"Höre, Mutesselin, von der Magie soll man nicht sprechen, wenigstens nicht zu jemand, den man noch nicht kennt."
"Wir werden uns kennen lernen, denn ich bin ein großer Freund der Magie. Glaubst du, daß man Geld machen kann?"
"Ja, Geld kann man machen."
"Und daß es einen Stein der Weisen giebt?"
"Es giebt einen, aber er liegt nicht in der Erde, sondern im menschlichen Herzen vergraben und kann also auch nicht durch die Scheidekunst bereitet werden."
"Du sprichst sehr dunkel; aber ich sehe, daß du ein Kenner der Magie bist. Es giebt eine weiße und eine schwarze. Kennst du alle beide?"
Ich konnte nicht anders, ich mußte lustig antworten:
"O, ich kenne auch alle andern Arten."
"Es giebt noch andere? Welche?"
"Eine blaue, eine grüne und gelbe, auch eine rote und graue. Dieser Hadschi Lindsay-Bey war erst ein Anhänger der graukarrierten, jetzt aber hat er die schwarz- rote angenommen."
"Das sieht man an seinem Gewande. Selim Agha hat mir erzählt, daß er eine Hacke bei sich führt, mit welcher er in die Erde schlägt, um die Sprachen der Ver- storbenen zu erforschen."
"So ist es. Aber laß uns heute darüber schweigen. Ich bin ein Krieger und Effendi, aber kein Schulmeister, der andere unterrichtet."
Der brave Kommandant hatte alle Hilfsquellen der ausgesaugten Provinz erschöpft und suchte nun sein Heil in der Magie. Es konnte mir nicht einfallen, ihn in seinem Aberglauben zu bestärken, aber ich hatte in den gegenwärtigen Verhältnissen auch keine Veranlassung, sie
„Höre, Muteſſelin, von der Magie ſoll man nicht ſprechen, wenigſtens nicht zu jemand, den man noch nicht kennt.“
„Wir werden uns kennen lernen, denn ich bin ein großer Freund der Magie. Glaubſt du, daß man Geld machen kann?“
„Ja, Geld kann man machen.“
„Und daß es einen Stein der Weiſen giebt?“
„Es giebt einen, aber er liegt nicht in der Erde, ſondern im menſchlichen Herzen vergraben und kann alſo auch nicht durch die Scheidekunſt bereitet werden.“
„Du ſprichſt ſehr dunkel; aber ich ſehe, daß du ein Kenner der Magie biſt. Es giebt eine weiße und eine ſchwarze. Kennſt du alle beide?“
Ich konnte nicht anders, ich mußte luſtig antworten:
„O, ich kenne auch alle andern Arten.“
„Es giebt noch andere? Welche?“
„Eine blaue, eine grüne und gelbe, auch eine rote und graue. Dieſer Hadſchi Lindſay-Bey war erſt ein Anhänger der graukarrierten, jetzt aber hat er die ſchwarz- rote angenommen.“
„Das ſieht man an ſeinem Gewande. Selim Agha hat mir erzählt, daß er eine Hacke bei ſich führt, mit welcher er in die Erde ſchlägt, um die Sprachen der Ver- ſtorbenen zu erforſchen.“
„So iſt es. Aber laß uns heute darüber ſchweigen. Ich bin ein Krieger und Effendi, aber kein Schulmeiſter, der andere unterrichtet.“
Der brave Kommandant hatte alle Hilfsquellen der ausgeſaugten Provinz erſchöpft und ſuchte nun ſein Heil in der Magie. Es konnte mir nicht einfallen, ihn in ſeinem Aberglauben zu beſtärken, aber ich hatte in den gegenwärtigen Verhältniſſen auch keine Veranlaſſung, ſie
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[187/0201]
„Höre, Muteſſelin, von der Magie ſoll man nicht
ſprechen, wenigſtens nicht zu jemand, den man noch nicht
kennt.“
„Wir werden uns kennen lernen, denn ich bin ein
großer Freund der Magie. Glaubſt du, daß man Geld
machen kann?“
„Ja, Geld kann man machen.“
„Und daß es einen Stein der Weiſen giebt?“
„Es giebt einen, aber er liegt nicht in der Erde,
ſondern im menſchlichen Herzen vergraben und kann alſo
auch nicht durch die Scheidekunſt bereitet werden.“
„Du ſprichſt ſehr dunkel; aber ich ſehe, daß du ein
Kenner der Magie biſt. Es giebt eine weiße und eine
ſchwarze. Kennſt du alle beide?“
Ich konnte nicht anders, ich mußte luſtig antworten:
„O, ich kenne auch alle andern Arten.“
„Es giebt noch andere? Welche?“
„Eine blaue, eine grüne und gelbe, auch eine rote
und graue. Dieſer Hadſchi Lindſay-Bey war erſt ein
Anhänger der graukarrierten, jetzt aber hat er die ſchwarz-
rote angenommen.“
„Das ſieht man an ſeinem Gewande. Selim Agha
hat mir erzählt, daß er eine Hacke bei ſich führt, mit
welcher er in die Erde ſchlägt, um die Sprachen der Ver-
ſtorbenen zu erforſchen.“
„So iſt es. Aber laß uns heute darüber ſchweigen.
Ich bin ein Krieger und Effendi, aber kein Schulmeiſter,
der andere unterrichtet.“
Der brave Kommandant hatte alle Hilfsquellen der
ausgeſaugten Provinz erſchöpft und ſuchte nun ſein Heil
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/201>, abgerufen am 30.11.2024.
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