tisch. Soweit die Arbeitsstatuten Verlängerung des Arbeitstags zu erzwingen suchen, komme ich nicht auf sie zurück, da dieser Punkt früher (III. Kapitel, 4. Abschnitt) erörtert.
Das Statute of Labourers wurde erlassen auf dringende Klage des Hauses der Gemeinen. "Früher", sagt naiv ein Tory, "verlangten die Armen so hohen Arbeitslohn, dass sie Industrie und Reichthum bedroh- ten. Jetzt ist ihr Lohn so niedrig, dass er ebenfalls Industrie und Reich- thum bedroht und vielleicht gefährlicher als damals"223). Ein gesetz- licher Lohntarif ward festgesetzt für Stadt und Land, für Stückwerk und Tagwerk. Die ländlichen Arbeiter sollen sich aufs Jahr, die städtischen "auf offnem Markt" verdingen. Es wird bei Gefängnissstrafe untersagt, höheren als den statutarischen Lohn zu zahlen, aber der Empfang höheren Lohns wird stärker bestraft als seine Zahlung. So wird auch noch in Sect. 18 und 19 des Lehrlingsstatuts von Elisabeth zehntägige Gefäng- nissstrafe über den verhängt, der höheren Lohn zahlt, dagegen einund- zwanzigtägige Gefängnissstrafe über den, der ihn nimmt. Das Statut von 1360 verschärft die Strafen und ermächtigt den Meister sogar, durch körperlichen Zwang Arbeit zum gesetzlichen Lohntarif zu erpressen. Alle Kombination, Verträge, Eide u. s. w., wodurch sich Maurer und Zim- merleute wechselseitig banden, werden für null und nichtig erklärt. Arbei- terkoalition wird als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhun- dert bis 1825, dem Jahr der Abschaffung der Antikoalitionsgesetze. Der Geist des Arbeiterstatuts von 1349 und seiner Nachgeburten leuchtet hell daraus hervor, dass zwar ein Maximum des Arbeitslohns von Staatswegen diktirt wird, aber bei Leibe kein Minimum.
Im 16. Jahrhundert hatte sich, wie man weiss, die Lage der Arbei- ter sehr verschlechtert. Der Geldlohn stieg, aber nicht im Verhältniss zur Depreciation des Geldes und dem entsprechenden Steigen der Waaren- preise. Der Lohn fiel also in der That. Dennoch dauerten die Gesetze zum Behuf seiner Herabdrückung fort zugleich mit dem Ohrenabschneiden und Brandmarken derjenigen, "die Niemand in Dienst nehmen wollte". Durch das Lehrlingsstatut 5 Elisabeth 3 wurden die Friedensrichter
223) "Sophisms of Free Trade. By a Barrister. Lond. 1850", p. 206. Er setzt malitiös hinzu: "Die Gesetzgebung war stets bei der Hand für den Anwender einzuschreiten. Ist sie ohnmächtig für den Angewandten?"
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tisch. Soweit die Arbeitsstatuten Verlängerung des Arbeitstags zu erzwingen suchen, komme ich nicht auf sie zurück, da dieser Punkt früher (III. Kapitel, 4. Abschnitt) erörtert.
Das Statute of Labourers wurde erlassen auf dringende Klage des Hauses der Gemeinen. „Früher“, sagt naiv ein Tory, „verlangten die Armen so hohen Arbeitslohn, dass sie Industrie und Reichthum bedroh- ten. Jetzt ist ihr Lohn so niedrig, dass er ebenfalls Industrie und Reich- thum bedroht und vielleicht gefährlicher als damals“223). Ein gesetz- licher Lohntarif ward festgesetzt für Stadt und Land, für Stückwerk und Tagwerk. Die ländlichen Arbeiter sollen sich aufs Jahr, die städtischen „auf offnem Markt“ verdingen. Es wird bei Gefängnissstrafe untersagt, höheren als den statutarischen Lohn zu zahlen, aber der Empfang höheren Lohns wird stärker bestraft als seine Zahlung. So wird auch noch in Sect. 18 und 19 des Lehrlingsstatuts von Elisabeth zehntägige Gefäng- nissstrafe über den verhängt, der höheren Lohn zahlt, dagegen einund- zwanzigtägige Gefängnissstrafe über den, der ihn nimmt. Das Statut von 1360 verschärft die Strafen und ermächtigt den Meister sogar, durch körperlichen Zwang Arbeit zum gesetzlichen Lohntarif zu erpressen. Alle Kombination, Verträge, Eide u. s. w., wodurch sich Maurer und Zim- merleute wechselseitig banden, werden für null und nichtig erklärt. Arbei- terkoalition wird als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhun- dert bis 1825, dem Jahr der Abschaffung der Antikoalitionsgesetze. Der Geist des Arbeiterstatuts von 1349 und seiner Nachgeburten leuchtet hell daraus hervor, dass zwar ein Maximum des Arbeitslohns von Staatswegen diktirt wird, aber bei Leibe kein Minimum.
