an diesem Körper kleben? Die Schäfte und der Griff sind verbrannt. Und hier grad unter ihm sieht die Säbelspitze aus der Asche heraus. Dieser ist also unbedingt der Miralai gewesen."
Jetzt nun wunderten sich die Dschesidi, daß sie nicht selbst auch auf diesen so einfachen Gedanken gekommen waren. Sie alle ohne Ausnahme stimmten meiner Ansicht bei und machten sich daran, die Reste des Pir in die Urne zu bringen.
Während des ganzen Vorganges hatte der Kaimakam mit mehreren seiner Offiziere in der Nähe gehalten. Ihm wurde die Leiche seines früheren Vorgesetzten überlassen, und dann kehrten wir wieder zur Höhe zurück. Dort bat Ali Bey den Khan um seine Befehle in Beziehung auf die Bestattungsfeierlichkeit.
"Wir müssen sie auf morgen verschieben," antwortete dieser.
"Warum?"
"Pir Kamek war der Frömmste und der Weiseste unter den Dschesidi; er soll würdig bestattet werden, und dazu ist es heute zu spät. Ich werde anordnen, daß man ihm im Thale Idiz ein Grabmal errichte, und dieses kann erst morgen fertig sein."
"So wirst du Maurer und Zimmerleute brauchen?"
"Nein. Wir werden einen einfachen Bau aus Fels- blöcken errichten, der keines Kittes bedarf, und jeder Mann, jedes Weib und auch ein jedes Kind soll einen Stein dazu herbeibringen, je nach seinen Kräften, damit keiner der versammelten Pilger ausgeschlossen werde, dem Verwan- delten das ihm gebührende Denkmal zu stiften."
"Aber ich brauche die Krieger zur Bewachung der Türken!" wendete Ali Bey ein.
"Sie werden sich ablösen; dann stehen dir immer
an dieſem Körper kleben? Die Schäfte und der Griff ſind verbrannt. Und hier grad unter ihm ſieht die Säbelſpitze aus der Aſche heraus. Dieſer iſt alſo unbedingt der Miralai geweſen.“
Jetzt nun wunderten ſich die Dſcheſidi, daß ſie nicht ſelbſt auch auf dieſen ſo einfachen Gedanken gekommen waren. Sie alle ohne Ausnahme ſtimmten meiner Anſicht bei und machten ſich daran, die Reſte des Pir in die Urne zu bringen.
Während des ganzen Vorganges hatte der Kaimakam mit mehreren ſeiner Offiziere in der Nähe gehalten. Ihm wurde die Leiche ſeines früheren Vorgeſetzten überlaſſen, und dann kehrten wir wieder zur Höhe zurück. Dort bat Ali Bey den Khan um ſeine Befehle in Beziehung auf die Beſtattungsfeierlichkeit.
„Wir müſſen ſie auf morgen verſchieben,“ antwortete dieſer.
„Warum?“
„Pir Kamek war der Frömmſte und der Weiſeſte unter den Dſcheſidi; er ſoll würdig beſtattet werden, und dazu iſt es heute zu ſpät. Ich werde anordnen, daß man ihm im Thale Idiz ein Grabmal errichte, und dieſes kann erſt morgen fertig ſein.“
„So wirſt du Maurer und Zimmerleute brauchen?“
„Nein. Wir werden einen einfachen Bau aus Fels- blöcken errichten, der keines Kittes bedarf, und jeder Mann, jedes Weib und auch ein jedes Kind ſoll einen Stein dazu herbeibringen, je nach ſeinen Kräften, damit keiner der verſammelten Pilger ausgeſchloſſen werde, dem Verwan- delten das ihm gebührende Denkmal zu ſtiften.“
„Aber ich brauche die Krieger zur Bewachung der Türken!“ wendete Ali Bey ein.
„Sie werden ſich ablöſen; dann ſtehen dir immer
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an dieſem Körper kleben? Die Schäfte und der Griff ſind
verbrannt. Und hier grad unter ihm ſieht die Säbelſpitze
aus der Aſche heraus. Dieſer iſt alſo unbedingt der
Miralai geweſen.“
Jetzt nun wunderten ſich die Dſcheſidi, daß ſie nicht
ſelbſt auch auf dieſen ſo einfachen Gedanken gekommen
waren. Sie alle ohne Ausnahme ſtimmten meiner Anſicht
bei und machten ſich daran, die Reſte des Pir in die Urne
zu bringen.
Während des ganzen Vorganges hatte der Kaimakam
mit mehreren ſeiner Offiziere in der Nähe gehalten. Ihm
wurde die Leiche ſeines früheren Vorgeſetzten überlaſſen,
und dann kehrten wir wieder zur Höhe zurück. Dort bat
Ali Bey den Khan um ſeine Befehle in Beziehung auf
die Beſtattungsfeierlichkeit.
„Wir müſſen ſie auf morgen verſchieben,“ antwortete
dieſer.
„Warum?“
„Pir Kamek war der Frömmſte und der Weiſeſte
unter den Dſcheſidi; er ſoll würdig beſtattet werden, und
dazu iſt es heute zu ſpät. Ich werde anordnen, daß man
ihm im Thale Idiz ein Grabmal errichte, und dieſes
kann erſt morgen fertig ſein.“
„So wirſt du Maurer und Zimmerleute brauchen?“
„Nein. Wir werden einen einfachen Bau aus Fels-
blöcken errichten, der keines Kittes bedarf, und jeder Mann,
jedes Weib und auch ein jedes Kind ſoll einen Stein dazu
herbeibringen, je nach ſeinen Kräften, damit keiner der
verſammelten Pilger ausgeſchloſſen werde, dem Verwan-
delten das ihm gebührende Denkmal zu ſtiften.“
„Aber ich brauche die Krieger zur Bewachung der
Türken!“ wendete Ali Bey ein.
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May, Karl: Durchs Wilde Kurdistan. Freiburg (Breisgau), [1892], S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/may_kurdistan_1892/101>, abgerufen am 22.11.2024.
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