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Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885.

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d. h. die utopistische Vorstellung des Herrn Rodbertus vom Kapital.
Ganz der alte Priestley, der bis an sein Ende auf's Phlogiston
schwor und vom Sauerstoff nichts wissen wollte. Nur dass Priestley
den Sauerstoff wirklich zuerst dargestellt, während Rodbertus in
seinem Mehrwerth oder vielmehr seiner "Rente" nur einen Gemein-
platz wieder entdeckt hatte, und dass Marx es verschmähte, im
Gegensatz zu Lavoisier's Verfahren, zu behaupten, er sei der erste
der die Thatsache der Existenz des Mehrwerths aufgedeckt.

Was Rodbertus sonst ökonomisch geleistet hat, steht auf dem-
selben Niveau. Seine Verarbeitung des Mehrwerths in eine Utopie
ist von Marx in der Misere de la Philosophie schon unabsichtlich
mit kritisirt; was sonst noch darüber zu sagen, habe ich in der
Vorrede zur deutschen Uebersetzung jener Schrift gesagt. Seine
Erklärung der Handelskrisen aus der Unterkonsumtion der Arbeiter-
klasse findet sich bereits in Sismondi's Nouveaux Principes de
l'Economie Politique, liv. IV, ch. IV.3) Nur dass Sismondi dabei
stets den Weltmarkt vor Augen hatte, während Rodbertus' Horizont
nicht über die preussische Grenze hinausgeht. Seine Spekulationen
darüber, ob der Arbeitslohn aus Kapital oder Einkommen stamme,
gehören der Scholastik an und erledigen sich endgültig durch den
dritten Abschnitt dieses zweiten Buchs des "Kapital". Seine Renten-
theorie ist sein ausschliessliches Eigenthum geblieben, und kann fort-
schlummern bis das sie kritisirende Manuskript von Marx erscheint.
Endlich seine Vorschläge zur Emancipation des altpreussischen
Grundbesitzes vom Druck des Kapitals sind wieder durchaus uto-
pistisch; sie vermeiden nämlich die einzige praktische Frage um die
es sich dabei handelt -- die Frage: Wie kann der altpreussische
Landjunker jahraus jahrein sage 20,000 Mark einnehmen und sage
30,000 Mark ausgeben, und doch keine Schulden machen?

Die Richardo'sche Schule scheiterte gegen 1830 am Mehrwerth.
Was sie nicht lösen konnte blieb erst recht unlösbar für ihre Nach-

3) Ainsi donc, par la concentration des fortunes entre un petit nombre
de proprietaires, le marche interieur se resserre toujours plus, et l'industrie
est toujours plus reduite a chercher ses debouches dans les marches etrangers,
ou de plus grandes revolutions les attendent (nämlich die Krise von 1817,
die gleich darauf beschrieben wird). Nouv. Princ. ed. 1819, I, p. 336.

d. h. die utopistische Vorstellung des Herrn Rodbertus vom Kapital.
Ganz der alte Priestley, der bis an sein Ende auf’s Phlogiston
schwor und vom Sauerstoff nichts wissen wollte. Nur dass Priestley
den Sauerstoff wirklich zuerst dargestellt, während Rodbertus in
seinem Mehrwerth oder vielmehr seiner „Rente“ nur einen Gemein-
platz wieder entdeckt hatte, und dass Marx es verschmähte, im
Gegensatz zu Lavoisier’s Verfahren, zu behaupten, er sei der erste
der die Thatsache der Existenz des Mehrwerths aufgedeckt.

