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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

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Kinder, welche nicht die Kraft besaßen, durch die dichte
Menge zu dringen. Und dabei herrschte ein Jubel, eine
Freude, die gar nichts Anstößiges hatte.

Auch das Heiligtum wurde illuminiert. In jede der
zahlreichen Mauernischen kam eine Lampe zu stehen, und
über die Höfe hinweg zogen sich lange Guirlanden von
Lampen und Flammen. Jeder Zweig der dort befindlichen
Bäume schien der Arm eines riesigen Leuchters zu sein,
und Hunderte von Lichtern liefen an den beiden Türmen
bis zu den Spitzen derselben empor, zwei riesige Giran-
dolen bildend, deren Anblick ein zauberischer war.

Die Priester hatten jetzt, zwei Reihen bildend, im
inneren Hofe Platz genommen. Auf der einen Seite saßen
die Scheiks in ihren weißen Anzügen und ihnen gegenüber
die Kawals. Diese letzteren hatten Instrumente in der
Hand, abwechselnd je einer eine Flöte und der andere ein
Tamburin. Ich saß mit Ali Bey unter der Rebenlaube.
Wo Mir Scheik Khan war, konnte ich nicht bemerken.

Da ertönte aus dem Innern des Grabes ein Ruf,
und die Kawals erhoben ihre Instrumente. Die Flöten
begannen eine langsame, klagende Melodie zu spielen, wozu
ein leiser Schlag auf das Tamburin den Takt angab.
Dann folgte plötzlich ein lang ausgehaltener viertöniger
Akkord; ich glaube, es war ein Terzquartsextakkord, zu
welchem auf den Tamburins mit den Fingerspitzen ge-
trillert wurde, erst pianissimo, dann piano, stärker, immer
stärker bis zum Fortissimo, und dann fielen die Flöten
in ein zweistimmiges Tonstück ein, für welches keiner
unserer musikalischen Namen paßt, dessen Wirkung aber
doch eine sehr angenehme und befriedigende war.

Am Schlusse dieses Stückes trat Mir Scheik Khan
aus dem Innern des Gebäudes heraus. Zwei Scheiks be-
gleiteten ihn. Der eine trug ein hölzernes Gestell vor ihm

Kinder, welche nicht die Kraft beſaßen, durch die dichte
Menge zu dringen. Und dabei herrſchte ein Jubel, eine
Freude, die gar nichts Anſtößiges hatte.

Auch das Heiligtum wurde illuminiert. In jede der
zahlreichen Mauerniſchen kam eine Lampe zu ſtehen, und
über die Höfe hinweg zogen ſich lange Guirlanden von
Lampen und Flammen. Jeder Zweig der dort befindlichen
Bäume ſchien der Arm eines rieſigen Leuchters zu ſein,
und Hunderte von Lichtern liefen an den beiden Türmen
bis zu den Spitzen derſelben empor, zwei rieſige Giran-
dolen bildend, deren Anblick ein zauberiſcher war.

Die Prieſter hatten jetzt, zwei Reihen bildend, im
inneren Hofe Platz genommen. Auf der einen Seite ſaßen
die Scheiks in ihren weißen Anzügen und ihnen gegenüber
die Kawals. Dieſe letzteren hatten Inſtrumente in der
Hand, abwechſelnd je einer eine Flöte und der andere ein
Tamburin. Ich ſaß mit Ali Bey unter der Rebenlaube.
Wo Mir Scheik Khan war, konnte ich nicht bemerken.

Da ertönte aus dem Innern des Grabes ein Ruf,
und die Kawals erhoben ihre Inſtrumente. Die Flöten
begannen eine langſame, klagende Melodie zu ſpielen, wozu
ein leiſer Schlag auf das Tamburin den Takt angab.
Dann folgte plötzlich ein lang ausgehaltener viertöniger
Akkord; ich glaube, es war ein Terzquartſextakkord, zu
welchem auf den Tamburins mit den Fingerſpitzen ge-
trillert wurde, erſt pianiſſimo, dann piano, ſtärker, immer
ſtärker bis zum Fortiſſimo, und dann fielen die Flöten
in ein zweiſtimmiges Tonſtück ein, für welches keiner
unſerer muſikaliſchen Namen paßt, deſſen Wirkung aber
doch eine ſehr angenehme und befriedigende war.

Am Schluſſe dieſes Stückes trat Mir Scheik Khan
aus dem Innern des Gebäudes heraus. Zwei Scheiks be-
gleiteten ihn. Der eine trug ein hölzernes Geſtell vor ihm

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[11/0025] Kinder, welche nicht die Kraft beſaßen, durch die dichte Menge zu dringen. Und dabei herrſchte ein Jubel, eine Freude, die gar nichts Anſtößiges hatte. Auch das Heiligtum wurde illuminiert. In jede der zahlreichen Mauerniſchen kam eine Lampe zu ſtehen, und über die Höfe hinweg zogen ſich lange Guirlanden von Lampen und Flammen. Jeder Zweig der dort befindlichen Bäume ſchien der Arm eines rieſigen Leuchters zu ſein, und Hunderte von Lichtern liefen an den beiden Türmen bis zu den Spitzen derſelben empor, zwei rieſige Giran- dolen bildend, deren Anblick ein zauberiſcher war. Die Prieſter hatten jetzt, zwei Reihen bildend, im inneren Hofe Platz genommen. Auf der einen Seite ſaßen die Scheiks in ihren weißen Anzügen und ihnen gegenüber die Kawals. Dieſe letzteren hatten Inſtrumente in der Hand, abwechſelnd je einer eine Flöte und der andere ein Tamburin. Ich ſaß mit Ali Bey unter der Rebenlaube. Wo Mir Scheik Khan war, konnte ich nicht bemerken. Da ertönte aus dem Innern des Grabes ein Ruf, und die Kawals erhoben ihre Inſtrumente. Die Flöten begannen eine langſame, klagende Melodie zu ſpielen, wozu ein leiſer Schlag auf das Tamburin den Takt angab. Dann folgte plötzlich ein lang ausgehaltener viertöniger Akkord; ich glaube, es war ein Terzquartſextakkord, zu welchem auf den Tamburins mit den Fingerſpitzen ge- trillert wurde, erſt pianiſſimo, dann piano, ſtärker, immer ſtärker bis zum Fortiſſimo, und dann fielen die Flöten in ein zweiſtimmiges Tonſtück ein, für welches keiner unſerer muſikaliſchen Namen paßt, deſſen Wirkung aber doch eine ſehr angenehme und befriedigende war. Am Schluſſe dieſes Stückes trat Mir Scheik Khan aus dem Innern des Gebäudes heraus. Zwei Scheiks be- gleiteten ihn. Der eine trug ein hölzernes Geſtell vor ihm

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Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/25>, abgerufen am 21.11.2024.