folgerin, die Vulgärökonomie. Die beiden Punkte, an denen sie zu Grunde ging, waren diese:
Erstens. Die Arbeit ist das Maß des Werths. Nun hat aber die lebendige Arbeit im Austausch mit dem Kapital einen geringern Werth als die vergegenständlichte Arbeit, gegen die sie ausgetauscht wird. Der Arbeitslohn, der Werth eines bestimmten Quantums lebendiger Arbeit, ist stets geringer als der Werth des Produkts, das von diesem selben Quantum lebendiger Arbeit erzeugt wird, oder worin dieses sich darstellt. Die Frage ist in dieser Fassung in der That unlöslich. Sie ist von Marx richtig gestellt und damit beantwortet worden. Es ist nicht die Arbeit die einen Werth hat. Als werthschaffende Thätigkeit kann sie ebensowenig einen besondren Werth haben, wie die Schwere ein besondres Gewicht, die Wärme eine besondre Temperatur, die Elektricität eine besondre Stromstärke. Es ist nicht die Arbeit, die als Waare gekauft und verkauft wird, sondern die Arbeitskraft. Sobald sie Waare wird, richtet sich ihr Werth nach der in ihr, als einem gesellschaftlichen Produkt, ver- körperten Arbeit, ist er gleich der zu ihrer Produktion und Repro- duktion gesellschaftlich nöthigen Arbeit. Der Kauf und Verkauf der Arbeitskraft auf Grund dieses ihres Werths widerspricht also keineswegs dem ökonomischen Werthgesetz.
Zweitens. Nach dem Ricardo'schen Werthgesetz produciren zwei Kapitale, die gleich viel und gleich hoch bezahlte lebendige Arbeit anwenden, alle andern Umstände gleich gesetzt, in gleichen Zeiten Produkte von gleichem Werth und ebenfalls Mehrwerth oder Profit von gleicher Höhe. Wenden sie aber ungleiche Mengen lebendiger Arbeit an, so können sie nicht Mehrwerth oder wie die Ricardianer sagen, Profit von gleicher Höhe produciren. Nun ist aber das Gegentheil der Fall. Thatsächlich produciren gleiche Kapitale, einerlei wie viel oder wie wenig lebendige Arbeit sie anwenden, in gleichen Zeiten durchschnittlich gleiche Profite. Hier liegt also ein Widerspruch gegen das Werthgesetz vor, den schon Ricardo fand, und den seine Schule ebenfalls zu lösen unfähig war. Auch Rodbertus konnte nicht umhin diesen Widerspruch zu sehn; statt ihn zu lösen, macht er ihn zu einem der Ausgangspunkte seiner Utopie. (Zur Erk. S. 131.) Diesen Widerspruch hatte Marx bereits
folgerin, die Vulgärökonomie. Die beiden Punkte, an denen sie zu Grunde ging, waren diese:
Erstens. Die Arbeit ist das Maß des Werths. Nun hat aber die lebendige Arbeit im Austausch mit dem Kapital einen geringern Werth als die vergegenständlichte Arbeit, gegen die sie ausgetauscht wird. Der Arbeitslohn, der Werth eines bestimmten Quantums lebendiger Arbeit, ist stets geringer als der Werth des Produkts, das von diesem selben Quantum lebendiger Arbeit erzeugt wird, oder worin dieses sich darstellt. Die Frage ist in dieser Fassung in der That unlöslich. Sie ist von Marx richtig gestellt und damit beantwortet worden. Es ist nicht die Arbeit die einen Werth hat. Als werthschaffende Thätigkeit kann sie ebensowenig einen besondren Werth haben, wie die Schwere ein besondres Gewicht, die Wärme eine besondre Temperatur, die Elektricität eine besondre Stromstärke. Es ist nicht die Arbeit, die als Waare gekauft und verkauft wird, sondern die Arbeitskraft. Sobald sie Waare wird, richtet sich ihr Werth nach der in ihr, als einem gesellschaftlichen Produkt, ver- körperten Arbeit, ist er gleich der zu ihrer Produktion und Repro- duktion gesellschaftlich nöthigen Arbeit. Der Kauf und Verkauf der Arbeitskraft auf Grund dieses ihres Werths widerspricht also keineswegs dem ökonomischen Werthgesetz.
