Fanatismus müsse sich namentlich in Kolonien den Zügel frei schiessen lassen, wo allein Menschen und Umstände existiren, welche einen contrat social aus dem Traumreich in das der Wirklichkeit übersetzen könnten. Aber wozu dann überhaupt die "systematische Kolonisation" im Gegensatz zur naturwüchsigen Kolonisation? Aber, aber "in den nördlichen Staaten der amerikanischen Union ist es zweifelhaft, ob ein Zehntel der Bevölkerung der Kategorie der Lohnarbeiter ange- hört ... In England besteht die grosse Volksmasse aus Lohnarbeitern"260). Ja der Selbstexpropriationstrieb der arbeitenden Menschheit zu Ehren des Kapitals existirt so wenig, dass nach Wakefield selbst Sklaverei die einzige naturwüchsige Grundlage des Kolonialreichthums ist. Seine systematische Kolonisation ist ein blosses pis aller, da er nun einmal mit Freien, statt mit Sklaven zu operiren hat. "Ohne Sklaverei wäre das Kapital in den spanischen Niederlassungen kaput gegangen oder wenigstens auf die kleinen Massen zusammengeschrumpft, worin jedes Individuum es mit seinen eignen Händen anwenden kann. Diess fand wirklich statt in der letzten von den Engländern gegründeten Kolonie, wo ein grosses Kapital in Samen, Vieh und Instrumenten unterging am Man- gel von Lohnarbeitern und wo kein Ansiedler viel mehr Kapital besitzt als er mit seinen eignen Händen anwenden kann"261).
Man sah: die Expropriation der Volksmasse von Grund und Boden bildet die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise. Das Wesen einer freien Kolonie besteht um- gekehrt darin, dass die Masse des Bodens noch Volkseigenthum ist und jeder Ansiedler daher einen Theil davon in sein Privateigenthum und in- dividuelles Produktionsmittel verwandeln kann, ohne den spätern Ansiedler an derselben Operation zu verhindern262). Diess ist das Geheimniss, so- wohl der Blüthe der Kolonien, als ihres Krebswurms -- ihres Widerstands wider die Ansiedlung des Kapitals. "Wo Land sehr wohl- feil ist und alle Menschen frei sind, wo jeder nach Wunsch ein Stück Land für sich selbst erhalten kann, ist Arbeit nicht nur sehr theuer,
260) l. c. p. 43, 44
261) l. c. v. II, p. 5
262) "Land, um Element der Kolonisation zu werden, muss nicht nur unan- gebaut sein, sondern öffentliches Eigenthum, welches in Privateigenthum verwan- delt werden kann." (l. c. v. II, p. 125.)
Fanatismus müsse sich namentlich in Kolonien den Zügel frei schiessen lassen, wo allein Menschen und Umstände existiren, welche einen contrat social aus dem Traumreich in das der Wirklichkeit übersetzen könnten. Aber wozu dann überhaupt die „systematische Kolonisation“ im Gegensatz zur naturwüchsigen Kolonisation? Aber, aber „in den nördlichen Staaten der amerikanischen Union ist es zweifelhaft, ob ein Zehntel der Bevölkerung der Kategorie der Lohnarbeiter ange- hört … In England besteht die grosse Volksmasse aus Lohnarbeitern“260). Ja der Selbstexpropriationstrieb der arbeitenden Menschheit zu Ehren des Kapitals existirt so wenig, dass nach Wakefield selbst Sklaverei die einzige naturwüchsige Grundlage des Kolonialreichthums ist. Seine systematische Kolonisation ist ein blosses pis aller, da er nun einmal mit Freien, statt mit Sklaven zu operiren hat. „Ohne Sklaverei wäre das Kapital in den spanischen Niederlassungen kaput gegangen oder wenigstens auf die kleinen Massen zusammengeschrumpft, worin jedes Individuum es mit seinen eignen Händen anwenden kann. Diess fand wirklich statt in der letzten von den Engländern gegründeten Kolonie, wo ein grosses Kapital in Samen, Vieh und Instrumenten unterging am Man- gel von Lohnarbeitern und wo kein Ansiedler viel mehr Kapital besitzt als er mit seinen eignen Händen anwenden kann“261).
