"Ah!" meinte er neugierig. "Eine Ueberraschung? Wann?"
"Sobald seine Krankheit geheilt ist."
"Wie lange dauert dies noch?"
"Nur einige Tage."
"Soll ich ihn nicht lieber besuchen, da er nicht zu mir kommen kann?"
"Dieser Besuch würde ihn zu sehr aufregen. Herz- krankheiten sind lebensgefährlich; das wirst du wohl auch wissen?"
"So muß ich warten."
Wieder versank er in Schweigen; dann begann er von neuem:
"Weißt du, daß du mir ein Rätsel bist?"
"Du mir auch."
"Warum?"
"Weil du mich rätselhaft findest. Sage mir, ob es bereits jemand gewagt hat, so klar und offen, so aufrichtig und ohne Furcht wie ich, mit dir zu reden!"
"Das ist wahr, Effendi! Ich wollte es auch keinem andern raten! Du aber bist ein Emir, stehst unter dem Schatten des Großherrn und bist mir sehr gut von dem Mutessariff empfohlen; da dulde ich es."
"Und bei all dieser Furchtlosigkeit bin ich dir ein Rätsel?"
"Ja."
"Ich will dir helfen, es zu lösen. Frage mich!"
"Ich möchte vor allen Dingen wissen, wie du in den Schutz des Großherrn gekommen bist, wie der Großherr über mich denkt und was er für Pläne hat mit dir und mir. Aber dazu ist heute keine Zeit. Wir werden davon morgen reden, wenn wir allein sind."
Das war mir lieb. Auch hörte jetzt die Unterhaltung
„Ah!“ meinte er neugierig. „Eine Ueberraſchung? Wann?“
„Sobald ſeine Krankheit geheilt iſt.“
„Wie lange dauert dies noch?“
„Nur einige Tage.“
„Soll ich ihn nicht lieber beſuchen, da er nicht zu mir kommen kann?“
„Dieſer Beſuch würde ihn zu ſehr aufregen. Herz- krankheiten ſind lebensgefährlich; das wirſt du wohl auch wiſſen?“
„So muß ich warten.“
Wieder verſank er in Schweigen; dann begann er von neuem:
„Weißt du, daß du mir ein Rätſel biſt?“
„Du mir auch.“
„Warum?“
„Weil du mich rätſelhaft findeſt. Sage mir, ob es bereits jemand gewagt hat, ſo klar und offen, ſo aufrichtig und ohne Furcht wie ich, mit dir zu reden!“
„Das iſt wahr, Effendi! Ich wollte es auch keinem andern raten! Du aber biſt ein Emir, ſtehſt unter dem Schatten des Großherrn und biſt mir ſehr gut von dem Muteſſariff empfohlen; da dulde ich es.“
„Und bei all dieſer Furchtloſigkeit bin ich dir ein Rätſel?“
„Ja.“
„Ich will dir helfen, es zu löſen. Frage mich!“
„Ich möchte vor allen Dingen wiſſen, wie du in den Schutz des Großherrn gekommen biſt, wie der Großherr über mich denkt und was er für Pläne hat mit dir und mir. Aber dazu iſt heute keine Zeit. Wir werden davon morgen reden, wenn wir allein ſind.“
Das war mir lieb. Auch hörte jetzt die Unterhaltung
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„Ah!“ meinte er neugierig. „Eine Ueberraſchung?
Wann?“
„Sobald ſeine Krankheit geheilt iſt.“
„Wie lange dauert dies noch?“
„Nur einige Tage.“
„Soll ich ihn nicht lieber beſuchen, da er nicht zu
mir kommen kann?“
„Dieſer Beſuch würde ihn zu ſehr aufregen. Herz-
krankheiten ſind lebensgefährlich; das wirſt du wohl auch
wiſſen?“
„So muß ich warten.“
Wieder verſank er in Schweigen; dann begann er
von neuem:
„Weißt du, daß du mir ein Rätſel biſt?“
„Du mir auch.“
„Warum?“
„Weil du mich rätſelhaft findeſt. Sage mir, ob es
bereits jemand gewagt hat, ſo klar und offen, ſo aufrichtig
und ohne Furcht wie ich, mit dir zu reden!“
„Das iſt wahr, Effendi! Ich wollte es auch keinem
andern raten! Du aber biſt ein Emir, ſtehſt unter dem
Schatten des Großherrn und biſt mir ſehr gut von dem
Muteſſariff empfohlen; da dulde ich es.“
„Und bei all dieſer Furchtloſigkeit bin ich dir ein
Rätſel?“
„Ja.“
„Ich will dir helfen, es zu löſen. Frage mich!“
„Ich möchte vor allen Dingen wiſſen, wie du in den
Schutz des Großherrn gekommen biſt, wie der Großherr
über mich denkt und was er für Pläne hat mit dir und
mir. Aber dazu iſt heute keine Zeit. Wir werden davon
morgen reden, wenn wir allein ſind.“
Das war mir lieb. Auch hörte jetzt die Unterhaltung
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/240>, abgerufen am 26.11.2024.
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