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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Viertes Buch. Geschichte der Teutschen
aufwerffen lassen, ist ungewiß; die Folge der Historie zeiget, daß dergleichen Li-
nien offte, bald hie bald da, angeleget; aber auch von den Teutschen vielmahl
überstiegen, und wohl gar geschleiffet worden. Die Ländereyen, so in solcher
Marck lagen, wurden bisweilen an priuatos überlassen, wovon eine merckwürdi-
ge Stelle des berühmten Römischen Rechts-Gelehrten, pavli, zu sehen ist4. Sie
musten insgemein den Zehenden der Früchte, so sie baueten, zinsen, daher derglei-
chen Aecker, agri decumates, genennet worden5. Bisweilen wurden sie unter die
alten Kriegesknechte ausgetheilet, und in den nachfolgenden Zeiten finden wir eine
eigene Art Soldaten, die daher milites limitanei genennet worden. Bisweilen
haben sie ihre Gräntzen gegen Teutschland, selbst mit andern Teutschen, die sich ih-
nen etwan ergeben müssen, besetzet.

X. Als man indessen die Flotte zusammen gebracht hatte, schiffete Germa-
Die Römische
Flotte läuffet
in die Ems
ein. Die Rö-
mer lagern
sich an der
Weser.
nicus bey seiner Zurückkunfft, die Völcker ein, und fuhr den Rhein herunter, durch
die Fossam Drusi, in die ietzige Süder- und weiter, in die Nord-See. Er lieff in
die Ems ein, und setzete am lincken Ufer des Flusses an Land, vermuthlich, weil er
glaubete, daß die Flotte daselbst sicherer läge, als an der andern Seiten. Hinge-
gen muste er, mit vieler Beschwehrde, ietzund erst die Armee über den Fluß setzen, da-
bey etliche Tage, mit Aufschlagung der Brücken, hingingen, die er, da es schon
ziemlich tieff im Jahre war, besser hätte anwenden können. Das Römische Krie-
ges-Heer ging durch das Land der Chaucen, die den Römern selbst zu Hülffe mit-
zogen, an der See-Küste, nach der Weser zu, um die Cheruscer aufzusuchen. Ger-
manicus
war im Begriffe, das Lager an der Weser aufzuschlagen, als Nachricht
einlieff, daß die Angrivarier, so unterhalb der Lippe, zwischen der Ems, und We-
ser wohneten, hinter ihm aufgestanden wären. Er schickete daher Stertinium, mit
einem Heer Reuterey, und leicht gewaffneter Fußknechte gegen sie, der so geschwin-
de mit ihnen fertig ward, daß er, ehe es mit den Cheruscern zur Schlacht kam, wie-
der bey Germanico war. Die Cheruscer hatten sich an der andern Seiten des Flus-
ses gelagert. Arminius ließ sich ausbitten, daß er seinen Bruder, Flavium, sprechen
möchte: der sich in Römischen Diensten, so sehr durch seine Liebe zu den Rö-
mern, als der Bruder bey den Teutschen, durch seine Feindseeligkeit gegen dieselben,
herfür that. Flavius hatte vormahls, in einem Feldzuge, den er unter Tiberio mit
gethan, ein Auge verlohren. Arminius fragete ihn zuerst, auf was Art er um das-
selbe gekommen; Flavius erzehlete ihm die Umstände, und Arminius fragete wei-
ter, was er für Belohnungen dafür erhalten. Flavius rühmete, daß man ihm den
Sold vermehret, ihm eine goldene Kette, Crone, und andere kriegerische Ehren-
Zeichen geschencket. Arminius spottete derselben, und da Flavius ihm die Römi-
schen Dienste anpreisen wollte, auch dabey lobete, wie wohl Arminii Gemah-
lin, und Sohn, ohngeachtet sie Gefangenen wären, gehalten würden; Arminius

hingegen
4 [Beginn Spaltensatz] pavlvs l. 11. ff. de Euict. Lucius Titius praedia
in Germania trans Rhenum emit, & partem pretii
intulit; cum in residuam quantitatem heres emtoris
conueniretur, quaestionem retulit, dicens, has possessi-
[Spaltenumbruch] ones ex praecepto principali partim distractas, par-
tim ueteranis in praemia ad signatas: Quaero an hu-
ius rei periculum ad uenditorem pertinere possit?
Paulus respondet, futuros casus euictionis, post con-

