Siebenundvierzigstes Kapitel. Genesis der kapitalistischen Grundrente.
I. Einleitendes.
Man muss sich klar machen, worin eigentlich die Schwierigkeit der Behandlung der Grundrente, vom Standpunkt der modernen Oekonomie, als des theoretischen Ausdrucks der kapitalistischen Produktionsweise besteht. Dies ist selbst von einer grossen Anzahl neuerer Schriftsteller immer noch nicht begriffen worden, wie jeder erneuerte Versuch, die Grundrente "neu" zu erklären, beweist. Die Neuheit besteht hier fast immer in dem Rückfall in längst über- wundne Standpunkte. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das vom agrikolen Kapital erzeugte Mehrprodukt und den ihm ent- sprechenden Mehrwerth überhaupt zu erklären. Diese Frage ist vielmehr gelöst in der Analyse des Mehrwerths, den alles produk- tive Kapital erzeugt, in welcher Sphäre immer es angelegt sei. Die Schwierigkeit besteht darin, nachzuweisen, woher nach Aus- gleichung des Mehrwerths unter den verschiednen Kapitalen zum Durchschnittsprofit, zu einem ihren verhältnissmäßigen Grössen entsprechenden proportionellen Antheil an dem Gesammtmehrwerth, den das gesellschaftliche Kapital in allen Produktionssphären zu- sammen erzeugt hat, woher nach dieser Ausgleichung, nach der scheinbar bereits stattgehabten Vertheilung alles Mehrwerths, der überhaupt zu vertheilen ist, woher da noch der überschüssige Theil dieses Mehrwerths stammt, den das im Boden angelegte Kapital unter der Form der Grundrente an den Grundeigenthümer zahlt. Ganz abgesehn von den praktischen Motiven, welche den modernen Oekonomen als Wortführer des industriellen Kapitals gegen das Grundeigenthum zur Untersuchung dieser Frage stachelten -- Motive, die wir in dem Kapitel über die Geschichte der Grundrente näher andeuten werden -- war die Frage für sie als Theoretiker von entscheidendem Interesse. Zugeben, dass die Erscheinung der Rente für das im Ackerbau angelegte Kapital aus einer besondren Wirkung der Anlagesphäre selbst, aus, der Erdkruste als solcher angehörigen, Eigenschaften stamme -- das hiess verzichten auf den Werthbegriff selbst, also verzichten auf jede Möglichkeit wissenschaftlicher Er- kenntniss auf diesem Gebiet. Selbst die einfache Wahrnehmung, dass die Rente aus dem Preise des Bodenprodukts bezahlt wird -- was selbst da stattfindet wo sie in Naturalform gezahlt wird, wenn der Pächter seinen Produktionspreis herausschlagen soll -- zeigte die Abgeschmacktheit, den Ueberschuss dieses Preises über den
Siebenundvierzigstes Kapitel. Genesis der kapitalistischen Grundrente.
