Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892].

Bild:
<< vorherige Seite

"Sie war das Weib von Ismail Pascha, dem letzten
erblichen Sohne der abbassidischen Khalifen?"

"Ja; du weißt es. Sie führte den Ehrentitel ,Khan',
wie alle Frauen dieser erlauchten Familie. Er wurde,
nämlich Ismail Pascha, von dem Indscheh Bairakdar
Mohammed Pascha belagert; dieser sprengte die Mauern
des Schlosses, welches dann im Sturm genommen wurde.
Darauf ging Ismail mit Esma Khan als Gefangener
nach Bagdad. Hier hat sie gelebt und geduftet. Emir,
ich wollte, sie wäre noch hier!"

"Hat sie auch diese Petersilie und diesen Knoblauch
gepflanzt?"

"Nein," antwortete er sehr ernsthaft; "das hat Mer-
sinah, meine Wirtschafterin, gethan."

"So danke Allah, daß du an Stelle von Esma Khan
diese süße Mersinah bei dir hast!"

"Effendi, sie ist zuweilen sehr bitter!"

"Darüber darfst du nicht murren, denn Allah teilt
die Gaben sehr verschieden aus. Und daß du den Duft
dieser ,Myrte' atmen sollst, das stand ja wohl im Buche
verzeichnet."

"So ist es! Aber sage mir, Emir, ob du diesen
Garten pachten willst!"

"Wie viel verlangst du dafür?"

"Du bezahlst mir zehn Piaster *) für die Woche.
Dann dürft ihr alle in den Garten gehen und an die
Esma Khan denken, so oft ihr wollt!"

Ich zögerte mit der Antwort. Der Garten stieß an
die Rückwand eines Gebäudes, in welcher ich zwei Reihen
kleiner Löcher bemerkte. Das sah mir recht gefängnis-
mäßig aus. Ich mußte mich erkundigen:

"Ich glaube nicht, daß ich diesen Garten mieten werde."

*) Zwei Mark.

„Sie war das Weib von Ismaïl Paſcha, dem letzten
erblichen Sohne der abbaſſidiſchen Khalifen?“

„Ja; du weißt es. Sie führte den Ehrentitel ‚Khan‘,
wie alle Frauen dieſer erlauchten Familie. Er wurde,
nämlich Ismaïl Paſcha, von dem Indſcheh Bairakdar
Mohammed Paſcha belagert; dieſer ſprengte die Mauern
des Schloſſes, welches dann im Sturm genommen wurde.
Darauf ging Ismaïl mit Esma Khan als Gefangener
nach Bagdad. Hier hat ſie gelebt und geduftet. Emir,
ich wollte, ſie wäre noch hier!“

„Hat ſie auch dieſe Peterſilie und dieſen Knoblauch
gepflanzt?“

„Nein,“ antwortete er ſehr ernſthaft; „das hat Mer-
ſinah, meine Wirtſchafterin, gethan.“

„So danke Allah, daß du an Stelle von Esma Khan
dieſe ſüße Merſinah bei dir haſt!“

„Effendi, ſie iſt zuweilen ſehr bitter!“

„Darüber darfſt du nicht murren, denn Allah teilt
die Gaben ſehr verſchieden aus. Und daß du den Duft
dieſer ‚Myrte‘ atmen ſollſt, das ſtand ja wohl im Buche
verzeichnet.“

„So iſt es! Aber ſage mir, Emir, ob du dieſen
Garten pachten willſt!“

„Wie viel verlangſt du dafür?“

„Du bezahlſt mir zehn Piaſter *) für die Woche.
Dann dürft ihr alle in den Garten gehen und an die
Esma Khan denken, ſo oft ihr wollt!“

Ich zögerte mit der Antwort. Der Garten ſtieß an
die Rückwand eines Gebäudes, in welcher ich zwei Reihen
kleiner Löcher bemerkte. Das ſah mir recht gefängnis-
mäßig aus. Ich mußte mich erkundigen:

