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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Sechstes Buch. Geschichte der Teutschen
den. Er hatte auch die Roxolanos unter sich 8, und iornandes schreibet
ihm ausdrücklich die Herrschafft über Scythien und Germanien zu 9, welche
Macht aber, wie im folgenden Buch sich zeigen wird, nicht lange beysammen
geblieben.

XLIV. Jn Gallien war Vrsicinus nicht so glücklich die Teutschen abzuhal-
Constantius
schicket Iulia-
num
nach
Gallien: des-
sen Verrich-
tungen gegen
die Alemannen.
+ A. C. 355.
ten, als es ihm leicht gewesen war, Siluanum zu stürtzen. Vielmehr hatten die
Francken Cölln zerstöhret 1. Constantius, der Jtalien nicht wohl verlassen
konte, entschloß also Iulianum, des vorhin gedachten Galli Bruder, den er kurtz
zuvor, aus der Dunckelheit, darinnen er war erzogen worden, nach Hofe hatte
kommen lassen, dahin zu schicken. Er ernannte ihn also den 6. Nou. + zum
Caesar, und gab ihm wenig Tage darauf seine Schwester Helenam, zur
Gemahlin. Iulianus gieng über die Alpes Cottias, und trat A. 356. sein Con-
sulat
zu Vienne an, wo er den Winter vollends mit Veranstaltung des vor-
habenden Feldzuges zubrachte. Wiewohl die Teutschen auch im Winter nicht
ruheten, sondern Autun belagerten, aber von den ueteranis tapfer abgeschlagen
wurden 2. Darauf zog Iulianus im Iunio aus, sie aufzusuchen, und nahm
seinen Weg über Autun, Auxerre und Troies nach Rheims, muste sich aber

unter
[Beginn Spaltensatz] nomine, spatio stadiorum sex millium, ab hoc dici
nauigatione abesse insulam Abalum
; illuc uero flu-
ctibus aduehi
(succinum) & esse concreti maris pur-
gamentum, incolas pro ligno uti eo
(succino) proxi-
misque Teutonis uendere.
Wie viel die Römer auf
Börnstein gehalten, erhellet so wohl aus obangeführ-
ten Worten taciti, als andern Römischen Seri-
benten. Wenn wir nun annehmen, daß die Aestier
allein den Börnstein gesammlet, solcher aber nirgends
als in Preussen gefunden wird, selbst der Name der
Aestier auch in der Provintz Estland annoch übrig ist,
so läßt sich daraus schliessen, daß die Aestier einen
Theil des ietzigen Preussens, nebst Cur- und Liefland
innen gehabt. Ob die Scirri und Hirri und ferner
auch die Galindi und Sudeni, deren in vorhergehen-
der dritten Note gedacht worden, zu den Aestiern zu
rechnen, wie einige Gelehrte wollen, dörffte hier zu
untersuchen zu weitläuftig fallen. Der Name der
Preussen ist später in der Historie bekannt worden.
Die Aestier haben nachmahls, als das Königreich der
Ost-Gothen am Ponto Euxino eingegangen war,
und die Nation schon Jtalien beherrschte, noch immer
ein gutes Vernehmen mit ihnen unterhalten. Wir
finden insonderheit, daß sie beym Könige Theodorico
Freundschafft gesuchet, und ihn mit Börnstein beschen-
cket. Die Antwort, so der König den Gesandten der
Aestier mit zurücke gegeben, stehet in cassio-
dori
uariis L. V. cp. 2.
HAESTIS THEODORICVS REX
ILLO & ILLO legatis uestris uenientibus,
grande uos studium notitiae nostrae habuisse cogno-
[Spaltenumbruch] uimus, ut in oceani litoribus constituti, cum nostra
mente iungi uideamini: suauis nobis admodum, &
grata petitio, ut ad uos perueniret fama nostra,
ad quos nulla potuimus destinare mandata. Amate
iam cognitum, quem requisistis ambienter ignotum.
Nam inter tot gentes uiam praesumere, non est ali-
quid facile concupiisse. Et ideo salutatione uos
affectuosa requirentes, indicamus, succina, quae a
uobis per harum portitores directa sunt, grato ani-
mo fuisse suscepta, quae ad uos oceani unda descen-
dens, hanc leuissimam substantiam, sicut & ue-
strorum relatio continebat, exportat. Sed unde
ueniat, incognitum uos habere dixerunt, quam aute
omnes homines, patria uestra offerente, suscipitis &c.

