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Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726.

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Drittes Buch. Geschichte der Teutschen
A. Ch. 9.würde das Volck wohl in Ruhe bleiben müssen1. Allein Varus kehrete sich nicht
daran, vielleicht, weil er glaubete, Segestes rede irgends aus Feindseligkeit; oder
auch, weil er den Teutschen so viel List nicht zutrauete. Er machte sich also mit
drey Legionen auf den Weg, gegen die Weser zu, in welcher Gegend die Unruhe
angegangen war. Arminius, und die anderen Teutschen Herren, mit denen er
die Sache abgeredet, blieben zurücke, und bothen ihre Leute auf, unter dem Vor-
wande, sie Varo zu Hülffe zu führen. Auf die Art kamen alle benachbarte Völcker
in die Waffen, ohne daß Quintilius Varus die rechte Ursache merckete: der indes-
sen gantz langsam, und ohne Ordnung, weil er glaubte in Freundes Lande zu seyn,
fortzog. Als Arminius seine Zeit abgesehen hatte, ertheilete er weit und breit Be-
fehl, die Römer, so etwan in Quartieren, oder auf Fütterung angetroffen wür-
den, umzubringen. Er selbst eilete Varo nach, und traff ihn mit seinen Soldaten
in dem Teutenburgischen Forste, in der grösten Unordnung, in einem ungebahnten,
waldigten Gebürge, und grieff ihn von allen Seiten an. Varus zog seine Leu-
te, so gut er in der Eile konnte, zusammen, ließ die meisten Wägen, und alles Heer-
geräthe, so man entbehren konnte, verbrennen, und marchirete den folgenden
Tag in besserer Ordnung. Die Teutschen aber, so alle Fußsteige kenneten, und
auf den ersten Ruff von dem Vorhaben ihrer Landes-Leute, und dessen glücklichem
Anfange, von allen Enden herzu eileten, drungen allenthalben auf sie ein, daß Va-
rus
zum andernmahle sich setzen wollte2. Hier schien der Himmel selbst ihn den
Feinden in die Hände zu lieffern. Es fiel ein starcker Platz-Regen, der das Erd-
reich so erweichete, daß die Römer weder stehen, noch fortgehen konnten, und ein
hefftiger Wind hinderte sie zugleich ihre Spiesse, Pfeile, und Schilder, zu gebrau-
chen. Den Teutschen, die meistentheils leicht gewaffnet, that er eben so grossen
Schaden nicht. Nachdem endlich Quintilius Varus, und einige seiner vornehm-
sten Officier selbst verwundet worden, gaben sie alles verlohren, und fielen in ihre
eigene Schwerdter, wodurch den anderen Soldaten der noch übrige Muth vollends
entfiel. Die Römer, so sonst, wenn sie das Feld behalten, die Teutschen wie

das
1 [Beginn Spaltensatz] §. XXVI. 1. tacitvs Annal L. I. c. 55. Segestes
parari rebellionem, saepe alias, & supremo conuiuio,
post quod in arma itum, aperuit. Suasitque Varo, ut
se, & Arminium, & caeteros principes, uinciret, nihil
ausuram plebem principihus amotis, atque ipsi tem-
pus fore, quo crimina, & innoxios, discerneret.
2 Die beyden Campements unterscheidet taci-
tvs
sehr wohl An. L. I. c. 61. Ductum inde agmen ad
ultimos Bructerorum: quantumque Amisiam & Lup-
piam, amnes inter, uastatum: haud procul Teutobur-
giensi saltu, in quo reliquiae Vari, legionumque in se-
pultae dicebantur. Igitur cupido caesarem inuadit
soluendi suprema militibus, ducique; permoto ad
miserationem omni, qui aderat, exercitu, ob propin-
quos, amicos, denique ob casus bellorum, & sortem
hominum. Praemisso Caecina, ut occulta saltuum
scrutaretur, pontesque, & aggeres, humido paludum
[Spaltenumbruch] & fallacibus campis imponeret. Incedunt moestos
locos, uisuque ac memoria, deformes. Prima Vari
castra, lato ambitu, & dimensis principiis trium legi-
onum manus ostentabat: dein semiruto vallo, humi-
li fossa, accisae iam reliquiae consedisse intelligeban-
tur: medio campi albentia ossa, ut fugerant, ut
restiterant, disiecta vel aggerata: adiacebant fra-
gmina telorum, equorumque artus, simul truncis
arborum antefixa ora; lucis propinquis barbarae
arae, apud quas tribunos, ac primorum ordinum
centuriones, mactauerant. Et cladis eius superstites,
pugnam, aut uincula, elapsi, referebant, hic cecidisse
legatos, illic raptas aquilas; primum ubi uulnus
Varo adactum; ubi infelici dextra, ex suo ictu mor-
tem inuenerit; quo tribunali concionatus Arminius;
quot patibula captiuis, quae scrobes; utque signis
& aquilis per superbiam inluserit.

