Erfolglosigkeit verräth uns Baco wider Wissen. "Der Akt Hein- rich's VII.," sagt er in seinen "Essays, civil and moral" Sect. 20, "war tief und bewunderungswürdig, indem er Landwirthschaften und Ackerbauhäuser von bestimmtem Normalmass schuf, d. h. eine Proportion von Land für sie erhielt, die sie befähigte Unterthanen von genügendem Reichthum und ohne servile Lage auf die Welt zu setzen und den Pflug in der Hand von Eigenthümern, nicht von Miethlingen zu halten" ("to keep the plough in the hand of the owners and not hire- lings"). Was die kapitalistische Produktion erheischte, war umge- kehrt servile Lage der Volksmasse, ihre eigne Verwandlung in Miethlinge, und Verwandlung ihrer Arbeitsmittel in Kapital. Jene ältere Gesetzgebung sucht auch die 4 Acres Land bei der Cottage des ländlichen Lohnar- beiters zu erhalten, wie sie ihm die Aufnahme von Miethsleuten in seine Cottage verbot. Noch 1627, unter Jakob I., wurde Roger Crocker von Frontmill verurtheilt wegen Bau's einer Cottage im Manor von Frontmill ohne 4 Acres Land als beständiges Annex an dieselbe; noch 1638, unter Karl I., wurde eine königliche Kommission ernannt, um die alten Gesetze, namentlich auch über die 4 Acres Land, zu erzwingen; noch Cromwell ver- bot Erbauung eines Hauses in 4 Meilen weitem Umkreis von London ohne Aus- stattung desselben mit 4 Acres Land. Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird geklagt, wenn die Cottage des Landarbeiters kein Zu- behör von 1 bis 2 Acres hat. Heutzutag ist er glücklich, wenn sie mit einem Gärtchen ausgestattet ist, oder wenn er weitab von ihr ein Paar Ruthen Land miethen kann. "Landlords und Pächter", sagt Dr. Hunter, "handeln hier Hand in Hand. Wenige Acres zur Cottage würden den Ar- beiter zu unabhängig machen"194).
Einen neuen furchtbaren Anstoss erhielt der gewaltsame Expro- priationsprozess der Volksmasse im 16. Jahrh. durch die Refor- mation und, in ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der Kirchen- güter. Die katholische Kirche war zur Zeit der Reformation Feudal-
194)Dr. Hunter l. c. p. 134: "The quantity of land assigned (in den alten Gesetzen) would now be judged too great for labourers, and rather as likely to convert them into small farmers." (George Roberts: "The Social History of the People of the Southern Counties of England in pastcenturies. Lond. 1856", p. 184, 185.)
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Erfolglosigkeit verräth uns Baco wider Wissen. „Der Akt Hein- rich’s VII.,“ sagt er in seinen „Essays, civil and moral“ Sect. 20, „war tief und bewunderungswürdig, indem er Landwirthschaften und Ackerbauhäuser von bestimmtem Normalmass schuf, d. h. eine Proportion von Land für sie erhielt, die sie befähigte Unterthanen von genügendem Reichthum und ohne servile Lage auf die Welt zu setzen und den Pflug in der Hand von Eigenthümern, nicht von Miethlingen zu halten“ („to keep the plough in the hand of the owners and not hire- lings“). Was die kapitalistische Produktion erheischte, war umge- kehrt servile Lage der Volksmasse, ihre eigne Verwandlung in Miethlinge, und Verwandlung ihrer Arbeitsmittel in Kapital. Jene ältere Gesetzgebung sucht auch die 4 Acres Land bei der Cottage des ländlichen Lohnar- beiters zu erhalten, wie sie ihm die Aufnahme von Miethsleuten in seine Cottage verbot. Noch 1627, unter Jakob I., wurde Roger Crocker von Frontmill verurtheilt wegen Bau’s einer Cottage im Manor von Frontmill ohne 4 Acres Land als beständiges Annex an dieselbe; noch 1638, unter Karl I., wurde eine königliche Kommission ernannt, um die alten Gesetze, namentlich auch über die 4 Acres Land, zu erzwingen; noch Cromwell ver- bot Erbauung eines Hauses in 4 Meilen weitem Umkreis von London ohne Aus- stattung desselben mit 4 Acres Land. Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wird geklagt, wenn die Cottage des Landarbeiters kein Zu- behör von 1 bis 2 Acres hat. Heutzutag ist er glücklich, wenn sie mit einem Gärtchen ausgestattet ist, oder wenn er weitab von ihr ein Paar Ruthen Land miethen kann. „Landlords und Pächter“, sagt Dr. Hunter, „handeln hier Hand in Hand. Wenige Acres zur Cottage würden den Ar- beiter zu unabhängig machen“194).