Man sah: die Expropriation der Volksmasse von Grund und Boden bildet die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise. Das Wesen einer freien Kolonie besteht um- gekehrt darin, dass die Masse des Bodens noch Volkseigenthum ist und jeder Ansiedler daher einen Theil davon in sein Privateigenthum und in- dividuelles Produktionsmittel verwandeln kann, ohne den spätern Ansiedler an derselben Operation zu verhindern262). Diess ist das Geheimniss, so- wohl der Blüthe der Kolonien, als ihres Krebswurms — ihres Widerstands wider die Ansiedlung des Kapitals. „Wo Land sehr wohl- feil ist und alle Menschen frei sind, wo jeder nach Wunsch ein Stück Land für sich selbst erhalten kann, ist Arbeit nicht nur sehr theuer,
260) l. c. p. 43, 44
261) l. c. v. II, p. 5
262) „Land, um Element der Kolonisation zu werden, muss nicht nur unan- gebaut sein, sondern öffentliches Eigenthum, welches in Privateigenthum verwan- delt werden kann.“ (l. c. v. II, p. 125.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0768"n="749"/>
Fanatismus müsse sich namentlich in Kolonien den Zügel frei schiessen<lb/>
lassen, wo allein Menschen und Umstände existiren, welche einen contrat<lb/>
social aus dem Traumreich in das der Wirklichkeit übersetzen könnten.<lb/>
Aber wozu dann überhaupt die „<hirendition="#g">systematische Kolonisation</hi>“<lb/>
im Gegensatz zur <hirendition="#g">naturwüchsigen Kolonisation</hi>? Aber, aber<lb/>„in den nördlichen Staaten der amerikanischen Union ist es zweifelhaft,<lb/>
ob ein Zehntel der Bevölkerung der Kategorie der Lohnarbeiter ange-<lb/>
hört … In England besteht die grosse Volksmasse aus Lohnarbeitern“<noteplace="foot"n="260)">l. c. p. 43, 44</note>.<lb/>
Ja der Selbstexpropriationstrieb der arbeitenden Menschheit zu Ehren <hirendition="#g">des</hi><lb/>
Kapitals existirt so wenig, dass nach Wakefield selbst <hirendition="#g">Sklaverei</hi> die<lb/>
einzige <hirendition="#g">naturwüchsige</hi> Grundlage des Kolonialreichthums ist. Seine<lb/><hirendition="#g">systematische</hi> Kolonisation ist ein blosses pis aller, da er nun einmal<lb/>
mit Freien, statt mit Sklaven zu operiren hat. „<hirendition="#g">Ohne Sklaverei</hi><lb/>
wäre <hirendition="#g">das Kapital</hi> in den spanischen Niederlassungen kaput gegangen<lb/>
oder wenigstens auf die kleinen Massen zusammengeschrumpft, worin jedes<lb/>
Individuum es mit seinen eignen Händen anwenden kann. Diess fand<lb/>
wirklich statt in der letzten von den Engländern gegründeten Kolonie, wo<lb/>
ein grosses Kapital in Samen, Vieh und Instrumenten unterging am Man-<lb/>
gel von Lohnarbeitern und wo kein Ansiedler viel mehr Kapital besitzt als<lb/>
er mit seinen eignen Händen anwenden kann“<noteplace="foot"n="261)">l. c. v. II, p. 5</note>.</p><lb/><p>Man sah: die <hirendition="#g">Expropriation der Volksmasse von Grund<lb/>
und Boden bildet die Grundlage der kapitalistischen<lb/>
Produktionsweise</hi>. Das Wesen einer freien <hirendition="#g">Kolonie</hi> besteht um-<lb/>
gekehrt darin, dass die Masse des Bodens noch Volkseigenthum ist und<lb/>
jeder Ansiedler daher einen Theil davon in sein Privateigenthum und in-<lb/>
dividuelles Produktionsmittel verwandeln kann, ohne den spätern Ansiedler<lb/>