[Ende Spaltensatz]
3. Einige

Drittes Buch. Geſchichte der Teutſchen
A. Ch. 9.wuͤrde das Volck wohl in Ruhe bleiben muͤſſen1. Allein Varus kehrete ſich nicht
daran, vielleicht, weil er glaubete, Segeſtes rede irgends aus Feindſeligkeit; oder
auch, weil er den Teutſchen ſo viel Liſt nicht zutrauete. Er machte ſich alſo mit
drey Legionen auf den Weg, gegen die Weſer zu, in welcher Gegend die Unruhe
angegangen war. Arminius, und die anderen Teutſchen Herren, mit denen er
die Sache abgeredet, blieben zuruͤcke, und bothen ihre Leute auf, unter dem Vor-
wande, ſie Varo zu Huͤlffe zu fuͤhren. Auf die Art kamen alle benachbarte Voͤlcker
in die Waffen, ohne daß Quintilius Varus die rechte Urſache merckete: der indeſ-
ſen gantz langſam, und ohne Ordnung, weil er glaubte in Freundes Lande zu ſeyn,
fortzog. Als Arminius ſeine Zeit abgeſehen hatte, ertheilete er weit und breit Be-
fehl, die Roͤmer, ſo etwan in Quartieren, oder auf Fuͤtterung angetroffen wuͤr-
den, umzubringen. Er ſelbſt eilete Varo nach, und traff ihn mit ſeinen Soldaten
in dem Teutenburgiſchen Forſte, in der groͤſten Unordnung, in einem ungebahnten,
waldigten Gebuͤrge, und grieff ihn von allen Seiten an. Varus zog ſeine Leu-
te, ſo gut er in der Eile konnte, zuſammen, ließ die meiſten Waͤgen, und alles Heer-
geraͤthe, ſo man entbehren konnte, verbrennen, und marchirete den folgenden
Tag in beſſerer Ordnung. Die Teutſchen aber, ſo alle Fußſteige kenneten, und
auf den erſten Ruff von dem Vorhaben ihrer Landes-Leute, und deſſen gluͤcklichem
Anfange, von allen Enden herzu eileten, drungen allenthalben auf ſie ein, daß Va-
rus
zum andernmahle ſich ſetzen wollte2. Hier ſchien der Himmel ſelbſt ihn den
Feinden in die Haͤnde zu lieffern. Es fiel ein ſtarcker Platz-Regen, der das Erd-
reich ſo erweichete, daß die Roͤmer weder ſtehen, noch fortgehen konnten, und ein
hefftiger Wind hinderte ſie zugleich ihre Spieſſe, Pfeile, und Schilder, zu gebrau-
chen. Den Teutſchen, die meiſtentheils leicht gewaffnet, that er eben ſo groſſen
Schaden nicht. Nachdem endlich Quintilius Varus, und einige ſeiner vornehm-
ſten Officier ſelbſt verwundet worden, gaben ſie alles verlohren, und fielen in ihre
eigene Schwerdter, wodurch den anderen Soldaten der noch uͤbrige Muth vollends
entfiel. Die Roͤmer, ſo ſonſt, wenn ſie das Feld behalten, die Teutſchen wie