Im 16. Jahrhundert hatte sich, wie man weiss, die Lage der Arbei- ter sehr verschlechtert. Der Geldlohn stieg, aber nicht im Verhältniss zur Depreciation des Geldes und dem entsprechenden Steigen der Waaren- preise. Der Lohn fiel also in der That. Dennoch dauerten die Gesetze zum Behuf seiner Herabdrückung fort zugleich mit dem Ohrenabschneiden und Brandmarken derjenigen, „die Niemand in Dienst nehmen wollte“. Durch das Lehrlingsstatut 5 Elisabeth 3 wurden die Friedensrichter
223) „Sophisms of Free Trade. By a Barrister. Lond. 1850“, p. 206. Er setzt malitiös hinzu: „Die Gesetzgebung war stets bei der Hand für den Anwender einzuschreiten. Ist sie ohnmächtig für den Angewandten?“
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tisch. Soweit die Arbeitsstatuten Verlängerung des Arbeitstags
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früher (III. Kapitel, 4. Abschnitt) erörtert.
Das Statute of Labourers wurde erlassen auf dringende Klage
des Hauses der Gemeinen. „Früher“, sagt naiv ein Tory, „verlangten
die Armen so hohen Arbeitslohn, dass sie Industrie und Reichthum bedroh-
ten. Jetzt ist ihr Lohn so niedrig, dass er ebenfalls Industrie und Reich-
thum bedroht und vielleicht gefährlicher als damals“ 223). Ein gesetz-
licher Lohntarif ward festgesetzt für Stadt und Land, für Stückwerk und
Tagwerk. Die ländlichen Arbeiter sollen sich aufs Jahr, die städtischen
„auf offnem Markt“ verdingen. Es wird bei Gefängnissstrafe untersagt,
höheren als den statutarischen Lohn zu zahlen, aber der Empfang höheren
Lohns wird stärker bestraft als seine Zahlung. So wird auch noch in
Sect. 18 und 19 des Lehrlingsstatuts von Elisabeth zehntägige Gefäng-
nissstrafe über den verhängt, der höheren Lohn zahlt, dagegen einund-
zwanzigtägige Gefängnissstrafe über den, der ihn nimmt. Das Statut von
1360 verschärft die Strafen und ermächtigt den Meister sogar, durch
körperlichen Zwang Arbeit zum gesetzlichen Lohntarif zu erpressen.
Alle Kombination, Verträge, Eide u. s. w., wodurch sich Maurer und Zim-
merleute wechselseitig banden, werden für null und nichtig erklärt. Arbei-
terkoalition wird als schweres Verbrechen behandelt vom 14. Jahrhun-
dert bis 1825, dem Jahr der Abschaffung der Antikoalitionsgesetze. Der
Geist des Arbeiterstatuts von 1349 und seiner Nachgeburten leuchtet hell
daraus hervor, dass zwar ein Maximum des Arbeitslohns von
Staatswegen diktirt wird, aber bei Leibe kein Minimum.
Im 16. Jahrhundert hatte sich, wie man weiss, die Lage der Arbei-
ter sehr verschlechtert. Der Geldlohn stieg, aber nicht im Verhältniss
zur Depreciation des Geldes und dem entsprechenden Steigen der Waaren-
preise. Der Lohn fiel also in der That. Dennoch dauerten die Gesetze
zum Behuf seiner Herabdrückung fort zugleich mit dem Ohrenabschneiden und
Brandmarken derjenigen, „die Niemand in Dienst nehmen wollte“.
Durch das Lehrlingsstatut 5 Elisabeth 3 wurden die Friedensrichter
223) „Sophisms of Free Trade. By a Barrister. Lond. 1850“,
p. 206. Er setzt malitiös hinzu: „Die Gesetzgebung war stets bei der Hand für
den Anwender einzuschreiten. Ist sie ohnmächtig für den Angewandten?“
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/742>, abgerufen am 22.11.2024.
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