Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

Producenten gebildet sind. Jedoch lässt sich die unbefangne Anschauung
nicht beirren. Zur Zeit Mirabeau's, des Revolutionslöwen, hiessen die
grossen Manufakturen noch manufactures reunies, zusammenge-
schlagene Werkstätten, wie wir von zusammengeschlagenen Aeckern
sprechen. "Man sieht nur", sagt Mirabeau, "die grossen Manufak-
turen, wo Hunderte von Menschen unter einem Direktor arbeiten,
und die man gewöhnlich vereinigte Manufakturen (manufactures
reunies) nennt. Diejenigen dagegen, wo eine sehr grosse Anzahl Arbei-
ter zersplittert und jeder für seine eigne Rechnung arbeitet, werden kaum
eines Blicks gewürdigt. Man stellt sie ganz in den Hintergrund. Diess
ist ein sehr grosser Irrthum, denn sie allein bilden einen wirklich wich-
tigen Bestandtheil des Volksreichthums ... Die vereinigte Fabrik (fabrique
reunie) wird einen oder zwei Unternehmer wunderbar bereichern, aber die
Arbeiter sind nur besser oder schlechter bezahlte Taglöhner und nehmen
in Nichts am Wohlsein des Unternehmers Theil. In der getrennten
Fabrik
(fabrique separee) dagegen wird Niemand reich, aber eine Menge
Arbeiter befindet sich im Wohlstand ... Die Zahl der fleissigen und wirth-
schaftlichen Arbeiter wird wachsen, weil sie in weiser Lebensart, in Thätig-
keit ein Mittel erblicken, ihre Lage wesentlich zu verbessern, statt eine kleine
Lohnerhöhung zu gewinnen, die niemals ein wichtiger Gegenstand für die
Zukunft sein kann, sondern die Leute höchstens befähigt etwas besser von der
Hand in den Mund zu leben. Die getrennten individuellen Manufak-
turen, meist mit kleiner Landwirthschaft verbunden, sind die freien"233).
Die Expropriation und Verjagung eines Theils des Landvolks setzt mit
den Arbeitern
nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsma-
terial für das industrielle Kapital frei
, sie schafft den inneren
Markt
234). Der Pächter verkauft nun als Waare und massenhaft Lebens-

233) Mirabeau l. c. t. III, p. 20--109 passim. Wenn Mirabeau die zer-
splitterten Werkstätten auch für ökonomischer und produktiver hält, als die "ver-
einigten", und in letzteren bloss künstliche Treibhauspflanzen unter der Pflege der
Staatsregierungen sieht, erklärt sich das aus dem damaligen Zustand eines grossen
Theils der kontinentalen Manufakturen.
234) "Twenty pounds of wool converted unobtrusively into the yearly clothing
of a labourer's family by its own industry in the intervals of other work -- this
makes no show; but bring it to market, send it to the factory, thence to the broker,

Producenten gebildet sind. Jedoch lässt sich die unbefangne Anschauung
nicht beirren. Zur Zeit Mirabeau’s, des Revolutionslöwen, hiessen die
grossen Manufakturen noch manufactures réunies, zusammenge-
schlagene Werkstätten, wie wir von zusammengeschlagenen Aeckern
sprechen. „Man sieht nur“, sagt Mirabeau, „die grossen Manufak-
turen, wo Hunderte von Menschen unter einem Direktor arbeiten,
und die man gewöhnlich vereinigte Manufakturen (manufactures
réunies) nennt. Diejenigen dagegen, wo eine sehr grosse Anzahl Arbei-
ter zersplittert und jeder für seine eigne Rechnung arbeitet, werden kaum
eines Blicks gewürdigt. Man stellt sie ganz in den Hintergrund. Diess
ist ein sehr grosser Irrthum, denn sie allein bilden einen wirklich wich-
tigen Bestandtheil des Volksreichthums … Die vereinigte Fabrik (fabrique
réunie) wird einen oder zwei Unternehmer wunderbar bereichern, aber die
Arbeiter sind nur besser oder schlechter bezahlte Taglöhner und nehmen
in Nichts am Wohlsein des Unternehmers Theil. In der getrennten
Fabrik
(fabrique séparée) dagegen wird Niemand reich, aber eine Menge
Arbeiter befindet sich im Wohlstand … Die Zahl der fleissigen und wirth-
schaftlichen Arbeiter wird wachsen, weil sie in weiser Lebensart, in Thätig-
keit ein Mittel erblicken, ihre Lage wesentlich zu verbessern, statt eine kleine
Lohnerhöhung zu gewinnen, die niemals ein wichtiger Gegenstand für die
Zukunft sein kann, sondern die Leute höchstens befähigt etwas besser von der
Hand in den Mund zu leben. Die getrennten individuellen Manufak-
turen, meist mit kleiner Landwirthschaft verbunden, sind die freien233).
