G -- W. Zweite oder Schlussmetamorphose der Waare. Kauf. -- Weil die entäusserte Gestalt aller andern Waaren oder das Produkt ihrer allgemeinen Veräusserung, ist Geld die absolut veräusserliche Waare. Es liest alle Preise rückwärts und spiegelt sich so in allen Waarenleibern als dem hingebenden Material seiner eignen Waarenwerdung. Zugleich zeigen die Preise, die Liebesaugen, womit ihm die Waaren winken, die Schranke seiner Verwandlungsfähig- keit, nämlich seine eigne Quantität. Da die Waare in ihrer Geld- werdung verschwindet, sieht man dem Geld nicht an, wie es in die Hände seines Besitzers gelangt oder was in es verwandelt ist. Non olet, wessen Ursprungs auch immer. Als entäusserte Gestalt steht es den Waaren, ihm als der absolut veräusserlichen Waarengestalt steht die Waarenwelt gegenüber55).
G -- W, der Kauf ist zugleich Verkauf, W -- G, die letzte Meta- morphose einer Waare daher zugleich die erste Metamorphose einer andern Waare. Für unsern Leinweber schliesst der Lebenslauf seiner Waare mit der Bibel, worin er die 2 Pfd. St. rückverwandelt hat. Aber der ur- sprüngliche Bibelbesitzer setzt die vom Leineweber gelösten 2 Pfd. St. in Kornbranntwein um, G -- W, die Schlussphase von W -- G -- W (Lein- wand -- Geld -- Bibel) ist zugleich W -- G, die erste Phase von W -- G -- W (Bibel -- Geld -- Kornbranntwein). Da der Waarenproduzent nur ein einseitiges Produkt liefert, verkauft er es oft in grösseren Mas- sen, während seine vielseitigen Bedürfnisse ihn zwingen, den realisirten Preis oder die gelöste Geldsumme beständig in zahlreiche Käufe zu zer- splittern. Ein Verkauf mündet daher in viele Käufe verschiedner Waaren. Die Schlussmetamorphose einer Waare bildet so eine Summe von ersten Metamorphosen andrer Waaren.
Betrachten wir nun die Gesammtmetamorphose einer Waare, z. B. der Leinwand, so sehn wir zunächst, dass sie aus zwei entgegenge- setzten und einander ergänzenden Bewegungen besteht, W -- G und G -- W. Die zwei entgegengesetzten Wandlungen vollziehn sich in zwei ent- gegengesetzten gesellschaftlichen Prozessen des Waarenbesitzers und reflek- tiren sich in zwei entgegengesetzten ökonomischen Charakteren dessel-
55) "Si l'argent represente, dans nos mains, les choses que nous pouvons desirer d'acheter, il y represente aussi les choses que nous avous vendues pour cet argent." (Mercier de la Riviere l. c. p. 586.)
G — W. Zweite oder Schlussmetamorphose der Waare. Kauf. — Weil die entäusserte Gestalt aller andern Waaren oder das Produkt ihrer allgemeinen Veräusserung, ist Geld die absolut veräusserliche Waare. Es liest alle Preise rückwärts und spiegelt sich so in allen Waarenleibern als dem hingebenden Material seiner eignen Waarenwerdung. Zugleich zeigen die Preise, die Liebesaugen, womit ihm die Waaren winken, die Schranke seiner Verwandlungsfähig- keit, nämlich seine eigne Quantität. Da die Waare in ihrer Geld- werdung verschwindet, sieht man dem Geld nicht an, wie es in die Hände seines Besitzers gelangt oder was in es verwandelt ist. Non olet, wessen Ursprungs auch immer. Als entäusserte Gestalt steht es den Waaren, ihm als der absolut veräusserlichen Waarengestalt steht die Waarenwelt gegenüber55).
