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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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nach Mossul zu transportieren, sobald er sich auf dessen
Gebiete sehen lasse. Beide waren mit der Unterschrift
und dem großen Siegel des Kasi Askerie versehen.

"Diese Papiere sind mir allerdings sehr wichtig. Wie
lange kann ich sie behalten?"

"Sie sind ganz dein."

"Also vorgestern abend ist der Makredsch in Mun-
gayschi gewesen?"

"Ja."

"So könnte er heute hier ankommen, und ich brauche
diese Schreiben bloß für diesen Tag. Kannst du so lange
warten?"

"Ich warte so lange, wie du befiehlst, Emir!"

"So gehe jetzt zwei Thüren weiter! Dort wirst du
Bekannte treffen, nämlich Hadschi Halef und den Buluk
Emini."

Die Nachricht, daß der Makredsch nach Amadijah
kommen könne, hatte mich zunächst mit Besorgnis erfüllt;
sobald ich mich aber in dem Besitze der beiden Schrift-
stücke sah, mußte diese Besorgnis schwinden, und ich konnte
seinem Kommen mit Ruhe entgegensehen. Ja, ich glaubte
bereits, daß die Kunde von der Absetzung des Mutessarif
eine Freilassung des gefangenen Haddedihn zur Folge
haben könne, kam aber von dem Gedanken zurück, als ich
las, daß die Feindseligkeiten gegen die Araber nicht als
eine Privatsache des Mutessarif, sondern auf Befehl der
Pforte unternommen seien.

Am Nachmittage trat die ,Myrte' in meine Stube.

"Effendi, willst du mit in das Gefängnis?"

Das kam mir erwünscht, aber ich mußte doch erst
mit Mohammed Emin reden. Darum sagte ich:

"Ich habe jetzt keine Zeit."

"Du hast es mir aber doch versprochen und auch ge-

II. 17

nach Moſſul zu transportieren, ſobald er ſich auf deſſen
Gebiete ſehen laſſe. Beide waren mit der Unterſchrift
und dem großen Siegel des Kaſi Askerie verſehen.

„Dieſe Papiere ſind mir allerdings ſehr wichtig. Wie
lange kann ich ſie behalten?“

„Sie ſind ganz dein.“

„Alſo vorgeſtern abend iſt der Makredſch in Mun-
gayſchi geweſen?“

„Ja.“

„So könnte er heute hier ankommen, und ich brauche
dieſe Schreiben bloß für dieſen Tag. Kannſt du ſo lange
warten?“

„Ich warte ſo lange, wie du befiehlſt, Emir!“

„So gehe jetzt zwei Thüren weiter! Dort wirſt du
Bekannte treffen, nämlich Hadſchi Halef und den Buluk
Emini.“

Die Nachricht, daß der Makredſch nach Amadijah
kommen könne, hatte mich zunächſt mit Beſorgnis erfüllt;
ſobald ich mich aber in dem Beſitze der beiden Schrift-
ſtücke ſah, mußte dieſe Beſorgnis ſchwinden, und ich konnte
ſeinem Kommen mit Ruhe entgegenſehen. Ja, ich glaubte
bereits, daß die Kunde von der Abſetzung des Muteſſarif
eine Freilaſſung des gefangenen Haddedihn zur Folge
haben könne, kam aber von dem Gedanken zurück, als ich
las, daß die Feindſeligkeiten gegen die Araber nicht als
eine Privatſache des Muteſſarif, ſondern auf Befehl der
Pforte unternommen ſeien.

Am Nachmittage trat die ‚Myrte‘ in meine Stube.

„Effendi, willſt du mit in das Gefängnis?“

Das kam mir erwünſcht, aber ich mußte doch erſt
mit Mohammed Emin reden. Darum ſagte ich:

„Ich habe jetzt keine Zeit.“

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II. 17
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[257/0271] nach Moſſul zu transportieren, ſobald er ſich auf deſſen Gebiete ſehen laſſe. Beide waren mit der Unterſchrift und dem großen Siegel des Kaſi Askerie verſehen. „Dieſe Papiere ſind mir allerdings ſehr wichtig. Wie lange kann ich ſie behalten?“ „Sie ſind ganz dein.“ „Alſo vorgeſtern abend iſt der Makredſch in Mun- gayſchi geweſen?“ „Ja.“ „So könnte er heute hier ankommen, und ich brauche dieſe Schreiben bloß für dieſen Tag. Kannſt du ſo lange warten?“ „Ich warte ſo lange, wie du befiehlſt, Emir!“ „So gehe jetzt zwei Thüren weiter! Dort wirſt du Bekannte treffen, nämlich Hadſchi Halef und den Buluk Emini.“ Die Nachricht, daß der Makredſch nach Amadijah kommen könne, hatte mich zunächſt mit Beſorgnis erfüllt; ſobald ich mich aber in dem Beſitze der beiden Schrift- ſtücke ſah, mußte dieſe Beſorgnis ſchwinden, und ich konnte ſeinem Kommen mit Ruhe entgegenſehen. Ja, ich glaubte bereits, daß die Kunde von der Abſetzung des Muteſſarif eine Freilaſſung des gefangenen Haddedihn zur Folge haben könne, kam aber von dem Gedanken zurück, als ich las, daß die Feindſeligkeiten gegen die Araber nicht als eine Privatſache des Muteſſarif, ſondern auf Befehl der Pforte unternommen ſeien. Am Nachmittage trat die ‚Myrte‘ in meine Stube. „Effendi, willſt du mit in das Gefängnis?“ Das kam mir erwünſcht, aber ich mußte doch erſt mit Mohammed Emin reden. Darum ſagte ich: „Ich habe jetzt keine Zeit.“ „Du haſt es mir aber doch verſprochen und auch ge- II. 17

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/271>, abgerufen am 17.05.2024.