an derselben Operation zu verhindern<noteplace="foot"n="262)">„Land, um Element der Kolonisation zu werden, muss nicht nur unan-<lb/>
gebaut sein, sondern öffentliches Eigenthum, welches in Privateigenthum verwan-<lb/>
delt werden kann.“ (l. c. v. II, p. 125.)</note>. Diess ist das Geheimniss, so-<lb/>
wohl der Blüthe der Kolonien, als ihres Krebswurms — ihres Widerstands<lb/>
wider die <hirendition="#g">Ansiedlung des Kapitals</hi>. „<hirendition="#g">Wo Land sehr wohl-<lb/>
feil</hi> ist und <hirendition="#g">alle Menschen frei sind</hi>, wo jeder nach Wunsch ein<lb/>
Stück Land für sich selbst erhalten kann, ist Arbeit nicht nur sehr theuer,<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[749/0768]
Fanatismus müsse sich namentlich in Kolonien den Zügel frei schiessen
lassen, wo allein Menschen und Umstände existiren, welche einen contrat
social aus dem Traumreich in das der Wirklichkeit übersetzen könnten.
Aber wozu dann überhaupt die „systematische Kolonisation“
im Gegensatz zur naturwüchsigen Kolonisation? Aber, aber
„in den nördlichen Staaten der amerikanischen Union ist es zweifelhaft,
ob ein Zehntel der Bevölkerung der Kategorie der Lohnarbeiter ange-
hört … In England besteht die grosse Volksmasse aus Lohnarbeitern“ 260).
Ja der Selbstexpropriationstrieb der arbeitenden Menschheit zu Ehren des
Kapitals existirt so wenig, dass nach Wakefield selbst Sklaverei die
einzige naturwüchsige Grundlage des Kolonialreichthums ist. Seine
systematische Kolonisation ist ein blosses pis aller, da er nun einmal
mit Freien, statt mit Sklaven zu operiren hat. „Ohne Sklaverei
wäre das Kapital in den spanischen Niederlassungen kaput gegangen
oder wenigstens auf die kleinen Massen zusammengeschrumpft, worin jedes
Individuum es mit seinen eignen Händen anwenden kann. Diess fand
wirklich statt in der letzten von den Engländern gegründeten Kolonie, wo
ein grosses Kapital in Samen, Vieh und Instrumenten unterging am Man-
gel von Lohnarbeitern und wo kein Ansiedler viel mehr Kapital besitzt als
er mit seinen eignen Händen anwenden kann“ 261).
Man sah: die Expropriation der Volksmasse von Grund
und Boden bildet die Grundlage der kapitalistischen
Produktionsweise. Das Wesen einer freien Kolonie besteht um-
gekehrt darin, dass die Masse des Bodens noch Volkseigenthum ist und
jeder Ansiedler daher einen Theil davon in sein Privateigenthum und in-
dividuelles Produktionsmittel verwandeln kann, ohne den spätern Ansiedler
an derselben Operation zu verhindern 262). Diess ist das Geheimniss, so-
wohl der Blüthe der Kolonien, als ihres Krebswurms — ihres Widerstands
wider die Ansiedlung des Kapitals. „Wo Land sehr wohl-
feil ist und alle Menschen frei sind, wo jeder nach Wunsch ein
Stück Land für sich selbst erhalten kann, ist Arbeit nicht nur sehr theuer,
260) l. c. p. 43, 44
261) l. c. v. II, p. 5
262) „Land, um Element der Kolonisation zu werden, muss nicht nur unan-
gebaut sein, sondern öffentliches Eigenthum, welches in Privateigenthum verwan-
delt werden kann.“ (l. c. v. II, p. 125.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/768>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.