G — W, der Kauf ist zugleich Verkauf, W — G, die letzte Meta- morphose einer Waare daher zugleich die erste Metamorphose einer andern Waare. Für unsern Leinweber schliesst der Lebenslauf seiner Waare mit der Bibel, worin er die 2 Pfd. St. rückverwandelt hat. Aber der ur- sprüngliche Bibelbesitzer setzt die vom Leineweber gelösten 2 Pfd. St. in Kornbranntwein um, G — W, die Schlussphase von W — G — W (Lein- wand — Geld — Bibel) ist zugleich W — G, die erste Phase von W — G — W (Bibel — Geld — Kornbranntwein). Da der Waarenproduzent nur ein einseitiges Produkt liefert, verkauft er es oft in grösseren Mas- sen, während seine vielseitigen Bedürfnisse ihn zwingen, den realisirten Preis oder die gelöste Geldsumme beständig in zahlreiche Käufe zu zer- splittern. Ein Verkauf mündet daher in viele Käufe verschiedner Waaren. Die Schlussmetamorphose einer Waare bildet so eine Summe von ersten Metamorphosen andrer Waaren.
Betrachten wir nun die Gesammtmetamorphose einer Waare, z. B. der Leinwand, so sehn wir zunächst, dass sie aus zwei entgegenge- setzten und einander ergänzenden Bewegungen besteht, W — G und G — W. Die zwei entgegengesetzten Wandlungen vollziehn sich in zwei ent- gegengesetzten gesellschaftlichen Prozessen des Waarenbesitzers und reflek- tiren sich in zwei entgegengesetzten ökonomischen Charakteren dessel-
55) „Si l’argent représente, dans nos mains, les choses que nous pouvons désirer d’acheter, il y représente aussi les choses que nous avous vendues pour cet argent.“ (Mercier de la Rivière l. c. p. 586.)
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Waare. Kauf. — Weil die entäusserte Gestalt aller andern Waaren
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veräusserliche Waare. Es liest alle Preise rückwärts und spiegelt
sich so in allen Waarenleibern als dem hingebenden Material seiner eignen
Waarenwerdung. Zugleich zeigen die Preise, die Liebesaugen, womit
ihm die Waaren winken, die Schranke seiner Verwandlungsfähig-
keit, nämlich seine eigne Quantität. Da die Waare in ihrer Geld-
werdung verschwindet, sieht man dem Geld nicht an, wie es in die Hände
seines Besitzers gelangt oder was in es verwandelt ist. Non olet, wessen
Ursprungs auch immer. Als entäusserte Gestalt steht es den
Waaren, ihm als der absolut veräusserlichen Waarengestalt
steht die Waarenwelt gegenüber 55).
G — W, der Kauf ist zugleich Verkauf, W — G, die letzte Meta-
morphose einer Waare daher zugleich die erste Metamorphose einer andern
Waare. Für unsern Leinweber schliesst der Lebenslauf seiner Waare
mit der Bibel, worin er die 2 Pfd. St. rückverwandelt hat. Aber der ur-
sprüngliche Bibelbesitzer setzt die vom Leineweber gelösten 2 Pfd. St. in
Kornbranntwein um, G — W, die Schlussphase von W — G — W (Lein-
wand — Geld — Bibel) ist zugleich W — G, die erste Phase von W —
G — W (Bibel — Geld — Kornbranntwein). Da der Waarenproduzent
nur ein einseitiges Produkt liefert, verkauft er es oft in grösseren Mas-
sen, während seine vielseitigen Bedürfnisse ihn zwingen, den realisirten
Preis oder die gelöste Geldsumme beständig in zahlreiche Käufe zu zer-
splittern. Ein Verkauf mündet daher in viele Käufe verschiedner
Waaren. Die Schlussmetamorphose einer Waare bildet so eine Summe
von ersten Metamorphosen andrer Waaren.
Betrachten wir nun die Gesammtmetamorphose einer Waare,
z. B. der Leinwand, so sehn wir zunächst, dass sie aus zwei entgegenge-
setzten und einander ergänzenden Bewegungen besteht, W — G und G —
W. Die zwei entgegengesetzten Wandlungen vollziehn sich in zwei ent-
gegengesetzten gesellschaftlichen Prozessen des Waarenbesitzers und reflek-
tiren sich in zwei entgegengesetzten ökonomischen Charakteren dessel-
55) „Si l’argent représente, dans nos mains, les choses que nous pouvons
désirer d’acheter, il y représente aussi les choses que nous avous vendues
pour cet argent.“ (Mercier de la Rivière l. c. p. 586.)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/89>, abgerufen am 28.11.2024.
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