Zweitens. Nach dem Ricardo’schen Werthgesetz produciren zwei Kapitale, die gleich viel und gleich hoch bezahlte lebendige Arbeit anwenden, alle andern Umstände gleich gesetzt, in gleichen Zeiten Produkte von gleichem Werth und ebenfalls Mehrwerth oder Profit von gleicher Höhe. Wenden sie aber ungleiche Mengen lebendiger Arbeit an, so können sie nicht Mehrwerth oder wie die Ricardianer sagen, Profit von gleicher Höhe produciren. Nun ist aber das Gegentheil der Fall. Thatsächlich produciren gleiche Kapitale, einerlei wie viel oder wie wenig lebendige Arbeit sie anwenden, in gleichen Zeiten durchschnittlich gleiche Profite. Hier liegt also ein Widerspruch gegen das Werthgesetz vor, den schon Ricardo fand, und den seine Schule ebenfalls zu lösen unfähig war. Auch Rodbertus konnte nicht umhin diesen Widerspruch zu sehn; statt ihn zu lösen, macht er ihn zu einem der Ausgangspunkte seiner Utopie. (Zur Erk. S. 131.) Diesen Widerspruch hatte Marx bereits
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0028"n="XXII"/>
folgerin, die Vulgärökonomie. Die beiden Punkte, an denen sie zu<lb/>
Grunde ging, waren diese:</p><lb/><p>Erstens. Die Arbeit ist das Maß des Werths. Nun hat aber<lb/>
die lebendige Arbeit im Austausch mit dem Kapital einen geringern<lb/>
Werth als die vergegenständlichte Arbeit, gegen die sie ausgetauscht<lb/>
wird. Der Arbeitslohn, der Werth eines bestimmten Quantums<lb/>
lebendiger Arbeit, ist stets geringer als der Werth des Produkts,<lb/>
das von diesem selben Quantum lebendiger Arbeit erzeugt wird,<lb/>
oder worin dieses sich darstellt. Die Frage ist in dieser Fassung<lb/>
in der That unlöslich. Sie ist von Marx richtig gestellt und damit<lb/>
beantwortet worden. Es ist nicht die Arbeit die einen Werth hat.<lb/>
Als werthschaffende Thätigkeit kann sie ebensowenig einen besondren<lb/>
Werth haben, wie die Schwere ein besondres Gewicht, die Wärme<lb/>
eine besondre Temperatur, die Elektricität eine besondre Stromstärke.<lb/>
Es ist nicht die Arbeit, die als Waare gekauft und verkauft wird,<lb/>
sondern die Arbeit<hirendition="#g">skraft</hi>. Sobald sie Waare wird, richtet sich ihr<lb/>
Werth nach der in ihr, als einem gesellschaftlichen Produkt, ver-<lb/>
körperten Arbeit, ist er gleich der zu ihrer Produktion und Repro-<lb/>
duktion gesellschaftlich nöthigen Arbeit. Der Kauf und Verkauf<lb/>
der Arbeitskraft auf Grund dieses ihres Werths widerspricht also<lb/>
keineswegs dem ökonomischen Werthgesetz.</p><lb/><p>Zweitens. Nach dem Ricardo’schen Werthgesetz produciren<lb/>
zwei Kapitale, die gleich viel und gleich hoch bezahlte lebendige<lb/>
Arbeit anwenden, alle andern Umstände gleich gesetzt, in gleichen<lb/>
Zeiten Produkte von gleichem Werth und ebenfalls Mehrwerth oder<lb/>
Profit von gleicher Höhe. Wenden sie aber ungleiche Mengen<lb/>
lebendiger Arbeit an, so können sie nicht Mehrwerth oder wie die<lb/>
Ricardianer sagen, Profit von gleicher Höhe produciren. Nun ist aber<lb/>
das Gegentheil der Fall. Thatsächlich produciren gleiche Kapitale,<lb/>
