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Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894.

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Hand und von Bank zu Bank wandern, und jede nur erdenkliche
Summe von Depositen ausgleichen." (The Currency Question
Reviewed. p. 162, 163.)

Wie alles in diesem Kreditsystem sich verdoppelt und verdrei-
facht und in blosses Hirngespinnst sich verwandelt, so gilt das
auch vom "Reservefonds", wo man endlich glaubt etwas Solides
zu packen.

Hören wir wieder Herrn Morris, den Gouverneur der Bank von
England: "Die Reserven der Privatbanken sind in den Händen der
Bank von England in Form von Depositen. Die erste Wirkung
eines Goldabflusses scheint nur die Bank von England zu treffen;
aber er würde ebensogut auf die Reserven der andern Banken ein-
wirken, da es der Abfluss eines Theils der Reserve ist, die sie
in unsrer Bank haben. Geradeso würde er wirken auf die Re-
serven aller Provinzialbanken." (Commercial Distress 1847--48).
Schliesslich lösen sich also die Reservefonds in Wirklichkeit auf
in den Reservefonds der Bank von England.4) Aber auch dieser
Reservefonds hat wieder Doppelexistenz. Der Reservefonds des
banking department ist gleich dem Ueberschuss der Noten, die die
Bank berechtigt ist auszugeben, über die in Cirkulation befind-
lichen Noten. Das gesetzliche Maximum der auszugebenden Noten
ist = 14 Millionen (wofür keine Metallreserve erheischt; es ist der
ungefähre Betrag der Schuld des Staats an die Bank), plus dem
Betrag des Edelmetallvorraths der Bank. Wenn also dieser Vor-
rath = 14 Millionen £, so kann die Bank 28 Millionen £ in Noten
ausgeben, und wenn davon 20 Millionen cirkuliren, so ist der Re-
servefonds des banking department = 8 Millionen. Diese 8 Millionen
Noten sind dann gesetzlich das Bankierkapital, worüber die Bank
zu verfügen hat, und zugleich der Reservefonds für ihre Depositen.
Tritt nun ein Goldabfluss ein, der den Metallvorrath um 6 Millionen
vermindert -- wofür ebensoviel Noten vernichtet werden müssen --
so würde die Reserve des banking department von 8 auf 2 Millionen
fallen. Einerseits würde die Bank ihren Zinsfuss sehr erhöhen;
andrerseits würden die Banken, die bei ihr deponirt haben, und die
andren Depositoren den Reservefonds für ihre eignen Guthaben bei
der Bank sehr abnehmen sehn. 1857 drohten die vier grössten
Aktienbanken von London, wenn die Bank von England nicht
einen "Regierungsbrief" zur Suspension des Bankakts von 1844

4) Wie sehr sich dies seitdem noch gesteigert, beweist folgende amtliche
der Daily News vom 15. Dec. 1892 entlehnte Aufstellung der Bankreserven
der fünfzehn grössten Londoner Banken im November 1892:

Hand und von Bank zu Bank wandern, und jede nur erdenkliche
Summe von Depositen ausgleichen.“ (The Currency Question
Reviewed. p. 162, 163.)

Wie alles in diesem Kreditsystem sich verdoppelt und verdrei-
facht und in blosses Hirngespinnst sich verwandelt, so gilt das
auch vom „Reservefonds“, wo man endlich glaubt etwas Solides
zu packen.