das
1 [Beginn Spaltensatz] §. XXVI. 1. tacitvs Annal L. I. c. 55. Segeſtes
parari rebellionem, ſaepe alias, & ſupremo conuiuio,
poſt quod in arma itum, aperuit. Suaſitque Varo, ut
ſe, & Arminium, & caeteros principes, uinciret, nihil
auſuram plebem principihus amotis, atque ipſi tem-
pus fore, quo crimina, & innoxios, diſcerneret.
2 Die beyden Campements unterſcheidet taci-
tvs
ſehr wohl An. L. I. c. 61. Ductum inde agmen ad
ultimos Bructerorum: quantumque Amiſiam & Lup-
piam, amnes inter, uaſtatum: haud procul Teutobur-
gienſi ſaltu, in quo reliquiae Vari, legionumque in ſe-
pultae dicebantur. Igitur cupido caeſarem inuadit
ſoluendi ſuprema militibus, ducique; permoto ad
miſerationem omni, qui aderat, exercitu, ob propin-
quos, amicos, denique ob caſus bellorum, & ſortem
hominum. Praemiſſo Caecina, ut occulta ſaltuum
ſcrutaretur, pontesque, & aggeres, humido paludum
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caſtra, lato ambitu, & dimenſis principiis trium legi-
onum manus oſtentabat: dein ſemiruto vallo, humi-
li foſſa, acciſae iam reliquiae conſediſſe intelligeban-
tur: medio campi albentia oſſa, ut fugerant, ut
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gmina telorum, equorumque artus, ſimul truncis
arborum antefixa ora; lucis propinquis barbarae
arae, apud quas tribunos, ac primorum ordinum
centuriones, mactauerant. Et cladis eius ſuperſtites,
pugnam, aut uincula, elapſi, referebant, hic cecidiſſe
legatos, illic raptas aquilas; primum ubi uulnus
Varo adactum; ubi infelici dextra, ex ſuo ictu mor-
tem inuenerit; quo tribunali concionatus Arminius;
quot patibula captiuis, quae ſcrobes; utque ſignis
& aquilis per ſuperbiam inluſerit.