Die Expropriation und Verjagung eines Theils des Landvolks setzt mit
den Arbeitern
nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsma-
terial für das industrielle Kapital frei
, sie schafft den inneren
Markt
234). Der Pächter verkauft nun als Waare und massenhaft Lebens-

233) Mirabeau l. c. t. III, p. 20—109 passim. Wenn Mirabeau die zer-
splitterten Werkstätten auch für ökonomischer und produktiver hält, als die „ver-
einigten“, und in letzteren bloss künstliche Treibhauspflanzen unter der Pflege der
Staatsregierungen sieht, erklärt sich das aus dem damaligen Zustand eines grossen
Theils der kontinentalen Manufakturen.
234) „Twenty pounds of wool converted unobtrusively into the yearly clothing
of a labourer’s family by its own industry in the intervals of other work — this
makes no show; but bring it to market, send it to the factory, thence to the broker,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0749" n="730"/>
Producenten gebildet sind. Jedoch lässt sich die unbefangne Anschauung<lb/>
nicht beirren. Zur Zeit Mirabeau&#x2019;s, des Revolutionslöwen, hiessen die<lb/>
grossen Manufakturen noch <hi rendition="#g">manufactures réunies</hi>, zusammenge-<lb/>
schlagene Werkstätten, wie wir von zusammengeschlagenen Aeckern<lb/>
sprechen. &#x201E;Man sieht nur&#x201C;, sagt <hi rendition="#g">Mirabeau</hi>, &#x201E;die grossen Manufak-<lb/>
turen, wo Hunderte von Menschen <hi rendition="#g">unter einem Direktor</hi> arbeiten,<lb/>
und die man gewöhnlich <hi rendition="#g">vereinigte Manufakturen</hi> (manufactures<lb/>
réunies) nennt. Diejenigen dagegen, wo eine sehr grosse Anzahl Arbei-<lb/>
ter zersplittert und jeder für seine eigne Rechnung arbeitet, werden kaum<lb/>
eines Blicks gewürdigt. Man stellt sie ganz in den Hintergrund. Diess<lb/>
ist ein sehr grosser Irrthum, denn sie allein bilden einen wirklich wich-<lb/>
tigen Bestandtheil des Volksreichthums &#x2026; Die vereinigte Fabrik (fabrique<lb/>
réunie) wird einen oder zwei Unternehmer wunderbar bereichern, aber die<lb/>
Arbeiter sind nur besser oder schlechter bezahlte Taglöhner und nehmen<lb/>
in Nichts am Wohlsein des Unternehmers Theil. In der <hi rendition="#g">getrennten<lb/>
Fabrik</hi> (fabrique séparée) dagegen wird Niemand reich, aber eine Menge<lb/>
Arbeiter befindet sich im Wohlstand &#x2026; Die Zahl der fleissigen und wirth-<lb/>
schaftlichen Arbeiter wird wachsen, weil sie in weiser Lebensart, in Thätig-<lb/>
keit ein Mittel erblicken, ihre Lage wesentlich zu verbessern, statt eine kleine<lb/>
Lohnerhöhung zu gewinnen, die niemals ein wichtiger Gegenstand für die<lb/>
Zukunft sein kann, sondern die Leute höchstens befähigt etwas besser von der<lb/>
Hand in den Mund zu leben. Die <hi rendition="#g">getrennten individuellen</hi> Manufak-<lb/>
turen, meist mit kleiner Landwirthschaft verbunden, sind die <hi rendition="#g">freien</hi>&#x201C;<note place="foot" n="233)"><hi rendition="#g">Mirabeau</hi> l. c. t. III, p. 20&#x2014;109 <hi rendition="#g">passim</hi>. Wenn Mirabeau die zer-<lb/>
splitterten Werkstätten auch für ökonomischer und produktiver hält, als die &#x201E;ver-<lb/>
einigten&#x201C;, und in letzteren bloss künstliche Treibhauspflanzen unter der Pflege der<lb/>
Staatsregierungen sieht, erklärt sich das aus dem damaligen Zustand eines grossen<lb/>
Theils der kontinentalen Manufakturen.</note>.<lb/>
