der Mitte des Thales zurückgezogen und das Heiligtum also freigegeben hatten.
"Wann beginnt die Feier?" fragte ich den Bey.
"Sobald es dunkel geworden ist. Nimm deine Ge- wehre mit; es wird viel geschossen."
"Gieb mir eins von den deinigen. Ich muß meine Patronen schonen, die ich hier nicht durch neue ersetzen kann."
Ich war wirklich sehr neugierig auf diese Begräbnis- feierlichkeit, deren Zeuge ich werden sollte. Es war ja sehr leicht möglich, daß vor mir noch niemals ein Europäer dem Begräbnisse eines der angesehensten Teufelsanbeter beigewohnt hatte. Ich saß an der Kante des Thales und blickte hinab, bis sich die Schatten der Nacht niedersenkten. Da leuchteten rundum die Wachtfeuer wieder auf, und zugleich wuchs über dem Heiligtume langsam eine Doppel- pyramide von Lichtern empor, grad so wie am ersten Abend, den ich in Scheik Adi zugebracht hatte. Die beiden Thüren des Grabmales wurden mit Lampen behangen.
"Komm!" ermunterte mich Ali Bey, der mit einigen Bevorzugten zu Pferde stieg.
Der Baschi-Bozuk blieb zurück. Halef begleitete uns. Wir ritten in das Thal hinab und langten vor dem Heiligtume an, welches vollständig erleuchtet worden war. Der Platz vor demselben wurde von einer doppelten Reihe bewaffneter Dschesidi eingeschlossen, um jedem Türken den Zutritt zu versagen. Im Heiligtume selbst befand sich nur Mir Scheik Khan mit den Priestern; andern außer Ali Bey und mir war der Eintritt nicht gestattet. Im innern Hofe standen zwei eng neben einander gekoppelte Maultiere, die ein quer über ihre Rücken liegendes Gestell trugen, auf welchem die Urne befestigt war. Um diese beiden Tiere hatten die Priester einen Kreis gebildet. Sie
der Mitte des Thales zurückgezogen und das Heiligtum alſo freigegeben hatten.
„Wann beginnt die Feier?“ fragte ich den Bey.
„Sobald es dunkel geworden iſt. Nimm deine Ge- wehre mit; es wird viel geſchoſſen.“
„Gieb mir eins von den deinigen. Ich muß meine Patronen ſchonen, die ich hier nicht durch neue erſetzen kann.“
Ich war wirklich ſehr neugierig auf dieſe Begräbnis- feierlichkeit, deren Zeuge ich werden ſollte. Es war ja ſehr leicht möglich, daß vor mir noch niemals ein Europäer dem Begräbniſſe eines der angeſehenſten Teufelsanbeter beigewohnt hatte. Ich ſaß an der Kante des Thales und blickte hinab, bis ſich die Schatten der Nacht niederſenkten. Da leuchteten rundum die Wachtfeuer wieder auf, und zugleich wuchs über dem Heiligtume langſam eine Doppel- pyramide von Lichtern empor, grad ſo wie am erſten Abend, den ich in Scheik Adi zugebracht hatte. Die beiden Thüren des Grabmales wurden mit Lampen behangen.
„Komm!“ ermunterte mich Ali Bey, der mit einigen Bevorzugten zu Pferde ſtieg.
Der Baſchi-Bozuk blieb zurück. Halef begleitete uns. Wir ritten in das Thal hinab und langten vor dem Heiligtume an, welches vollſtändig erleuchtet worden war. Der Platz vor demſelben wurde von einer doppelten Reihe bewaffneter Dſcheſidi eingeſchloſſen, um jedem Türken den Zutritt zu verſagen. Im Heiligtume ſelbſt befand ſich nur Mir Scheik Khan mit den Prieſtern; andern außer Ali Bey und mir war der Eintritt nicht geſtattet. Im innern Hofe ſtanden zwei eng neben einander gekoppelte Maultiere, die ein quer über ihre Rücken liegendes Geſtell trugen, auf welchem die Urne befeſtigt war. Um dieſe beiden Tiere hatten die Prieſter einen Kreis gebildet. Sie
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der Mitte des Thales zurückgezogen und das Heiligtum
alſo freigegeben hatten.
„Wann beginnt die Feier?“ fragte ich den Bey.
„Sobald es dunkel geworden iſt. Nimm deine Ge-
wehre mit; es wird viel geſchoſſen.“
„Gieb mir eins von den deinigen. Ich muß meine
Patronen ſchonen, die ich hier nicht durch neue erſetzen
kann.“
Ich war wirklich ſehr neugierig auf dieſe Begräbnis-
feierlichkeit, deren Zeuge ich werden ſollte. Es war ja
ſehr leicht möglich, daß vor mir noch niemals ein Europäer
dem Begräbniſſe eines der angeſehenſten Teufelsanbeter
beigewohnt hatte. Ich ſaß an der Kante des Thales und
blickte hinab, bis ſich die Schatten der Nacht niederſenkten.
Da leuchteten rundum die Wachtfeuer wieder auf, und
zugleich wuchs über dem Heiligtume langſam eine Doppel-
pyramide von Lichtern empor, grad ſo wie am erſten
Abend, den ich in Scheik Adi zugebracht hatte. Die beiden
Thüren des Grabmales wurden mit Lampen behangen.
„Komm!“ ermunterte mich Ali Bey, der mit einigen
Bevorzugten zu Pferde ſtieg.
Der Baſchi-Bozuk blieb zurück. Halef begleitete uns.
Wir ritten in das Thal hinab und langten vor dem
Heiligtume an, welches vollſtändig erleuchtet worden war.
Der Platz vor demſelben wurde von einer doppelten Reihe
bewaffneter Dſcheſidi eingeſchloſſen, um jedem Türken den
Zutritt zu verſagen. Im Heiligtume ſelbſt befand ſich
nur Mir Scheik Khan mit den Prieſtern; andern außer
Ali Bey und mir war der Eintritt nicht geſtattet. Im
innern Hofe ſtanden zwei eng neben einander gekoppelte
Maultiere, die ein quer über ihre Rücken liegendes Geſtell
trugen, auf welchem die Urne befeſtigt war. Um dieſe
beiden Tiere hatten die Prieſter einen Kreis gebildet. Sie
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/118>, abgerufen am 22.11.2024.
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