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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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hauptung sein, dass das Geldkapital eines Landes in Zeiten der
Klemme vermindert ist, so ist dies identisch damit, dass die Preise
der Waaren gefallen sind. Ein solcher Zusammenbruch der Preise
gleicht übrigens nur ihre frühere Aufblähung aus.

Die Einnahmen der unproduktiven Klassen und derer, die von
festem Einkommen leben, bleiben zum grössten Theil stationär
während der Preisaufblähung, die mit der Ueberproduktion und
Ueberspekulation Hand in Hand geht. Ihre Konsumtionsfähigkeit
vermindert sich daher relativ, und damit ihre Fähigkeit, den Theil
der Gesammtreproduktion zu ersetzen, der normaliter in ihre Kon-
sumtion eingehn müsste. Selbst wenn ihre Nachfrage nominell
dieselbe bleibt, nimmt sie in Wirklichkeit ab.

Mit Bezug auf Einfuhr und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der
Reihe nach alle Länder in die Krisis verwickelt werden und dass
es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen Ausnahmen, zuviel
exportirt und importirt haben, also die Zahlungsbilanz gegen
alle ist
, die Sache also in der That nicht an der Zahlungsbilanz
liegt. Z. B. England laborirt an Goldabfluss. Es hat überimportirt.
Aber zugleich sind alle andren Länder mit englischen Waaren
überladen. Sie haben also auch überimportirt, oder sind über-
importirt worden. (Allerdings tritt ein Unterschied ein zwischen dem
Land, das auf Kredit exportirt, und denen, die nicht oder nur
wenig gegen Kredit exportiren. Die letzteren importiren dann aber
auf Kredit; und dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Waare
dorthin auf Konsignation geschickt wird.) Die Krise mag zuerst in
England ausbrechen, in dem Lande, das den meisten Kredit gibt
und den wenigsten nimmt, weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz der
fälligen Zahlungen, die sofort liquidirt werden muss, gegen es,
obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es ist. Dies letztere
erklärt sich theils aus dem von ihm gegebnen Kredit, theils aus
der Masse ans Ausland verliehner Kapitale, sodass eine Masse Rück-
flüsse in Waaren, ausser den eigentlichen Handelsretouren, ihm zu-
strömen. (Die Krise brach aber zuweilen auch zuerst in Amerika
aus, dem Lande, das den meisten Handels- und Kapitalkredit von
England nimmt.) Der Krach in England, eingeleitet und begleitet
von Goldabfluss, saldirt Englands Zahlungsbilanz, theils durch den
Bankrott seiner Importeurs (worüber weiter unten), theils durch
Wegtreiben eines Theils seines Waarenkapitals zu wohlfeilen
Preisen ins Ausland, theils durch Verkauf fremder Werthpapiere,
Ankauf von englischen etc. Nun kommt die Reihe an ein andres
Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist

hauptung sein, dass das Geldkapital eines Landes in Zeiten der
Klemme vermindert ist, so ist dies identisch damit, dass die Preise
der Waaren gefallen sind. Ein solcher Zusammenbruch der Preise
gleicht übrigens nur ihre frühere Aufblähung aus.

Die Einnahmen der unproduktiven Klassen und derer, die von
festem Einkommen leben, bleiben zum grössten Theil stationär
während der Preisaufblähung, die mit der Ueberproduktion und
Ueberspekulation Hand in Hand geht. Ihre Konsumtionsfähigkeit
vermindert sich daher relativ, und damit ihre Fähigkeit, den Theil
der Gesammtreproduktion zu ersetzen, der normaliter in ihre Kon-
sumtion eingehn müsste. Selbst wenn ihre Nachfrage nominell
dieselbe bleibt, nimmt sie in Wirklichkeit ab.