einerlei wie viel oder wie wenig lebendige Arbeit sie anwenden, in<lb/>
gleichen Zeiten durchschnittlich gleiche Profite. Hier liegt also ein<lb/>
Widerspruch gegen das Werthgesetz vor, den schon Ricardo fand,<lb/>
und den seine Schule ebenfalls zu lösen unfähig war. Auch<lb/>
Rodbertus konnte nicht umhin diesen Widerspruch zu sehn; statt<lb/>
ihn zu lösen, macht er ihn zu einem der Ausgangspunkte seiner<lb/>
Utopie. (Zur Erk. S. 131.) Diesen Widerspruch hatte Marx bereits<lb/></p></div></front></text></TEI>
[XXII/0028]
folgerin, die Vulgärökonomie. Die beiden Punkte, an denen sie zu
Grunde ging, waren diese:
Erstens. Die Arbeit ist das Maß des Werths. Nun hat aber
die lebendige Arbeit im Austausch mit dem Kapital einen geringern
Werth als die vergegenständlichte Arbeit, gegen die sie ausgetauscht
wird. Der Arbeitslohn, der Werth eines bestimmten Quantums
lebendiger Arbeit, ist stets geringer als der Werth des Produkts,
das von diesem selben Quantum lebendiger Arbeit erzeugt wird,
oder worin dieses sich darstellt. Die Frage ist in dieser Fassung
in der That unlöslich. Sie ist von Marx richtig gestellt und damit
beantwortet worden. Es ist nicht die Arbeit die einen Werth hat.
Als werthschaffende Thätigkeit kann sie ebensowenig einen besondren
Werth haben, wie die Schwere ein besondres Gewicht, die Wärme
eine besondre Temperatur, die Elektricität eine besondre Stromstärke.
Es ist nicht die Arbeit, die als Waare gekauft und verkauft wird,
sondern die Arbeitskraft. Sobald sie Waare wird, richtet sich ihr
Werth nach der in ihr, als einem gesellschaftlichen Produkt, ver-
körperten Arbeit, ist er gleich der zu ihrer Produktion und Repro-
duktion gesellschaftlich nöthigen Arbeit. Der Kauf und Verkauf
der Arbeitskraft auf Grund dieses ihres Werths widerspricht also
keineswegs dem ökonomischen Werthgesetz.
Zweitens. Nach dem Ricardo’schen Werthgesetz produciren
zwei Kapitale, die gleich viel und gleich hoch bezahlte lebendige
Arbeit anwenden, alle andern Umstände gleich gesetzt, in gleichen
Zeiten Produkte von gleichem Werth und ebenfalls Mehrwerth oder
Profit von gleicher Höhe. Wenden sie aber ungleiche Mengen
lebendiger Arbeit an, so können sie nicht Mehrwerth oder wie die
Ricardianer sagen, Profit von gleicher Höhe produciren. Nun ist aber
das Gegentheil der Fall. Thatsächlich produciren gleiche Kapitale,
einerlei wie viel oder wie wenig lebendige Arbeit sie anwenden, in
gleichen Zeiten durchschnittlich gleiche Profite. Hier liegt also ein
Widerspruch gegen das Werthgesetz vor, den schon Ricardo fand,
und den seine Schule ebenfalls zu lösen unfähig war. Auch
Rodbertus konnte nicht umhin diesen Widerspruch zu sehn; statt
ihn zu lösen, macht er ihn zu einem der Ausgangspunkte seiner
Utopie. (Zur Erk. S. 131.) Diesen Widerspruch hatte Marx bereits
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. XXII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/28>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.