Die Aestier waren auch noch zu Caroli M. Zeiten
unter den Völckern an der Ost-See berühmt:
eginhard in uita Caroli M. c. 12. schreibet von
selbigen Küsten: Ad litus australe Sclaui, & Aestii,
& aliae diuersae incolunt nationes.
8 iornandes l. c. cap. 24. Ermanaricus,
rex Gothorum, licet ut superius retulimus multa-
rum gentium extiterit triumphator, de Hunnorum
tamen aduentu dum cogitat, Roxsolanorum gens
infida, quae tunc inter alias illi famulatum exhibe-
bat, tali eum nanciscitur occasione decipere.
9 Siehe die Worte in der fünften Note.
1 §. XLIV. 1. Siehe die Stelle ad §. seq. not. 1.
2 ammianvs marcellinvs L. XVI.
c. 2. Agens itaque negotiosam hiemen apud oppidum
ante dictum, inter rumores, qui uolitabant assi-
dui, comperit Augustoduni ciuitatis antiquae mu-
ros, spatiosi quidem ambitus, sed carie uetustatis

[Ende Spaltensatz]
inua-

Sechſtes Buch. Geſchichte der Teutſchen
den. Er hatte auch die Roxolanos unter ſich 8, und iornandes ſchreibet
ihm ausdruͤcklich die Herrſchafft uͤber Scythien und Germanien zu 9, welche
Macht aber, wie im folgenden Buch ſich zeigen wird, nicht lange beyſammen
geblieben.

XLIV. Jn Gallien war Vrſicinus nicht ſo gluͤcklich die Teutſchen abzuhal-
Conſtantius
ſchicket Iulia-
num
nach
Gallien: deſ-
ſen Verrich-
tungen gegen
die Alemañen.
A. C. 355.
ten, als es ihm leicht geweſen war, Siluanum zu ſtuͤrtzen. Vielmehr hatten die
Francken Coͤlln zerſtoͤhret 1. Conſtantius, der Jtalien nicht wohl verlaſſen
konte, entſchloß alſo Iulianum, des vorhin gedachten Galli Bruder, den er kurtz
zuvor, aus der Dunckelheit, darinnen er war erzogen worden, nach Hofe hatte
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Caeſar, und gab ihm wenig Tage darauf ſeine Schweſter Helenam, zur
Gemahlin. Iulianus gieng uͤber die Alpes Cottias, und trat A. 356. ſein Con-
ſulat
zu Vienne an, wo er den Winter vollends mit Veranſtaltung des vor-
habenden Feldzuges zubrachte. Wiewohl die Teutſchen auch im Winter nicht
ruheten, ſondern Autun belagerten, aber von den ueteranis tapfer abgeſchlagen
wurden 2. Darauf zog Iulianus im Iunio aus, ſie aufzuſuchen, und nahm
ſeinen Weg uͤber Autun, Auxerre und Troies nach Rheims, muſte ſich aber