Hören wir wieder Herrn Morris, den Gouverneur der Bank von
England: „Die Reserven der Privatbanken sind in den Händen der
Bank von England in Form von Depositen. Die erste Wirkung
eines Goldabflusses scheint nur die Bank von England zu treffen;
aber er würde ebensogut auf die Reserven der andern Banken ein-
wirken, da es der Abfluss eines Theils der Reserve ist, die sie
in unsrer Bank haben. Geradeso würde er wirken auf die Re-
serven aller Provinzialbanken.“ (Commercial Distress 1847—48).
Schliesslich lösen sich also die Reservefonds in Wirklichkeit auf
in den Reservefonds der Bank von England.4) Aber auch dieser
Reservefonds hat wieder Doppelexistenz. Der Reservefonds des
banking department ist gleich dem Ueberschuss der Noten, die die
Bank berechtigt ist auszugeben, über die in Cirkulation befind-
lichen Noten. Das gesetzliche Maximum der auszugebenden Noten
ist = 14 Millionen (wofür keine Metallreserve erheischt; es ist der
ungefähre Betrag der Schuld des Staats an die Bank), plus dem
Betrag des Edelmetallvorraths der Bank. Wenn also dieser Vor-
rath = 14 Millionen £, so kann die Bank 28 Millionen £ in Noten
ausgeben, und wenn davon 20 Millionen cirkuliren, so ist der Re-
servefonds des banking department = 8 Millionen. Diese 8 Millionen
Noten sind dann gesetzlich das Bankierkapital, worüber die Bank
zu verfügen hat, und zugleich der Reservefonds für ihre Depositen.
Tritt nun ein Goldabfluss ein, der den Metallvorrath um 6 Millionen
vermindert — wofür ebensoviel Noten vernichtet werden müssen —
so würde die Reserve des banking department von 8 auf 2 Millionen
fallen. Einerseits würde die Bank ihren Zinsfuss sehr erhöhen;
andrerseits würden die Banken, die bei ihr deponirt haben, und die
andren Depositoren den Reservefonds für ihre eignen Guthaben bei
der Bank sehr abnehmen sehn. 1857 drohten die vier grössten
Aktienbanken von London, wenn die Bank von England nicht
einen „Regierungsbrief“ zur Suspension des Bankakts von 1844

4) Wie sehr sich dies seitdem noch gesteigert, beweist folgende amtliche
der Daily News vom 15. Dec. 1892 entlehnte Aufstellung der Bankreserven
der fünfzehn grössten Londoner Banken im November 1892:
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[11/0020] Hand und von Bank zu Bank wandern, und jede nur erdenkliche Summe von Depositen ausgleichen.“ (The Currency Question Reviewed. p. 162, 163.) Wie alles in diesem Kreditsystem sich verdoppelt und verdrei- facht und in blosses Hirngespinnst sich verwandelt, so gilt das auch vom „Reservefonds“, wo man endlich glaubt etwas Solides zu packen. Hören wir wieder Herrn Morris, den Gouverneur der Bank von England: „Die Reserven der Privatbanken sind in den Händen der Bank von England in Form von Depositen. Die erste Wirkung eines Goldabflusses scheint nur die Bank von England zu treffen; aber er würde ebensogut auf die Reserven der andern Banken ein- wirken, da es der Abfluss eines Theils der Reserve ist, die sie in unsrer Bank haben. Geradeso würde er wirken auf die Re- serven aller Provinzialbanken.“ (Commercial Distress 1847—48). Schliesslich lösen sich also die Reservefonds in Wirklichkeit auf in den Reservefonds der Bank von England. 4) Aber auch dieser Reservefonds hat wieder Doppelexistenz. Der Reservefonds des banking department ist gleich dem Ueberschuss der Noten, die die Bank berechtigt ist auszugeben, über die in Cirkulation befind- lichen Noten. Das gesetzliche Maximum der auszugebenden Noten ist = 14 Millionen (wofür keine Metallreserve erheischt; es ist der ungefähre Betrag der Schuld des Staats an die Bank), plus dem Betrag des Edelmetallvorraths der Bank. Wenn also dieser Vor- rath = 14 Millionen £, so kann die Bank 28 Millionen £ in Noten ausgeben, und wenn davon 20 Millionen cirkuliren, so ist der Re- servefonds des banking department = 8 Millionen. Diese 8 Millionen Noten sind dann gesetzlich das Bankierkapital, worüber die Bank zu verfügen hat, und zugleich der Reservefonds für ihre Depositen. Tritt nun ein Goldabfluss ein, der den Metallvorrath um 6 Millionen vermindert — wofür ebensoviel Noten vernichtet werden müssen — so würde die Reserve des banking department von 8 auf 2 Millionen fallen. Einerseits würde die Bank ihren Zinsfuss sehr erhöhen; andrerseits würden die Banken, die bei ihr deponirt haben, und die andren Depositoren den Reservefonds für ihre eignen Guthaben bei der Bank sehr abnehmen sehn. 1857 drohten die vier grössten Aktienbanken von London, wenn die Bank von England nicht einen „Regierungsbrief“ zur Suspension des Bankakts von 1844 4) Wie sehr sich dies seitdem noch gesteigert, beweist folgende amtliche der Daily News vom 15. Dec. 1892 entlehnte Aufstellung der Bankreserven der fünfzehn grössten Londoner Banken im November 1892:

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch III: Der Gesammtprocess d. Kapitalist. Produktion. Kapitel XXIX-LII. Hamburg, 1894, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital0302_1894/20>, abgerufen am 24.11.2024.