Was Rodbertus sonst ökonomisch geleistet hat, steht auf dem-
selben Niveau. Seine Verarbeitung des Mehrwerths in eine Utopie
ist von Marx in der Misère de la Philosophie schon unabsichtlich
mit kritisirt; was sonst noch darüber zu sagen, habe ich in der
Vorrede zur deutschen Uebersetzung jener Schrift gesagt. Seine
Erklärung der Handelskrisen aus der Unterkonsumtion der Arbeiter-
klasse findet sich bereits in Sismondi’s Nouveaux Principes de
l’Economie Politique, liv. IV, ch. IV.3) Nur dass Sismondi dabei
stets den Weltmarkt vor Augen hatte, während Rodbertus’ Horizont
nicht über die preussische Grenze hinausgeht. Seine Spekulationen
darüber, ob der Arbeitslohn aus Kapital oder Einkommen stamme,
gehören der Scholastik an und erledigen sich endgültig durch den
dritten Abschnitt dieses zweiten Buchs des „Kapital“. Seine Renten-
theorie ist sein ausschliessliches Eigenthum geblieben, und kann fort-
schlummern bis das sie kritisirende Manuskript von Marx erscheint.
Endlich seine Vorschläge zur Emancipation des altpreussischen
Grundbesitzes vom Druck des Kapitals sind wieder durchaus uto-
pistisch; sie vermeiden nämlich die einzige praktische Frage um die
es sich dabei handelt — die Frage: Wie kann der altpreussische
Landjunker jahraus jahrein sage 20,000 Mark einnehmen und sage
30,000 Mark ausgeben, und doch keine Schulden machen?

Die Richardo’sche Schule scheiterte gegen 1830 am Mehrwerth.
Was sie nicht lösen konnte blieb erst recht unlösbar für ihre Nach-

3) Ainsi donc, par la concentration des fortunes entre un petit nombre
de propriétaires, le marché intérieur se resserre toujours plus, et l’industrie
est toujours plus réduite à chercher ses débouchés dans les marchés étrangers,
où de plus grandes révolutions les attendent (nämlich die Krise von 1817,
die gleich darauf beschrieben wird). Nouv. Princ. éd. 1819, I, p. 336.
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[XXI/0027] d. h. die utopistische Vorstellung des Herrn Rodbertus vom Kapital. Ganz der alte Priestley, der bis an sein Ende auf’s Phlogiston schwor und vom Sauerstoff nichts wissen wollte. Nur dass Priestley den Sauerstoff wirklich zuerst dargestellt, während Rodbertus in seinem Mehrwerth oder vielmehr seiner „Rente“ nur einen Gemein- platz wieder entdeckt hatte, und dass Marx es verschmähte, im Gegensatz zu Lavoisier’s Verfahren, zu behaupten, er sei der erste der die Thatsache der Existenz des Mehrwerths aufgedeckt. Was Rodbertus sonst ökonomisch geleistet hat, steht auf dem- selben Niveau. Seine Verarbeitung des Mehrwerths in eine Utopie ist von Marx in der Misère de la Philosophie schon unabsichtlich mit kritisirt; was sonst noch darüber zu sagen, habe ich in der Vorrede zur deutschen Uebersetzung jener Schrift gesagt. Seine Erklärung der Handelskrisen aus der Unterkonsumtion der Arbeiter- klasse findet sich bereits in Sismondi’s Nouveaux Principes de l’Economie Politique, liv. IV, ch. IV. 3) Nur dass Sismondi dabei stets den Weltmarkt vor Augen hatte, während Rodbertus’ Horizont nicht über die preussische Grenze hinausgeht. Seine Spekulationen darüber, ob der Arbeitslohn aus Kapital oder Einkommen stamme, gehören der Scholastik an und erledigen sich endgültig durch den dritten Abschnitt dieses zweiten Buchs des „Kapital“. Seine Renten- theorie ist sein ausschliessliches Eigenthum geblieben, und kann fort- schlummern bis das sie kritisirende Manuskript von Marx erscheint. Endlich seine Vorschläge zur Emancipation des altpreussischen Grundbesitzes vom Druck des Kapitals sind wieder durchaus uto- pistisch; sie vermeiden nämlich die einzige praktische Frage um die es sich dabei handelt — die Frage: Wie kann der altpreussische Landjunker jahraus jahrein sage 20,000 Mark einnehmen und sage 30,000 Mark ausgeben, und doch keine Schulden machen? Die Richardo’sche Schule scheiterte gegen 1830 am Mehrwerth. Was sie nicht lösen konnte blieb erst recht unlösbar für ihre Nach- 3) Ainsi donc, par la concentration des fortunes entre un petit nombre de propriétaires, le marché intérieur se resserre toujours plus, et l’industrie est toujours plus réduite à chercher ses débouchés dans les marchés étrangers, où de plus grandes révolutions les attendent (nämlich die Krise von 1817, die gleich darauf beschrieben wird). Nouv. Princ. éd. 1819, I, p. 336.

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. XXI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/27>, abgerufen am 28.03.2024.