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Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885.

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der einen Form nimmt relativ ab, wenn er in der andren Form zunimmt,
obgleich er seiner absoluten Grösse nach in allen drei Formen gleich-
zeitig wachsen mag.

Es ist von vornherein klar, dass wo die Produktion direkt auf die
Befriedigung des Selbstbedarfs gerichtet ist und nur zum geringern Theil
für den Austausch oder Verkauf producirt wird, also das gesellschaft-
liche Produkt gar nicht oder nur zum kleinern Theil die Form der
Waare annimmt, der Vorrath in der Form der Waare oder Waarenvorrath
nur einen geringen und verschwindenden Theil des Reichsthums bildet.
Der Konsumtionsfonds ist aber hier relativ gross, namentlich der eigent-
lichen Lebensmittel. Man hat nur alterthümliche Bauernwirthschaft an-
zusehn. Ein überwiegender Theil des Produkts verwandelt sich hier un-
mittelbar, ohne Waarenvorrath zu bilden -- eben weil er in der Hand
seines Besitzers bleibt -- in vorräthige Produktionsmittel oder Lebens-
mittel. Er nimmt nicht die Form des Waarenvorraths an und eben des-
wegen existirt in Gesellschaften, die auf solcher Produktionsweise ge-
gründet sind, nach A. Smith kein Vorrath. A. Smith verwechselt die
Form des Vorraths mit dem Vorrath selbst und glaubt, dass die Gesell-
schaft bisher von der Hand in den Mund lebte oder sich auf den Zufall
des folgenden Tages verliess.16) Es ist ein kindisches Missverständniss.


16) Statt dass, wie A. Smith wähnt, die Vorrathbildung erst entspringt
aus der Verwandlung des Produkts in Waare und des Konsumtionsvorraths
in Waarenvorrath, verursacht umgekehrt dieser Formwechsel während des
Uebergangs aus der Produktion für den Selbstbedarf in die Waarenproduktion
die heftigsten Krisen in der Oekonomie der Producenten. In Indien erhielt
sich z. B. bis auf die allerneueste Zeit "die Gewohnheit, das Getreide, wofür
in Jahren des Ueberflusses wenig zu haben war, massenhaft aufzuspeichern."
(Return. Bengal and Orissa Famine. H. of C. 1867. I, p. 230, Nr. 74.) Die
durch den amerikanischen Bürgerkrieg plötzlich gesteigerte Nachfrage nach
Baumwolle, Jute etc. veranlasste in vielen Theilen Indiens grosse Einschrän-
kung des Reisbaus, Steigen der Reispreise und Verkauf der alten Reisvorräthe
der Producenten. Dazu kam nach 1864--66 beispiellose Ausfuhr von Reis
nach Australien, Madagaskar etc. Daher der akute Charakter der Hungers-
noth von 1866, die im Distrikt von Orissa allein eine Million Menschen weg-
raffte. (l. c. 174, 175, 213, 214 und III: Papers relating to the Famine in
Behar. p. 32, 33, wo unter den Ursachen der Hungersnoth der drain of
old stock betont wird. (Aus Manuskript II.)

der einen Form nimmt relativ ab, wenn er in der andren Form zunimmt,
obgleich er seiner absoluten Grösse nach in allen drei Formen gleich-
zeitig wachsen mag.

Es ist von vornherein klar, dass wo die Produktion direkt auf die
Befriedigung des Selbstbedarfs gerichtet ist und nur zum geringern Theil
für den Austausch oder Verkauf producirt wird, also das gesellschaft-
liche Produkt gar nicht oder nur zum kleinern Theil die Form der
Waare annimmt, der Vorrath in der Form der Waare oder Waarenvorrath
nur einen geringen und verschwindenden Theil des Reichsthums bildet.
Der Konsumtionsfonds ist aber hier relativ gross, namentlich der eigent-
lichen Lebensmittel. Man hat nur alterthümliche Bauernwirthschaft an-
zusehn. Ein überwiegender Theil des Produkts verwandelt sich hier un-
mittelbar, ohne Waarenvorrath zu bilden — eben weil er in der Hand
seines Besitzers bleibt — in vorräthige Produktionsmittel oder Lebens-
mittel. Er nimmt nicht die Form des Waarenvorraths an und eben des-
wegen existirt in Gesellschaften, die auf solcher Produktionsweise ge-
gründet sind, nach A. Smith kein Vorrath. A. Smith verwechselt die
Form des Vorraths mit dem Vorrath selbst und glaubt, dass die Gesell-
schaft bisher von der Hand in den Mund lebte oder sich auf den Zufall
des folgenden Tages verliess.16) Es ist ein kindisches Missverständniss.