I. Einleitendes.
Man muss sich klar machen, worin eigentlich die Schwierigkeit der Behandlung der Grundrente, vom Standpunkt der modernen Oekonomie, als des theoretischen Ausdrucks der kapitalistischen Produktionsweise besteht. Dies ist selbst von einer grossen Anzahl neuerer Schriftsteller immer noch nicht begriffen worden, wie jeder erneuerte Versuch, die Grundrente „neu“ zu erklären, beweist. Die Neuheit besteht hier fast immer in dem Rückfall in längst über- wundne Standpunkte. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das vom agrikolen Kapital erzeugte Mehrprodukt und den ihm ent- sprechenden Mehrwerth überhaupt zu erklären. Diese Frage ist vielmehr gelöst in der Analyse des Mehrwerths, den alles produk- tive Kapital erzeugt, in welcher Sphäre immer es angelegt sei. Die Schwierigkeit besteht darin, nachzuweisen, woher nach Aus- gleichung des Mehrwerths unter den verschiednen Kapitalen zum Durchschnittsprofit, zu einem ihren verhältnissmäßigen Grössen entsprechenden proportionellen Antheil an dem Gesammtmehrwerth, den das gesellschaftliche Kapital in allen Produktionssphären zu- sammen erzeugt hat, woher nach dieser Ausgleichung, nach der scheinbar bereits stattgehabten Vertheilung alles Mehrwerths, der überhaupt zu vertheilen ist, woher da noch der überschüssige Theil dieses Mehrwerths stammt, den das im Boden angelegte Kapital unter der Form der Grundrente an den Grundeigenthümer zahlt. Ganz abgesehn von den praktischen Motiven, welche den modernen Oekonomen als Wortführer des industriellen Kapitals gegen das Grundeigenthum zur Untersuchung dieser Frage stachelten — Motive, die wir in dem Kapitel über die Geschichte der Grundrente näher andeuten werden — war die Frage für sie als Theoretiker von entscheidendem Interesse. Zugeben, dass die Erscheinung der Rente für das im Ackerbau angelegte Kapital aus einer besondren Wirkung der Anlagesphäre selbst, aus, der Erdkruste als solcher angehörigen, Eigenschaften stamme — das hiess verzichten auf den Werthbegriff selbst, also verzichten auf jede Möglichkeit wissenschaftlicher Er- kenntniss auf diesem Gebiet. Selbst die einfache Wahrnehmung, dass die Rente aus dem Preise des Bodenprodukts bezahlt wird — was selbst da stattfindet wo sie in Naturalform gezahlt wird, wenn der Pächter seinen Produktionspreis herausschlagen soll — zeigte die Abgeschmacktheit, den Ueberschuss dieses Preises über den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0324"n="315"/><divn="3"><head><hirendition="#g">Siebenundvierzigstes Kapitel</hi>.<lb/><hirendition="#b">Genesis der kapitalistischen Grundrente.</hi></head><lb/><divn="4"><head>I. Einleitendes.</head><lb/><p>Man muss sich klar machen, worin eigentlich die Schwierigkeit<lb/>
der Behandlung der Grundrente, vom Standpunkt der modernen<lb/>
Oekonomie, als des theoretischen Ausdrucks der kapitalistischen<lb/>
Produktionsweise besteht. Dies ist selbst von einer grossen Anzahl<lb/>
neuerer Schriftsteller immer noch nicht begriffen worden, wie jeder<lb/>
erneuerte Versuch, die Grundrente „neu“ zu erklären, beweist. Die<lb/>
Neuheit besteht hier fast immer in dem Rückfall in längst über-<lb/>
wundne Standpunkte. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das<lb/>
vom agrikolen Kapital erzeugte Mehrprodukt und den ihm ent-<lb/>
sprechenden Mehrwerth überhaupt zu erklären. Diese Frage ist<lb/>
vielmehr gelöst in der Analyse des Mehrwerths, den alles produk-<lb/>
tive Kapital erzeugt, in welcher Sphäre immer es angelegt sei.<lb/>
Die Schwierigkeit besteht darin, nachzuweisen, woher nach Aus-<lb/>
gleichung des Mehrwerths unter den verschiednen Kapitalen zum<lb/>
Durchschnittsprofit, zu einem ihren verhältnissmäßigen Grössen<lb/>
entsprechenden proportionellen Antheil an dem Gesammtmehrwerth,<lb/>
den das gesellschaftliche Kapital in allen Produktionssphären zu-<lb/>
sammen erzeugt hat, woher nach dieser Ausgleichung, nach der<lb/>
scheinbar bereits stattgehabten Vertheilung alles Mehrwerths, der<lb/>
überhaupt zu vertheilen ist, woher da noch der überschüssige Theil<lb/>
dieses Mehrwerths stammt, den das im Boden angelegte Kapital<lb/>
unter der Form der Grundrente an den Grundeigenthümer zahlt.<lb/>
Ganz abgesehn von den praktischen Motiven, welche den modernen<lb/>
Oekonomen als Wortführer des industriellen Kapitals gegen das<lb/>
Grundeigenthum zur Untersuchung dieser Frage stachelten — Motive,<lb/>
die wir in dem Kapitel über die Geschichte der Grundrente näher<lb/>
andeuten werden — war die Frage für sie als Theoretiker von<lb/>
entscheidendem Interesse. Zugeben, dass die Erscheinung der Rente<lb/>
für das im Ackerbau angelegte Kapital aus einer besondren Wirkung<lb/>
der Anlagesphäre selbst, aus, der Erdkruste als solcher angehörigen,<lb/>
Eigenschaften stamme — das hiess verzichten auf den Werthbegriff<lb/>
selbst, also verzichten auf jede Möglichkeit wissenschaftlicher Er-<lb/>
kenntniss auf diesem Gebiet. Selbst die einfache Wahrnehmung,<lb/>
dass die Rente aus dem Preise des Bodenprodukts bezahlt wird —<lb/>
was selbst da stattfindet wo sie in Naturalform gezahlt wird, wenn<lb/>
der Pächter seinen Produktionspreis herausschlagen soll — zeigte<lb/>
die Abgeschmacktheit, den Ueberschuss dieses Preises über den<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[315/0324]
Siebenundvierzigstes Kapitel.