unter
[Beginn Spaltensatz] nomine, ſpatio ſtadiorum ſex millium, ab hoc dici
nauigatione abeſſe inſulam Abalum
; illuc uero flu-
ctibus aduehi
(ſuccinum) & eſſe concreti maris pur-
gamentum, incolas pro ligno uti eo
(ſuccino) proxi-
misque Teutonis uendere.
Wie viel die Roͤmer auf
Boͤrnſtein gehalten, erhellet ſo wohl aus obangefuͤhr-
ten Worten taciti, als andern Roͤmiſchen Seri-
benten. Wenn wir nun annehmen, daß die Aeſtier
allein den Boͤrnſtein geſammlet, ſolcher aber nirgends
als in Preuſſen gefunden wird, ſelbſt der Name der
Aeſtier auch in der Provintz Eſtland annoch uͤbrig iſt,
ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſſen, daß die Aeſtier einen
Theil des ietzigen Preuſſens, nebſt Cur- und Liefland
innen gehabt. Ob die Scirri und Hirri und ferner
auch die Galindi und Sudeni, deren in vorhergehen-
der dritten Note gedacht worden, zu den Aeſtiern zu
rechnen, wie einige Gelehrte wollen, doͤrffte hier zu
unterſuchen zu weitlaͤuftig fallen. Der Name der
Preuſſen iſt ſpaͤter in der Hiſtorie bekannt worden.
Die Aeſtier haben nachmahls, als das Koͤnigreich der
Oſt-Gothen am Ponto Euxino eingegangen war,
und die Nation ſchon Jtalien beherrſchte, noch immer
ein gutes Vernehmen mit ihnen unterhalten. Wir
finden inſonderheit, daß ſie beym Koͤnige Theodorico
Freundſchafft geſuchet, und ihn mit Boͤrnſtein beſchen-
cket. Die Antwort, ſo der Koͤnig den Geſandten der
Aeſtier mit zuruͤcke gegeben, ſtehet in cassio-
dori
uariis L. V. cp. 2.
HAESTIS THEODORICVS REX
ILLO & ILLO legatis ueſtris uenientibus,
grande uos ſtudium notitiae noſtrae habuiſſe cogno-
[Spaltenumbruch] uimus, ut in oceani litoribus conſtituti, cum noſtra
mente iungi uideamini: ſuauis nobis admodum, &
grata petitio, ut ad uos perueniret fama noſtra,
ad quos nulla potuimus deſtinare mandata. Amate
iam cognitum, quem requiſiſtis ambienter ignotum.
Nam inter tot gentes uiam praeſumere, non eſt ali-
quid facile concupiiſſe. Et ideo ſalutatione uos
affectuoſa requirentes, indicamus, ſuccina, quae a
uobis per harum portitores directa ſunt, grato ani-
mo fuiſſe ſuſcepta, quae ad uos oceani unda deſcen-
dens, hanc leuiſſimam ſubſtantiam, ſicut & ue-
ſtrorum relatio continebat, exportat. Sed unde
ueniat, incognitum uos habere dixerunt, quam aute
omnes homines, patria ueſtra offerente, ſuſcipitis &c.

Die Aeſtier waren auch noch zu Caroli M. Zeiten
unter den Voͤlckern an der Oſt-See beruͤhmt:
eginhard in uita Caroli M. c. 12. ſchreibet von
ſelbigen Kuͤſten: Ad litus auſtrale Sclaui, & Aeſtii,
& aliae diuerſae incolunt nationes.
8 iornandes l. c. cap. 24. Ermanaricus,
rex Gothorum, licet ut ſuperius retulimus multa-
rum gentium extiterit triumphator, de Hunnorum
tamen aduentu dum cogitat, Roxſolanorum gens
infida, quae tunc inter alias illi famulatum exhibe-
bat, tali eum nanciſcitur occaſione decipere.
9 Siehe die Worte in der fuͤnften Note.
1 §. XLIV. 1. Siehe die Stelle ad §. ſeq. not. 1.
2 ammianvs marcellinvs L. XVI.
c. 2. Agens itaque negotioſam hiemen apud oppidum
ante dictum, inter rumores, qui uolitabant aſſi-
dui, comperit Auguſtoduni ciuitatis antiquae mu-
ros, ſpatioſi quidem ambitus, ſed carie uetuſtatis