16) Statt dass, wie A. Smith wähnt, die Vorrathbildung erst entspringt
aus der Verwandlung des Produkts in Waare und des Konsumtionsvorraths
in Waarenvorrath, verursacht umgekehrt dieser Formwechsel während des
Uebergangs aus der Produktion für den Selbstbedarf in die Waarenproduktion
die heftigsten Krisen in der Oekonomie der Producenten. In Indien erhielt
sich z. B. bis auf die allerneueste Zeit „die Gewohnheit, das Getreide, wofür
in Jahren des Ueberflusses wenig zu haben war, massenhaft aufzuspeichern.“
(Return. Bengal and Orissa Famine. H. of C. 1867. I, p. 230, Nr. 74.) Die
durch den amerikanischen Bürgerkrieg plötzlich gesteigerte Nachfrage nach
Baumwolle, Jute etc. veranlasste in vielen Theilen Indiens grosse Einschrän-
kung des Reisbaus, Steigen der Reispreise und Verkauf der alten Reisvorräthe
der Producenten. Dazu kam nach 1864—66 beispiellose Ausfuhr von Reis
nach Australien, Madagaskar etc. Daher der akute Charakter der Hungers-
noth von 1866, die im Distrikt von Orissa allein eine Million Menschen weg-
raffte. (l. c. 174, 175, 213, 214 und III: Papers relating to the Famine in
Behar. p. 32, 33, wo unter den Ursachen der Hungersnoth der drain of
old stock betont wird. (Aus Manuskript II.)
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[117/0151] der einen Form nimmt relativ ab, wenn er in der andren Form zunimmt, obgleich er seiner absoluten Grösse nach in allen drei Formen gleich- zeitig wachsen mag. Es ist von vornherein klar, dass wo die Produktion direkt auf die Befriedigung des Selbstbedarfs gerichtet ist und nur zum geringern Theil für den Austausch oder Verkauf producirt wird, also das gesellschaft- liche Produkt gar nicht oder nur zum kleinern Theil die Form der Waare annimmt, der Vorrath in der Form der Waare oder Waarenvorrath nur einen geringen und verschwindenden Theil des Reichsthums bildet. Der Konsumtionsfonds ist aber hier relativ gross, namentlich der eigent- lichen Lebensmittel. Man hat nur alterthümliche Bauernwirthschaft an- zusehn. Ein überwiegender Theil des Produkts verwandelt sich hier un- mittelbar, ohne Waarenvorrath zu bilden — eben weil er in der Hand seines Besitzers bleibt — in vorräthige Produktionsmittel oder Lebens- mittel. Er nimmt nicht die Form des Waarenvorraths an und eben des- wegen existirt in Gesellschaften, die auf solcher Produktionsweise ge- gründet sind, nach A. Smith kein Vorrath. A. Smith verwechselt die Form des Vorraths mit dem Vorrath selbst und glaubt, dass die Gesell- schaft bisher von der Hand in den Mund lebte oder sich auf den Zufall des folgenden Tages verliess. 16) Es ist ein kindisches Missverständniss. 16) Statt dass, wie A. Smith wähnt, die Vorrathbildung erst entspringt aus der Verwandlung des Produkts in Waare und des Konsumtionsvorraths in Waarenvorrath, verursacht umgekehrt dieser Formwechsel während des Uebergangs aus der Produktion für den Selbstbedarf in die Waarenproduktion die heftigsten Krisen in der Oekonomie der Producenten. In Indien erhielt sich z. B. bis auf die allerneueste Zeit „die Gewohnheit, das Getreide, wofür in Jahren des Ueberflusses wenig zu haben war, massenhaft aufzuspeichern.“ (Return. Bengal and Orissa Famine. H. of C. 1867. I, p. 230, Nr. 74.) Die durch den amerikanischen Bürgerkrieg plötzlich gesteigerte Nachfrage nach Baumwolle, Jute etc. veranlasste in vielen Theilen Indiens grosse Einschrän- kung des Reisbaus, Steigen der Reispreise und Verkauf der alten Reisvorräthe der Producenten. Dazu kam nach 1864—66 beispiellose Ausfuhr von Reis nach Australien, Madagaskar etc. Daher der akute Charakter der Hungers- noth von 1866, die im Distrikt von Orissa allein eine Million Menschen weg- raffte. (l. c. 174, 175, 213, 214 und III: Papers relating to the Famine in Behar. p. 32, 33, wo unter den Ursachen der Hungersnoth der drain of old stock betont wird. (Aus Manuskript II.)

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Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Bd. 2. Buch II: Der Cirkulationsprocess des Kapitals. Hamburg, 1885, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital02_1885/151>, abgerufen am 29.03.2024.