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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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keine Anlage von agrikolem Kapital. Sie ist pro tanto eine Ver-
minderung des Kapitals, über das die Kleinbauern in ihrer Produk-
tionssphäre selbst verfügen können. Sie vermindert pro tanto den
Umfang ihrer Produktionsmittel und verengert daher die ökonomische
Basis der Reproduktion. Sie unterwirft den Kleinbauer dem Wucher,
da in dieser Sphäre überhaupt weniger eigentlicher Kredit vor-
kommt. Sie ist ein Hemmniss der Agrikultur, auch wo dieser
Kauf bei grossen Gutswirthschaften stattfindet. Sie widerspricht
in der That der kapitalistischen Produktionsweise, der die Ver-
schuldung des Grundeigenthümers, ob er sein Gut geerbt oder ge-
kauft hat, im ganzen gleichgültig ist. Ob er die Rente selbst ein-
steckt, oder sie wieder an Hypothekargläubiger wegzahlen muss,
ändert an der Bewirthschaftung des verpachteten Landguts selbst
an sich nichts.

Man hat gesehn, dass bei gegebner Grundrente der Bodenpreis
regulirt ist durch den Zinsfuss. Ist dieser niedrig, so ist der
Bodenpreis hoch, und umgekehrt. Normal also müssten hoher
Bodenpreis und niedriger Zinsfuss zusammengehn, sodass wenn der
Bauer in Folge des niedrigen Zinsfusses den Boden hoch zahlte,
derselbe niedrige Zinsfuss ihm auch zu günstigen Bedingungen
Betriebskapital auf Kredit verschaffen müsste. In der Wirklichkeit
verhält sich die Sache anders bei vorherrschendem Parcelleneigen-
thum. Zunächst passen auf den Bauern die allgemeinen Gesetze
des Kredits nicht, da diese den Producenten als Kapitalisten vor-
aussetzen. Zweitens, wo das Parcelleneigenthum vorherrscht --
von Kolonien ist hier nicht die Rede -- und der Parcellenbauer
den Grundstock der Nation bildet, ist die Kapitalbildung, d. h. die
gesellschaftliche Reproduktion, relativ schwach, und noch schwächer
die Bildung von leihbarem Geldkapital in dem früher entwickelten
Sinn. Diese setzt voraus Koncentration und die Existenz einer
Klasse reicher müssiger Kapitalisten (Massie). Drittens, hier wo das
Eigenthum am Boden eine Lebensbedingung für den grössten Theil
der Producenten bildet, und ein unentbehrliches Anlagefeld für ihr
Kapital, wird der Bodenpreis gesteigert, unabhängig vom Zinsfuss
und oft im umgekehrten Verhältniss zu ihm, durch das Uebergewicht
der Nachfrage nach Grundeigenthum über das Angebot. In Par-
cellen verkauft, bringt der Boden hier einen weit höhern Preis als
beim Verkauf grosser Massen, weil hier die Zahl der kleinen Käufer
gross, und die der grossen Käufer klein ist (Bandes Noires, Rubichon;
Newman). Aus allen diesen Gründen steigt hier der Bodenpreis bei
relativ hohem Zinsfuss. Dem relativ niedrigen Zins, den der Bauer

keine Anlage von agrikolem Kapital. Sie ist pro tanto eine Ver-
minderung des Kapitals, über das die Kleinbauern in ihrer Produk-
tionssphäre selbst verfügen können. Sie vermindert pro tanto den
Umfang ihrer Produktionsmittel und verengert daher die ökonomische
Basis der Reproduktion. Sie unterwirft den Kleinbauer dem Wucher,
da in dieser Sphäre überhaupt weniger eigentlicher Kredit vor-
kommt. Sie ist ein Hemmniss der Agrikultur, auch wo dieser
Kauf bei grossen Gutswirthschaften stattfindet. Sie widerspricht
in der That der kapitalistischen Produktionsweise, der die Ver-
schuldung des Grundeigenthümers, ob er sein Gut geerbt oder ge-
kauft hat, im ganzen gleichgültig ist. Ob er die Rente selbst ein-
steckt, oder sie wieder an Hypothekargläubiger wegzahlen muss,
ändert an der Bewirthschaftung des verpachteten Landguts selbst
an sich nichts.