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[244/0278] Sechſtes Buch. Geſchichte der Teutſchen den. Er hatte auch die Roxolanos unter ſich 8, und iornandes ſchreibet ihm ausdruͤcklich die Herrſchafft uͤber Scythien und Germanien zu 9, welche Macht aber, wie im folgenden Buch ſich zeigen wird, nicht lange beyſammen geblieben. XLIV. Jn Gallien war Vrſicinus nicht ſo gluͤcklich die Teutſchen abzuhal- ten, als es ihm leicht geweſen war, Siluanum zu ſtuͤrtzen. Vielmehr hatten die Francken Coͤlln zerſtoͤhret 1. Conſtantius, der Jtalien nicht wohl verlaſſen konte, entſchloß alſo Iulianum, des vorhin gedachten Galli Bruder, den er kurtz zuvor, aus der Dunckelheit, darinnen er war erzogen worden, nach Hofe hatte kommen laſſen, dahin zu ſchicken. Er ernannte ihn alſo den 6. Nou. † zum Caeſar, und gab ihm wenig Tage darauf ſeine Schweſter Helenam, zur Gemahlin. Iulianus gieng uͤber die Alpes Cottias, und trat A. 356. ſein Con- ſulat zu Vienne an, wo er den Winter vollends mit Veranſtaltung des vor- habenden Feldzuges zubrachte. Wiewohl die Teutſchen auch im Winter nicht ruheten, ſondern Autun belagerten, aber von den ueteranis tapfer abgeſchlagen wurden 2. Darauf zog Iulianus im Iunio aus, ſie aufzuſuchen, und nahm ſeinen Weg uͤber Autun, Auxerre und Troies nach Rheims, muſte ſich aber unter 7 Conſtantius ſchicket Iulia- num nach Gallien: deſ- ſen Verrich- tungen gegen die Alemañen. † A. C. 355. 8 iornandes l. c. cap. 24. Ermanaricus, rex Gothorum, licet ut ſuperius retulimus multa- rum gentium extiterit triumphator, de Hunnorum tamen aduentu dum cogitat, Roxſolanorum gens infida, quae tunc inter alias illi famulatum exhibe- bat, tali eum nanciſcitur occaſione decipere. 9 Siehe die Worte in der fuͤnften Note. 1 §. XLIV. 1. Siehe die Stelle ad §. ſeq. not. 1. 2 ammianvs marcellinvs L. XVI. c. 2. Agens itaque negotioſam hiemen apud oppidum ante dictum, inter rumores, qui uolitabant aſſi- dui, comperit Auguſtoduni ciuitatis antiquae mu- ros, ſpatioſi quidem ambitus, ſed carie uetuſtatis inua- 7 nomine, ſpatio ſtadiorum ſex millium, ab hoc dici nauigatione abeſſe inſulam Abalum; illuc uero flu- ctibus aduehi (ſuccinum) & eſſe concreti maris pur- gamentum, incolas pro ligno uti eo (ſuccino) proxi- misque Teutonis uendere. Wie viel die Roͤmer auf Boͤrnſtein gehalten, erhellet ſo wohl aus obangefuͤhr- ten Worten taciti, als andern Roͤmiſchen Seri- benten. Wenn wir nun annehmen, daß die Aeſtier allein den Boͤrnſtein geſammlet, ſolcher aber nirgends als in Preuſſen gefunden wird, ſelbſt der Name der Aeſtier auch in der Provintz Eſtland annoch uͤbrig iſt, ſo laͤßt ſich daraus ſchlieſſen, daß die Aeſtier einen Theil des ietzigen Preuſſens, nebſt Cur- und Liefland innen gehabt. Ob die Scirri und Hirri und ferner auch die Galindi und Sudeni, deren in vorhergehen- der dritten Note gedacht worden, zu den Aeſtiern zu rechnen, wie einige Gelehrte wollen, doͤrffte hier zu unterſuchen zu weitlaͤuftig fallen. Der Name der Preuſſen iſt ſpaͤter in der Hiſtorie bekannt worden. Die Aeſtier haben nachmahls, als das Koͤnigreich der Oſt-Gothen am Ponto Euxino eingegangen war, und die Nation ſchon Jtalien beherrſchte, noch immer ein gutes Vernehmen mit ihnen unterhalten. Wir finden inſonderheit, daß ſie beym Koͤnige Theodorico Freundſchafft geſuchet, und ihn mit Boͤrnſtein beſchen- cket. Die Antwort, ſo der Koͤnig den Geſandten der Aeſtier mit zuruͤcke gegeben, ſtehet in cassio- dori uariis L. V. cp. 2. HAESTIS THEODORICVS REX ILLO & ILLO legatis ueſtris uenientibus, grande uos ſtudium notitiae noſtrae habuiſſe cogno- uimus, ut in oceani litoribus conſtituti, cum noſtra mente iungi uideamini: ſuauis nobis admodum, & grata petitio, ut ad uos perueniret fama noſtra, ad quos nulla potuimus deſtinare mandata. Amate iam cognitum, quem requiſiſtis ambienter ignotum. Nam inter tot gentes uiam praeſumere, non eſt ali- quid facile concupiiſſe. Et ideo ſalutatione uos affectuoſa requirentes, indicamus, ſuccina, quae a uobis per harum portitores directa ſunt, grato ani- mo fuiſſe ſuſcepta, quae ad uos oceani unda deſcen- dens, hanc leuiſſimam ſubſtantiam, ſicut & ue- ſtrorum relatio continebat, exportat. Sed unde ueniat, incognitum uos habere dixerunt, quam aute omnes homines, patria ueſtra offerente, ſuſcipitis &c. Die Aeſtier waren auch noch zu Caroli M. Zeiten unter den Voͤlckern an der Oſt-See beruͤhmt: eginhard in uita Caroli M. c. 12. ſchreibet von ſelbigen Kuͤſten: Ad litus auſtrale Sclaui, & Aeſtii, & aliae diuerſae incolunt nationes.

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/278>, abgerufen am 22.11.2024.