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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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laufs -- abgesehn vom Bankierkredit -- heisst nicht: viel unbe-
schäftigtes Kapital, das zu Anleihen ausgeboten wird und profitliche
Anlage sucht, sondern: grosse Beschäftigung von Kapital im Re-
produktionsprocess. Der Kredit vermittelt hier also 1) soweit die
industriellen Kapitalisten in Betracht kommen, den Uebergang des
industriellen Kapitals aus einer Phase in die andre, den Zusammen-
hang der zu einander gehörigen und in einander eingreifenden
Produktionssphären; 2) soweit die Kaufleute in Betracht kommen,
den Transport und den Uebergang der Waaren aus einer Hand
in die andre bis zu ihrem definitiven Verkauf für Geld oder ihrem
Austausch mit einer andern Waare.

Das Maximum des Kredits ist hier gleich der vollsten Beschäf-
tigung des industriellen Kapitals, d. h. der äussersten Anspannung
seiner Reproduktionskraft ohne Rücksicht auf die Grenzen der
Konsumtion. Diese Grenzen der Konsumtion werden erweitert
durch die Anspannung des Reproduktionsprocesses selbst; einerseits
vermehrt sie den Verzehr von Revenue durch Arbeiter und Kapita-
listen, andrerseits ist sie identisch mit Anspannung der produktiven
Konsumtion.

Solange der Reproduktionsprocess flüssig und damit der Rückfluss
gesichert bleibt, dauert dieser Kredit und dehnt sich aus, und
seine Ausdehnung ist basirt auf die Ausdehnung des Reproduktions-
processes selbst. Sobald eine Stockung eintritt, in Folge ver-
zögerter Rückflüsse, überführter Märkte, gefallner Preise, ist Ueber-
fluss von industriellem Kapital vorhanden, aber in einer Form,
worin es seine Funktionen nicht vollziehn kann. Masse von
Waarenkapital, aber unverkäuflich. Masse von fixem Kapital,
aber durch Stockung der Reproduktion grossentheils unbeschäftigt.
Der Kredit kontrahirt sich, 1) weil dies Kapital unbeschäftigt ist,
d. h. in einer seiner Reproduktionsphasen stockt, weil es seine
Metamorphose nicht vollziehn kann; 2) weil das Vertrauen in die
Flüssigkeit des Reproduktionsprocesses gebrochen ist; 3) weil die
Nachfrage nach diesem kommerciellen Kredit abnimmt. Der Spinner,
der seine Produktion einschränkt, und eine Masse unverkauftes
Garn auf Lager hat, braucht keine Baumwolle auf Kredit zu
kaufen; der Kaufmann braucht keine Waaren auf Kredit zu kaufen,
weil er deren schon mehr als genug hat.

Tritt also Störung in dieser Expansion oder auch nur in der
normalen Anspannung des Reproduktionsprocesses ein, so damit
auch Kreditmangel; Waaren sind schwerer auf Kredit zu erhalten.
Besonders aber ist das Verlangen nach baarer Zahlung und die

laufs — abgesehn vom Bankierkredit — heisst nicht: viel unbe-
schäftigtes Kapital, das zu Anleihen ausgeboten wird und profitliche
Anlage sucht, sondern: grosse Beschäftigung von Kapital im Re-
produktionsprocess. Der Kredit vermittelt hier also 1) soweit die
industriellen Kapitalisten in Betracht kommen, den Uebergang des
industriellen Kapitals aus einer Phase in die andre, den Zusammen-
hang der zu einander gehörigen und in einander eingreifenden
Produktionssphären; 2) soweit die Kaufleute in Betracht kommen,
den Transport und den Uebergang der Waaren aus einer Hand
in die andre bis zu ihrem definitiven Verkauf für Geld oder ihrem
Austausch mit einer andern Waare.

Das Maximum des Kredits ist hier gleich der vollsten Beschäf-
tigung des industriellen Kapitals, d. h. der äussersten Anspannung
seiner Reproduktionskraft ohne Rücksicht auf die Grenzen der
Konsumtion. Diese Grenzen der Konsumtion werden erweitert
durch die Anspannung des Reproduktionsprocesses selbst; einerseits
vermehrt sie den Verzehr von Revenue durch Arbeiter und Kapita-
listen, andrerseits ist sie identisch mit Anspannung der produktiven
Konsumtion.