[Ende Spaltensatz]
tractam
5

Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen
aufwerffen laſſen, iſt ungewiß; die Folge der Hiſtorie zeiget, daß dergleichen Li-
nien offte, bald hie bald da, angeleget; aber auch von den Teutſchen vielmahl
uͤberſtiegen, und wohl gar geſchleiffet worden. Die Laͤndereyen, ſo in ſolcher
Marck lagen, wurden bisweilen an priuatos uͤberlaſſen, wovon eine merckwuͤrdi-
ge Stelle des beruͤhmten Roͤmiſchen Rechts-Gelehrten, pavli, zu ſehen iſt4. Sie
muſten insgemein den Zehenden der Fruͤchte, ſo ſie baueten, zinſen, daher derglei-
chen Aecker, agri decumates, genennet worden5. Bisweilen wurden ſie unter die
alten Kriegesknechte ausgetheilet, und in den nachfolgenden Zeiten finden wir eine
eigene Art Soldaten, die daher milites limitanei genennet worden. Bisweilen
haben ſie ihre Graͤntzen gegen Teutſchland, ſelbſt mit andern Teutſchen, die ſich ih-
nen etwan ergeben muͤſſen, beſetzet.

X. Als man indeſſen die Flotte zuſammen gebracht hatte, ſchiffete Germa-
Die Roͤmiſche
Flotte laͤuffet
in die Ems
ein. Die Roͤ-
mer lagern
ſich an der
Weſer.
nicus bey ſeiner Zuruͤckkunfft, die Voͤlcker ein, und fuhr den Rhein herunter, durch
die Foſſam Druſi, in die ietzige Suͤder- und weiter, in die Nord-See. Er lieff in
die Ems ein, und ſetzete am lincken Ufer des Fluſſes an Land, vermuthlich, weil er
glaubete, daß die Flotte daſelbſt ſicherer laͤge, als an der andern Seiten. Hinge-
gen muſte er, mit vieler Beſchwehrde, ietzund erſt die Armee uͤber den Fluß ſetzen, da-
bey etliche Tage, mit Aufſchlagung der Bruͤcken, hingingen, die er, da es ſchon
ziemlich tieff im Jahre war, beſſer haͤtte anwenden koͤnnen. Das Roͤmiſche Krie-
ges-Heer ging durch das Land der Chaucen, die den Roͤmern ſelbſt zu Huͤlffe mit-
zogen, an der See-Kuͤſte, nach der Weſer zu, um die Cheruſcer aufzuſuchen. Ger-
manicus
war im Begriffe, das Lager an der Weſer aufzuſchlagen, als Nachricht
einlieff, daß die Angrivarier, ſo unterhalb der Lippe, zwiſchen der Ems, und We-
ſer wohneten, hinter ihm aufgeſtanden waͤren. Er ſchickete daher Stertinium, mit
einem Heer Reuterey, und leicht gewaffneter Fußknechte gegen ſie, der ſo geſchwin-
de mit ihnen fertig ward, daß er, ehe es mit den Cheruſcern zur Schlacht kam, wie-
der bey Germanico war. Die Cheruſcer hatten ſich an der andern Seiten des Fluſ-
ſes gelagert. Arminius ließ ſich ausbitten, daß er ſeinen Bruder, Flavium, ſprechen
moͤchte: der ſich in Roͤmiſchen Dienſten, ſo ſehr durch ſeine Liebe zu den Roͤ-
mern, als der Bruder bey den Teutſchen, durch ſeine Feindſeeligkeit gegen dieſelben,
herfuͤr that. Flavius hatte vormahls, in einem Feldzuge, den er unter Tiberio mit
gethan, ein Auge verlohren. Arminius fragete ihn zuerſt, auf was Art er um daſ-
ſelbe gekommen; Flavius erzehlete ihm die Umſtaͤnde, und Arminius fragete wei-
ter, was er fuͤr Belohnungen dafuͤr erhalten. Flavius ruͤhmete, daß man ihm den
Sold vermehret, ihm eine goldene Kette, Crone, und andere kriegeriſche Ehren-
Zeichen geſchencket. Arminius ſpottete derſelben, und da Flavius ihm die Roͤmi-
ſchen Dienſte anpreiſen wollte, auch dabey lobete, wie wohl Arminii Gemah-
lin, und Sohn, ohngeachtet ſie Gefangenen waͤren, gehalten wuͤrden; Arminius

