mit Vertrauen überläßt. Ein Araber
kann noch Hintergedanken haben, wenn er einen Fremden
in ſein Zelt aufnimmt; ein Kurde aber nie. Und ſollte
dies ja einmal der Fall ſein, und ſollte es keine andere
Möglichkeit der Rettung geben, ſo begiebt man ſich in
den Schutz der Frauen; dann iſt man ſicher geborgen.“
„Well, werde mich beſchützen laſſen von den Frauen!
Prachtvoll! Sehr guter Gedanke, Maſter!“
Nach vielleicht einer Stunde kehrte Halef zurück. Er
verſicherte, das Verſteck nun ſelbſt bei Nacht ohne Irrung
auffinden zu können, ſobald es ihm nur erſt gelungen ſei,
aus der Stadt zu kommen. Der Zweck unſers Spazier-
rittes war ſomit erreicht, und wir kehrten nach Amadijah
zurück. Dort richtete ich es ſo ein, daß wir an der be-
ſchädigten Mauerſtelle vorüberkamen.
„Das iſt der Ort, den ich meine, Halef. Wenn du
nachher ausgeheſt, ſo magſt du dieſe Breſche einmal genau
unterſuchen, aber ſo, daß es nicht auffällt.“
„Das werde ich baldigſt thun müſſen, Sihdi,“ ant-
wortete er; „ denn es wird ſehr bald Abend werden.“
Der Tag war, als wir unſere Wohnung erreichten,
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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