Solange der Reproduktionsprocess flüssig und damit der Rückfluss
gesichert bleibt, dauert dieser Kredit und dehnt sich aus, und
seine Ausdehnung ist basirt auf die Ausdehnung des Reproduktions-
processes selbst. Sobald eine Stockung eintritt, in Folge ver-
zögerter Rückflüsse, überführter Märkte, gefallner Preise, ist Ueber-
fluss von industriellem Kapital vorhanden, aber in einer Form,
worin es seine Funktionen nicht vollziehn kann. Masse von
Waarenkapital, aber unverkäuflich. Masse von fixem Kapital,
aber durch Stockung der Reproduktion grossentheils unbeschäftigt.
Der Kredit kontrahirt sich, 1) weil dies Kapital unbeschäftigt ist,
d. h. in einer seiner Reproduktionsphasen stockt, weil es seine
Metamorphose nicht vollziehn kann; 2) weil das Vertrauen in die
Flüssigkeit des Reproduktionsprocesses gebrochen ist; 3) weil die
Nachfrage nach diesem kommerciellen Kredit abnimmt. Der Spinner,
der seine Produktion einschränkt, und eine Masse unverkauftes
Garn auf Lager hat, braucht keine Baumwolle auf Kredit zu
kaufen; der Kaufmann braucht keine Waaren auf Kredit zu kaufen,
weil er deren schon mehr als genug hat.

Tritt also Störung in dieser Expansion oder auch nur in der
normalen Anspannung des Reproduktionsprocesses ein, so damit
auch Kreditmangel; Waaren sind schwerer auf Kredit zu erhalten.
Besonders aber ist das Verlangen nach baarer Zahlung und die

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[20/0029] laufs — abgesehn vom Bankierkredit — heisst nicht: viel unbe- schäftigtes Kapital, das zu Anleihen ausgeboten wird und profitliche Anlage sucht, sondern: grosse Beschäftigung von Kapital im Re- produktionsprocess. Der Kredit vermittelt hier also 1) soweit die industriellen Kapitalisten in Betracht kommen, den Uebergang des industriellen Kapitals aus einer Phase in die andre, den Zusammen- hang der zu einander gehörigen und in einander eingreifenden Produktionssphären; 2) soweit die Kaufleute in Betracht kommen, den Transport und den Uebergang der Waaren aus einer Hand in die andre bis zu ihrem definitiven Verkauf für Geld oder ihrem Austausch mit einer andern Waare. Das Maximum des Kredits ist hier gleich der vollsten Beschäf- tigung des industriellen Kapitals, d. h. der äussersten Anspannung seiner Reproduktionskraft ohne Rücksicht auf die Grenzen der Konsumtion. Diese Grenzen der Konsumtion werden erweitert durch die Anspannung des Reproduktionsprocesses selbst; einerseits vermehrt sie den Verzehr von Revenue durch Arbeiter und Kapita- listen, andrerseits ist sie identisch mit Anspannung der produktiven Konsumtion. Solange der Reproduktionsprocess flüssig und damit der Rückfluss gesichert bleibt, dauert dieser Kredit und dehnt sich aus, und seine Ausdehnung ist basirt auf die Ausdehnung des Reproduktions- processes selbst. Sobald eine Stockung eintritt, in Folge ver- zögerter Rückflüsse, überführter Märkte, gefallner Preise, ist Ueber- fluss von industriellem Kapital vorhanden, aber in einer Form, worin es seine Funktionen nicht vollziehn kann. Masse von Waarenkapital, aber unverkäuflich. Masse von fixem Kapital, aber durch Stockung der Reproduktion grossentheils unbeschäftigt. Der Kredit kontrahirt sich, 1) weil dies Kapital unbeschäftigt ist, d. h. in einer seiner Reproduktionsphasen stockt, weil es seine Metamorphose nicht vollziehn kann; 2) weil das Vertrauen in die Flüssigkeit des Reproduktionsprocesses gebrochen ist; 3) weil die Nachfrage nach diesem kommerciellen Kredit abnimmt. Der Spinner, der seine Produktion einschränkt, und eine Masse unverkauftes Garn auf Lager hat, braucht keine Baumwolle auf Kredit zu kaufen; der Kaufmann braucht keine Waaren auf Kredit zu kaufen, weil er deren schon mehr als genug hat. Tritt also Störung in dieser Expansion oder auch nur in der normalen Anspannung des Reproduktionsprocesses ein, so damit auch Kreditmangel; Waaren sind schwerer auf Kredit zu erhalten. Besonders aber ist das Verlangen nach baarer Zahlung und die

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/29>, abgerufen am 18.04.2024.