hingegen
4 [Beginn Spaltensatz] pavlvs l. 11. ff. de Euict. Lucius Titius praedia
in Germania trans Rhenum emit, & partem pretii
intulit; cum in reſiduam quantitatem heres emtoris
conueniretur, quaeſtionem retulit, dicens, has poſſeſſi-
[Spaltenumbruch] ones ex praecepto principali partim diſtractas, par-
tim ueteranis in praemia ad ſignatas: Quaero an hu-
ius rei periculum ad uenditorem pertinere poſſit?
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[Ende Spaltensatz]
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[92/0126] Viertes Buch. Geſchichte der Teutſchen aufwerffen laſſen, iſt ungewiß; die Folge der Hiſtorie zeiget, daß dergleichen Li- nien offte, bald hie bald da, angeleget; aber auch von den Teutſchen vielmahl uͤberſtiegen, und wohl gar geſchleiffet worden. Die Laͤndereyen, ſo in ſolcher Marck lagen, wurden bisweilen an priuatos uͤberlaſſen, wovon eine merckwuͤrdi- ge Stelle des beruͤhmten Roͤmiſchen Rechts-Gelehrten, pavli, zu ſehen iſt 4. Sie muſten insgemein den Zehenden der Fruͤchte, ſo ſie baueten, zinſen, daher derglei- chen Aecker, agri decumates, genennet worden 5. Bisweilen wurden ſie unter die alten Kriegesknechte ausgetheilet, und in den nachfolgenden Zeiten finden wir eine eigene Art Soldaten, die daher milites limitanei genennet worden. Bisweilen haben ſie ihre Graͤntzen gegen Teutſchland, ſelbſt mit andern Teutſchen, die ſich ih- nen etwan ergeben muͤſſen, beſetzet. X. Als man indeſſen die Flotte zuſammen gebracht hatte, ſchiffete Germa- nicus bey ſeiner Zuruͤckkunfft, die Voͤlcker ein, und fuhr den Rhein herunter, durch die Foſſam Druſi, in die ietzige Suͤder- und weiter, in die Nord-See. Er lieff in die Ems ein, und ſetzete am lincken Ufer des Fluſſes an Land, vermuthlich, weil er glaubete, daß die Flotte daſelbſt ſicherer laͤge, als an der andern Seiten. Hinge- gen muſte er, mit vieler Beſchwehrde, ietzund erſt die Armee uͤber den Fluß ſetzen, da- bey etliche Tage, mit Aufſchlagung der Bruͤcken, hingingen, die er, da es ſchon ziemlich tieff im Jahre war, beſſer haͤtte anwenden koͤnnen. Das Roͤmiſche Krie- ges-Heer ging durch das Land der Chaucen, die den Roͤmern ſelbſt zu Huͤlffe mit- zogen, an der See-Kuͤſte, nach der Weſer zu, um die Cheruſcer aufzuſuchen. Ger- manicus war im Begriffe, das Lager an der Weſer aufzuſchlagen, als Nachricht einlieff, daß die Angrivarier, ſo unterhalb der Lippe, zwiſchen der Ems, und We- ſer wohneten, hinter ihm aufgeſtanden waͤren. Er ſchickete daher Stertinium, mit einem Heer Reuterey, und leicht gewaffneter Fußknechte gegen ſie, der ſo geſchwin- de mit ihnen fertig ward, daß er, ehe es mit den Cheruſcern zur Schlacht kam, wie- der bey Germanico war. Die Cheruſcer hatten ſich an der andern Seiten des Fluſ- ſes gelagert. Arminius ließ ſich ausbitten, daß er ſeinen Bruder, Flavium, ſprechen moͤchte: der ſich in Roͤmiſchen Dienſten, ſo ſehr durch ſeine Liebe zu den Roͤ- mern, als der Bruder bey den Teutſchen, durch ſeine Feindſeeligkeit gegen dieſelben, herfuͤr that. Flavius hatte vormahls, in einem Feldzuge, den er unter Tiberio mit gethan, ein Auge verlohren. Arminius fragete ihn zuerſt, auf was Art er um daſ- ſelbe gekommen; Flavius erzehlete ihm die Umſtaͤnde, und Arminius fragete wei- ter, was er fuͤr Belohnungen dafuͤr erhalten. Flavius ruͤhmete, daß man ihm den Sold vermehret, ihm eine goldene Kette, Crone, und andere kriegeriſche Ehren- Zeichen geſchencket. Arminius ſpottete derſelben, und da Flavius ihm die Roͤmi- ſchen Dienſte anpreiſen wollte, auch dabey lobete, wie wohl Arminii Gemah- lin, und Sohn, ohngeachtet ſie Gefangenen waͤren, gehalten wuͤrden; Arminius hingegen Die Roͤmiſche Flotte laͤuffet in die Ems ein. Die Roͤ- mer lagern ſich an der Weſer. 4 pavlvs l. 11. ff. de Euict. Lucius Titius praedia in Germania trans Rhenum emit, & partem pretii intulit; cum in reſiduam quantitatem heres emtoris conueniretur, quaeſtionem retulit, dicens, has poſſeſſi- ones ex praecepto principali partim diſtractas, par- tim ueteranis in praemia ad ſignatas: Quaero an hu- ius rei periculum ad uenditorem pertinere poſſit? Paulus reſpondet, futuros caſus euictionis, poſt con- tractam 5

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/126>, abgerufen am 23.11.2024.