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3. Einige
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[78/0112] Drittes Buch. Geſchichte der Teutſchen wuͤrde das Volck wohl in Ruhe bleiben muͤſſen 1. Allein Varus kehrete ſich nicht daran, vielleicht, weil er glaubete, Segeſtes rede irgends aus Feindſeligkeit; oder auch, weil er den Teutſchen ſo viel Liſt nicht zutrauete. Er machte ſich alſo mit drey Legionen auf den Weg, gegen die Weſer zu, in welcher Gegend die Unruhe angegangen war. Arminius, und die anderen Teutſchen Herren, mit denen er die Sache abgeredet, blieben zuruͤcke, und bothen ihre Leute auf, unter dem Vor- wande, ſie Varo zu Huͤlffe zu fuͤhren. Auf die Art kamen alle benachbarte Voͤlcker in die Waffen, ohne daß Quintilius Varus die rechte Urſache merckete: der indeſ- ſen gantz langſam, und ohne Ordnung, weil er glaubte in Freundes Lande zu ſeyn, fortzog. Als Arminius ſeine Zeit abgeſehen hatte, ertheilete er weit und breit Be- fehl, die Roͤmer, ſo etwan in Quartieren, oder auf Fuͤtterung angetroffen wuͤr- den, umzubringen. Er ſelbſt eilete Varo nach, und traff ihn mit ſeinen Soldaten in dem Teutenburgiſchen Forſte, in der groͤſten Unordnung, in einem ungebahnten, waldigten Gebuͤrge, und grieff ihn von allen Seiten an. Varus zog ſeine Leu- te, ſo gut er in der Eile konnte, zuſammen, ließ die meiſten Waͤgen, und alles Heer- geraͤthe, ſo man entbehren konnte, verbrennen, und marchirete den folgenden Tag in beſſerer Ordnung. Die Teutſchen aber, ſo alle Fußſteige kenneten, und auf den erſten Ruff von dem Vorhaben ihrer Landes-Leute, und deſſen gluͤcklichem Anfange, von allen Enden herzu eileten, drungen allenthalben auf ſie ein, daß Va- rus zum andernmahle ſich ſetzen wollte 2. Hier ſchien der Himmel ſelbſt ihn den Feinden in die Haͤnde zu lieffern. Es fiel ein ſtarcker Platz-Regen, der das Erd- reich ſo erweichete, daß die Roͤmer weder ſtehen, noch fortgehen konnten, und ein hefftiger Wind hinderte ſie zugleich ihre Spieſſe, Pfeile, und Schilder, zu gebrau- chen. Den Teutſchen, die meiſtentheils leicht gewaffnet, that er eben ſo groſſen Schaden nicht. Nachdem endlich Quintilius Varus, und einige ſeiner vornehm- ſten Officier ſelbſt verwundet worden, gaben ſie alles verlohren, und fielen in ihre eigene Schwerdter, wodurch den anderen Soldaten der noch uͤbrige Muth vollends entfiel. Die Roͤmer, ſo ſonſt, wenn ſie das Feld behalten, die Teutſchen wie das A. Ch. 9. 1 §. XXVI. 1. tacitvs Annal L. I. c. 55. Segeſtes parari rebellionem, ſaepe alias, & ſupremo conuiuio, poſt quod in arma itum, aperuit. Suaſitque Varo, ut ſe, & Arminium, & caeteros principes, uinciret, nihil auſuram plebem principihus amotis, atque ipſi tem- pus fore, quo crimina, & innoxios, diſcerneret. 2 Die beyden Campements unterſcheidet taci- tvs ſehr wohl An. L. I. c. 61. Ductum inde agmen ad ultimos Bructerorum: quantumque Amiſiam & Lup- piam, amnes inter, uaſtatum: haud procul Teutobur- gienſi ſaltu, in quo reliquiae Vari, legionumque in ſe- pultae dicebantur. Igitur cupido caeſarem inuadit ſoluendi ſuprema militibus, ducique; permoto ad miſerationem omni, qui aderat, exercitu, ob propin- quos, amicos, denique ob caſus bellorum, & ſortem hominum. Praemiſſo Caecina, ut occulta ſaltuum ſcrutaretur, pontesque, & aggeres, humido paludum & fallacibus campis imponeret. Incedunt moeſtos locos, uiſuque ac memoria, deformes. Prima Vari caſtra, lato ambitu, & dimenſis principiis trium legi- onum manus oſtentabat: dein ſemiruto vallo, humi- li foſſa, acciſae iam reliquiae conſediſſe intelligeban- tur: medio campi albentia oſſa, ut fugerant, ut reſtiterant, diſiecta vel aggerata: adiacebant fra- gmina telorum, equorumque artus, ſimul truncis arborum antefixa ora; lucis propinquis barbarae arae, apud quas tribunos, ac primorum ordinum centuriones, mactauerant. Et cladis eius ſuperſtites, pugnam, aut uincula, elapſi, referebant, hic cecidiſſe legatos, illic raptas aquilas; primum ubi uulnus Varo adactum; ubi infelici dextra, ex ſuo ictu mor- tem inuenerit; quo tribunali concionatus Arminius; quot patibula captiuis, quae ſcrobes; utque ſignis & aquilis per ſuperbiam inluſerit. 3. Einige

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Zitationshilfe: Mascov, Johann Jakob: Geschichte der Teutschen. Bd. 1. Leipzig, 1726, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mascov_geschichte01_1726/112>, abgerufen am 24.11.2024.