Die Expropriation und Verjagung eines Theils des Landvolks setzt <hi rendition="#g">mit<lb/>
den Arbeitern</hi> nicht nur ihre <hi rendition="#g">Lebensmittel</hi> und ihr <hi rendition="#g">Arbeitsma-<lb/>
terial für das industrielle Kapital frei</hi>, sie schafft den <hi rendition="#g">inneren<lb/>
Markt</hi><note xml:id="seg2pn_111_1" next="#seg2pn_111_2" place="foot" n="234)">&#x201E;Twenty pounds of wool converted unobtrusively into the yearly clothing<lb/>
of a labourer&#x2019;s family by its own industry in the intervals of other work &#x2014; this<lb/>
makes no show; but bring it to market, send it to the factory, thence to the broker,</note>. Der Pächter verkauft nun als <hi rendition="#g">Waare</hi> und massenhaft Lebens-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[730/0749] Producenten gebildet sind. Jedoch lässt sich die unbefangne Anschauung nicht beirren. Zur Zeit Mirabeau’s, des Revolutionslöwen, hiessen die grossen Manufakturen noch manufactures réunies, zusammenge- schlagene Werkstätten, wie wir von zusammengeschlagenen Aeckern sprechen. „Man sieht nur“, sagt Mirabeau, „die grossen Manufak- turen, wo Hunderte von Menschen unter einem Direktor arbeiten, und die man gewöhnlich vereinigte Manufakturen (manufactures réunies) nennt. Diejenigen dagegen, wo eine sehr grosse Anzahl Arbei- ter zersplittert und jeder für seine eigne Rechnung arbeitet, werden kaum eines Blicks gewürdigt. Man stellt sie ganz in den Hintergrund. Diess ist ein sehr grosser Irrthum, denn sie allein bilden einen wirklich wich- tigen Bestandtheil des Volksreichthums … Die vereinigte Fabrik (fabrique réunie) wird einen oder zwei Unternehmer wunderbar bereichern, aber die Arbeiter sind nur besser oder schlechter bezahlte Taglöhner und nehmen in Nichts am Wohlsein des Unternehmers Theil. In der getrennten Fabrik (fabrique séparée) dagegen wird Niemand reich, aber eine Menge Arbeiter befindet sich im Wohlstand … Die Zahl der fleissigen und wirth- schaftlichen Arbeiter wird wachsen, weil sie in weiser Lebensart, in Thätig- keit ein Mittel erblicken, ihre Lage wesentlich zu verbessern, statt eine kleine Lohnerhöhung zu gewinnen, die niemals ein wichtiger Gegenstand für die Zukunft sein kann, sondern die Leute höchstens befähigt etwas besser von der Hand in den Mund zu leben. Die getrennten individuellen Manufak- turen, meist mit kleiner Landwirthschaft verbunden, sind die freien“ 233). Die Expropriation und Verjagung eines Theils des Landvolks setzt mit den Arbeitern nicht nur ihre Lebensmittel und ihr Arbeitsma- terial für das industrielle Kapital frei, sie schafft den inneren Markt 234). Der Pächter verkauft nun als Waare und massenhaft Lebens- 233) Mirabeau l. c. t. III, p. 20—109 passim. Wenn Mirabeau die zer- splitterten Werkstätten auch für ökonomischer und produktiver hält, als die „ver- einigten“, und in letzteren bloss künstliche Treibhauspflanzen unter der Pflege der Staatsregierungen sieht, erklärt sich das aus dem damaligen Zustand eines grossen Theils der kontinentalen Manufakturen. 234) „Twenty pounds of wool converted unobtrusively into the yearly clothing of a labourer’s family by its own industry in the intervals of other work — this makes no show; but bring it to market, send it to the factory, thence to the broker,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/749
Zitationshilfe: Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/749>, abgerufen am 22.11.2024.