Man hat gesehn, dass bei gegebner Grundrente der Bodenpreis
regulirt ist durch den Zinsfuss. Ist dieser niedrig, so ist der
Bodenpreis hoch, und umgekehrt. Normal also müssten hoher
Bodenpreis und niedriger Zinsfuss zusammengehn, sodass wenn der
Bauer in Folge des niedrigen Zinsfusses den Boden hoch zahlte,
derselbe niedrige Zinsfuss ihm auch zu günstigen Bedingungen
Betriebskapital auf Kredit verschaffen müsste. In der Wirklichkeit
verhält sich die Sache anders bei vorherrschendem Parcelleneigen-
thum. Zunächst passen auf den Bauern die allgemeinen Gesetze
des Kredits nicht, da diese den Producenten als Kapitalisten vor-
aussetzen. Zweitens, wo das Parcelleneigenthum vorherrscht —
von Kolonien ist hier nicht die Rede — und der Parcellenbauer
den Grundstock der Nation bildet, ist die Kapitalbildung, d. h. die
gesellschaftliche Reproduktion, relativ schwach, und noch schwächer
die Bildung von leihbarem Geldkapital in dem früher entwickelten
Sinn. Diese setzt voraus Koncentration und die Existenz einer
Klasse reicher müssiger Kapitalisten (Massie). Drittens, hier wo das
Eigenthum am Boden eine Lebensbedingung für den grössten Theil
der Producenten bildet, und ein unentbehrliches Anlagefeld für ihr
Kapital, wird der Bodenpreis gesteigert, unabhängig vom Zinsfuss
und oft im umgekehrten Verhältniss zu ihm, durch das Uebergewicht
der Nachfrage nach Grundeigenthum über das Angebot. In Par-
cellen verkauft, bringt der Boden hier einen weit höhern Preis als
beim Verkauf grosser Massen, weil hier die Zahl der kleinen Käufer
gross, und die der grossen Käufer klein ist (Bandes Noires, Rubichon;
Newman). Aus allen diesen Gründen steigt hier der Bodenpreis bei
relativ hohem Zinsfuss. Dem relativ niedrigen Zins, den der Bauer

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[345/0354] keine Anlage von agrikolem Kapital. Sie ist pro tanto eine Ver- minderung des Kapitals, über das die Kleinbauern in ihrer Produk- tionssphäre selbst verfügen können. Sie vermindert pro tanto den Umfang ihrer Produktionsmittel und verengert daher die ökonomische Basis der Reproduktion. Sie unterwirft den Kleinbauer dem Wucher, da in dieser Sphäre überhaupt weniger eigentlicher Kredit vor- kommt. Sie ist ein Hemmniss der Agrikultur, auch wo dieser Kauf bei grossen Gutswirthschaften stattfindet. Sie widerspricht in der That der kapitalistischen Produktionsweise, der die Ver- schuldung des Grundeigenthümers, ob er sein Gut geerbt oder ge- kauft hat, im ganzen gleichgültig ist. Ob er die Rente selbst ein- steckt, oder sie wieder an Hypothekargläubiger wegzahlen muss, ändert an der Bewirthschaftung des verpachteten Landguts selbst an sich nichts. Man hat gesehn, dass bei gegebner Grundrente der Bodenpreis regulirt ist durch den Zinsfuss. Ist dieser niedrig, so ist der Bodenpreis hoch, und umgekehrt. Normal also müssten hoher Bodenpreis und niedriger Zinsfuss zusammengehn, sodass wenn der Bauer in Folge des niedrigen Zinsfusses den Boden hoch zahlte, derselbe niedrige Zinsfuss ihm auch zu günstigen Bedingungen Betriebskapital auf Kredit verschaffen müsste. In der Wirklichkeit verhält sich die Sache anders bei vorherrschendem Parcelleneigen- thum. Zunächst passen auf den Bauern die allgemeinen Gesetze des Kredits nicht, da diese den Producenten als Kapitalisten vor- aussetzen. Zweitens, wo das Parcelleneigenthum vorherrscht — von Kolonien ist hier nicht die Rede — und der Parcellenbauer den Grundstock der Nation bildet, ist die Kapitalbildung, d. h. die gesellschaftliche Reproduktion, relativ schwach, und noch schwächer die Bildung von leihbarem Geldkapital in dem früher entwickelten Sinn. Diese setzt voraus Koncentration und die Existenz einer Klasse reicher müssiger Kapitalisten (Massie). Drittens, hier wo das Eigenthum am Boden eine Lebensbedingung für den grössten Theil der Producenten bildet, und ein unentbehrliches Anlagefeld für ihr Kapital, wird der Bodenpreis gesteigert, unabhängig vom Zinsfuss und oft im umgekehrten Verhältniss zu ihm, durch das Uebergewicht der Nachfrage nach Grundeigenthum über das Angebot. In Par- cellen verkauft, bringt der Boden hier einen weit höhern Preis als beim Verkauf grosser Massen, weil hier die Zahl der kleinen Käufer gross, und die der grossen Käufer klein ist (Bandes Noires, Rubichon; Newman). Aus allen diesen Gründen steigt hier der Bodenpreis bei relativ hohem Zinsfuss. Dem relativ niedrigen Zins, den der Bauer

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/354>, abgerufen am 23.11.2024.