„Ich glaube nicht, daß ich dieſen Garten mieten werde.“

*) Zwei Mark.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0181" n="167"/>
        <p>&#x201E;Sie war das Weib von Ismaïl Pa&#x017F;cha, dem letzten<lb/>
erblichen Sohne der abba&#x017F;&#x017F;idi&#x017F;chen Khalifen?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja; du weißt es. Sie führte den Ehrentitel &#x201A;Khan&#x2018;,<lb/>
wie alle Frauen die&#x017F;er erlauchten Familie. Er wurde,<lb/>
nämlich Ismaïl Pa&#x017F;cha, von dem Ind&#x017F;cheh Bairakdar<lb/>
Mohammed Pa&#x017F;cha belagert; die&#x017F;er &#x017F;prengte die Mauern<lb/>
des Schlo&#x017F;&#x017F;es, welches dann im Sturm genommen wurde.<lb/>
Darauf ging Ismaïl mit Esma Khan als Gefangener<lb/>
nach Bagdad. Hier hat &#x017F;ie gelebt und geduftet. Emir,<lb/>
ich wollte, &#x017F;ie wäre noch hier!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hat &#x017F;ie auch die&#x017F;e Peter&#x017F;ilie und die&#x017F;en Knoblauch<lb/>
gepflanzt?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nein,&#x201C; antwortete er &#x017F;ehr ern&#x017F;thaft; &#x201E;das hat Mer-<lb/>
&#x017F;inah, meine Wirt&#x017F;chafterin, gethan.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So danke Allah, daß du an Stelle von Esma Khan<lb/>
die&#x017F;e &#x017F;üße Mer&#x017F;inah bei dir ha&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Effendi, &#x017F;ie i&#x017F;t zuweilen &#x017F;ehr bitter!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Darüber darf&#x017F;t du nicht murren, denn Allah teilt<lb/>
die Gaben &#x017F;ehr ver&#x017F;chieden aus. Und daß du den Duft<lb/>
die&#x017F;er &#x201A;Myrte&#x2018; atmen &#x017F;oll&#x017F;t, das &#x017F;tand ja wohl im Buche<lb/>
verzeichnet.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;So i&#x017F;t es! Aber &#x017F;age mir, Emir, ob du die&#x017F;en<lb/>
Garten pachten will&#x017F;t!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wie viel verlang&#x017F;t du dafür?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Du bezahl&#x017F;t mir zehn Pia&#x017F;ter <note place="foot" n="*)">Zwei Mark.</note> für die Woche.<lb/>
Dann dürft ihr alle in den Garten gehen und an die<lb/>
Esma Khan denken, &#x017F;o oft ihr wollt!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich zögerte mit der Antwort. Der Garten &#x017F;tieß an<lb/>
die Rückwand eines Gebäudes, in welcher ich zwei Reihen<lb/>
kleiner Löcher bemerkte. Das &#x017F;ah mir recht gefängnis-<lb/>
mäßig aus. Ich mußte mich erkundigen:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ich glaube nicht, daß ich die&#x017F;en Garten mieten werde.&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0181] „Sie war das Weib von Ismaïl Paſcha, dem letzten erblichen Sohne der abbaſſidiſchen Khalifen?“ „Ja; du weißt es. Sie führte den Ehrentitel ‚Khan‘, wie alle Frauen dieſer erlauchten Familie. Er wurde, nämlich Ismaïl Paſcha, von dem Indſcheh Bairakdar Mohammed Paſcha belagert; dieſer ſprengte die Mauern des Schloſſes, welches dann im Sturm genommen wurde. Darauf ging Ismaïl mit Esma Khan als Gefangener nach Bagdad. Hier hat ſie gelebt und geduftet. Emir, ich wollte, ſie wäre noch hier!“ „Hat ſie auch dieſe Peterſilie und dieſen Knoblauch gepflanzt?“ „Nein,“ antwortete er ſehr ernſthaft; „das hat Mer- ſinah, meine Wirtſchafterin, gethan.“ „So danke Allah, daß du an Stelle von Esma Khan dieſe ſüße Merſinah bei dir haſt!“ „Effendi, ſie iſt zuweilen ſehr bitter!“ „Darüber darfſt du nicht murren, denn Allah teilt die Gaben ſehr verſchieden aus. Und daß du den Duft dieſer ‚Myrte‘ atmen ſollſt, das ſtand ja wohl im Buche verzeichnet.“ „So iſt es! Aber ſage mir, Emir, ob du dieſen Garten pachten willſt!“ „Wie viel verlangſt du dafür?“ „Du bezahlſt mir zehn Piaſter *) für die Woche. Dann dürft ihr alle in den Garten gehen und an die Esma Khan denken, ſo oft ihr wollt!“ Ich zögerte mit der Antwort. Der Garten ſtieß an die Rückwand eines Gebäudes, in welcher ich zwei Reihen kleiner Löcher bemerkte. Das ſah mir recht gefängnis- mäßig aus. Ich mußte mich erkundigen: „Ich glaube nicht, daß ich dieſen Garten mieten werde.“ *) Zwei Mark.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/181
Zitationshilfe: May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/181>, abgerufen am 28.11.2024.