Mit Bezug auf Einfuhr und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der
Reihe nach alle Länder in die Krisis verwickelt werden und dass
es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen Ausnahmen, zuviel
exportirt und importirt haben, also die Zahlungsbilanz gegen
alle ist
, die Sache also in der That nicht an der Zahlungsbilanz
liegt. Z. B. England laborirt an Goldabfluss. Es hat überimportirt.
Aber zugleich sind alle andren Länder mit englischen Waaren
überladen. Sie haben also auch überimportirt, oder sind über-
importirt worden. (Allerdings tritt ein Unterschied ein zwischen dem
Land, das auf Kredit exportirt, und denen, die nicht oder nur
wenig gegen Kredit exportiren. Die letzteren importiren dann aber
auf Kredit; und dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Waare
dorthin auf Konsignation geschickt wird.) Die Krise mag zuerst in
England ausbrechen, in dem Lande, das den meisten Kredit gibt
und den wenigsten nimmt, weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz der
fälligen Zahlungen, die sofort liquidirt werden muss, gegen es,
obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es ist. Dies letztere
erklärt sich theils aus dem von ihm gegebnen Kredit, theils aus
der Masse ans Ausland verliehner Kapitale, sodass eine Masse Rück-
flüsse in Waaren, ausser den eigentlichen Handelsretouren, ihm zu-
strömen. (Die Krise brach aber zuweilen auch zuerst in Amerika
aus, dem Lande, das den meisten Handels- und Kapitalkredit von
England nimmt.) Der Krach in England, eingeleitet und begleitet
von Goldabfluss, saldirt Englands Zahlungsbilanz, theils durch den
Bankrott seiner Importeurs (worüber weiter unten), theils durch
Wegtreiben eines Theils seines Waarenkapitals zu wohlfeilen
Preisen ins Ausland, theils durch Verkauf fremder Werthpapiere,
Ankauf von englischen etc. Nun kommt die Reihe an ein andres
Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist

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[29/0038] hauptung sein, dass das Geldkapital eines Landes in Zeiten der Klemme vermindert ist, so ist dies identisch damit, dass die Preise der Waaren gefallen sind. Ein solcher Zusammenbruch der Preise gleicht übrigens nur ihre frühere Aufblähung aus. Die Einnahmen der unproduktiven Klassen und derer, die von festem Einkommen leben, bleiben zum grössten Theil stationär während der Preisaufblähung, die mit der Ueberproduktion und Ueberspekulation Hand in Hand geht. Ihre Konsumtionsfähigkeit vermindert sich daher relativ, und damit ihre Fähigkeit, den Theil der Gesammtreproduktion zu ersetzen, der normaliter in ihre Kon- sumtion eingehn müsste. Selbst wenn ihre Nachfrage nominell dieselbe bleibt, nimmt sie in Wirklichkeit ab. Mit Bezug auf Einfuhr und Ausfuhr ist zu bemerken, dass der Reihe nach alle Länder in die Krisis verwickelt werden und dass es sich dann zeigt, dass sie alle, mit wenigen Ausnahmen, zuviel exportirt und importirt haben, also die Zahlungsbilanz gegen alle ist, die Sache also in der That nicht an der Zahlungsbilanz liegt. Z. B. England laborirt an Goldabfluss. Es hat überimportirt. Aber zugleich sind alle andren Länder mit englischen Waaren überladen. Sie haben also auch überimportirt, oder sind über- importirt worden. (Allerdings tritt ein Unterschied ein zwischen dem Land, das auf Kredit exportirt, und denen, die nicht oder nur wenig gegen Kredit exportiren. Die letzteren importiren dann aber auf Kredit; und dies ist nur dann nicht der Fall, wenn die Waare dorthin auf Konsignation geschickt wird.) Die Krise mag zuerst in England ausbrechen, in dem Lande, das den meisten Kredit gibt und den wenigsten nimmt, weil die Zahlungsbilanz, die Bilanz der fälligen Zahlungen, die sofort liquidirt werden muss, gegen es, obgleich die allgemeine Handelsbilanz für es ist. Dies letztere erklärt sich theils aus dem von ihm gegebnen Kredit, theils aus der Masse ans Ausland verliehner Kapitale, sodass eine Masse Rück- flüsse in Waaren, ausser den eigentlichen Handelsretouren, ihm zu- strömen. (Die Krise brach aber zuweilen auch zuerst in Amerika aus, dem Lande, das den meisten Handels- und Kapitalkredit von England nimmt.) Der Krach in England, eingeleitet und begleitet von Goldabfluss, saldirt Englands Zahlungsbilanz, theils durch den Bankrott seiner Importeurs (worüber weiter unten), theils durch Wegtreiben eines Theils seines Waarenkapitals zu wohlfeilen Preisen ins Ausland, theils durch Verkauf fremder Werthpapiere, Ankauf von englischen etc. Nun kommt die Reihe an ein andres Land. Die Zahlungsbilanz war momentan für es; aber jetzt ist

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/38>, abgerufen am 29.03.2024.