Einen neuen furchtbaren Anstoss erhielt der gewaltsame Expro- priationsprozess der Volksmasse im 16. Jahrh. durch die Refor- mation und, in ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der Kirchen- güter. Die katholische Kirche war zur Zeit der Reformation Feudal-
194)Dr. Hunter l. c. p. 134: „The quantity of land assigned (in den alten Gesetzen) would now be judged too great for labourers, and rather as likely to convert them into small farmers.“ (George Roberts: „The Social History of the People of the Southern Counties of England in pastcenturies. Lond. 1856“, p. 184, 185.)
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Erfolglosigkeit verräth uns Baco wider Wissen. „Der Akt Hein-
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„war tief und bewunderungswürdig, indem er Landwirthschaften und
Ackerbauhäuser von bestimmtem Normalmass schuf, d. h. eine Proportion
von Land für sie erhielt, die sie befähigte Unterthanen von genügendem
Reichthum und ohne servile Lage auf die Welt zu setzen und den Pflug
in der Hand von Eigenthümern, nicht von Miethlingen zu
halten“ („to keep the plough in the hand of the owners and not hire-
lings“). Was die kapitalistische Produktion erheischte, war umge-
kehrt servile Lage der Volksmasse, ihre eigne Verwandlung in Miethlinge, und
Verwandlung ihrer Arbeitsmittel in Kapital. Jene ältere Gesetzgebung
sucht auch die 4 Acres Land bei der Cottage des ländlichen Lohnar-
beiters zu erhalten, wie sie ihm die Aufnahme von Miethsleuten in seine
Cottage verbot. Noch 1627, unter Jakob I., wurde Roger Crocker von
Frontmill verurtheilt wegen Bau’s einer Cottage im Manor von Frontmill
ohne 4 Acres Land als beständiges Annex an dieselbe; noch 1638, unter
Karl I., wurde eine königliche Kommission ernannt, um die alten Gesetze,
namentlich auch über die 4 Acres Land, zu erzwingen; noch Cromwell ver-
bot Erbauung eines Hauses in 4 Meilen weitem Umkreis von London ohne Aus-
stattung desselben mit 4 Acres Land. Noch in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts wird geklagt, wenn die Cottage des Landarbeiters kein Zu-
behör von 1 bis 2 Acres hat. Heutzutag ist er glücklich, wenn sie mit
einem Gärtchen ausgestattet ist, oder wenn er weitab von ihr ein Paar
Ruthen Land miethen kann. „Landlords und Pächter“, sagt Dr. Hunter,
„handeln hier Hand in Hand. Wenige Acres zur Cottage würden den Ar-
beiter zu unabhängig machen“ 194).
Einen neuen furchtbaren Anstoss erhielt der gewaltsame Expro-
priationsprozess der Volksmasse im 16. Jahrh. durch die Refor-
mation und, in ihrem Gefolge, den kolossalen Diebstahl der Kirchen-
güter. Die katholische Kirche war zur Zeit der Reformation Feudal-
194) Dr. Hunter l. c. p. 134: „The quantity of land assigned (in den
alten Gesetzen) would now be judged too great for labourers, and rather as likely
to convert them into small farmers.“ (George Roberts: „The Social
History of the People of the Southern Counties of England in
pastcenturies. Lond. 1856“, p. 184, 185.)
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Marx, Karl: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 705. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/724>, abgerufen am 26.11.2024.
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