Genesis der kapitalistischen Grundrente.
I. Einleitendes.
Man muss sich klar machen, worin eigentlich die Schwierigkeit
der Behandlung der Grundrente, vom Standpunkt der modernen
Oekonomie, als des theoretischen Ausdrucks der kapitalistischen
Produktionsweise besteht. Dies ist selbst von einer grossen Anzahl
neuerer Schriftsteller immer noch nicht begriffen worden, wie jeder
erneuerte Versuch, die Grundrente „neu“ zu erklären, beweist. Die
Neuheit besteht hier fast immer in dem Rückfall in längst über-
wundne Standpunkte. Die Schwierigkeit besteht nicht darin, das
vom agrikolen Kapital erzeugte Mehrprodukt und den ihm ent-
sprechenden Mehrwerth überhaupt zu erklären. Diese Frage ist
vielmehr gelöst in der Analyse des Mehrwerths, den alles produk-
tive Kapital erzeugt, in welcher Sphäre immer es angelegt sei.
Die Schwierigkeit besteht darin, nachzuweisen, woher nach Aus-
gleichung des Mehrwerths unter den verschiednen Kapitalen zum
Durchschnittsprofit, zu einem ihren verhältnissmäßigen Grössen
entsprechenden proportionellen Antheil an dem Gesammtmehrwerth,
den das gesellschaftliche Kapital in allen Produktionssphären zu-
sammen erzeugt hat, woher nach dieser Ausgleichung, nach der
scheinbar bereits stattgehabten Vertheilung alles Mehrwerths, der
überhaupt zu vertheilen ist, woher da noch der überschüssige Theil
dieses Mehrwerths stammt, den das im Boden angelegte Kapital
unter der Form der Grundrente an den Grundeigenthümer zahlt.
Ganz abgesehn von den praktischen Motiven, welche den modernen
Oekonomen als Wortführer des industriellen Kapitals gegen das
Grundeigenthum zur Untersuchung dieser Frage stachelten — Motive,
die wir in dem Kapitel über die Geschichte der Grundrente näher
andeuten werden — war die Frage für sie als Theoretiker von
entscheidendem Interesse. Zugeben, dass die Erscheinung der Rente
für das im Ackerbau angelegte Kapital aus einer besondren Wirkung
der Anlagesphäre selbst, aus, der Erdkruste als solcher angehörigen,
Eigenschaften stamme — das hiess verzichten auf den Werthbegriff
selbst, also verzichten auf jede Möglichkeit wissenschaftlicher Er-
kenntniss auf diesem Gebiet. Selbst die einfache Wahrnehmung,
dass die Rente aus dem Preise des Bodenprodukts bezahlt wird —
was selbst da stattfindet wo sie in Naturalform gezahlt wird, wenn
der Pächter seinen Produktionspreis herausschlagen soll — zeigte
die Abgeschmacktheit, den Ueberschuss dieses Preises über den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/324>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.